Die Testfahrt rund um Sindelfingen zeigt aber auch: Das automatisierte Auto hat noch zu lernen. Ampelsignale werden noch nicht erkannt, auch bei querendem Verkehr von links bei der Einfahrt in den Kreisverkehr muss der Fahrer selbst auf die Bremse treten. Das bräuchte es noch für den vollkommenen Komfort. Audi etwa macht in den USA Feldversuche zur Vernetzung seiner Autos mit Ampelsystemen in großen Städten - nur braucht es dafür auch die Daten.
Dennoch: Die Technik macht Fortschritte - auch dank neuer Verfahren der künstlichen Intelligenz. Daimler-Experten beispielsweise haben ihre Software mit tausenden Bildern aus deutschen Städten gefüttert, um das System auf komplexe Verkehrssituationen zu trainieren. Die automatische Erkennung von Tempolimits und Verkehrsschildern funktioniert in der S-Klasse denn auch erstaunlich gut.
Künstliche Intelligenz im Auto beschäftigt die gesamte Branche - an diesem Montag diskutieren hochrangige Automanager das Thema bei einem Kongress der Zeitschrift "Auto Motor Sport" in Stuttgart. Der Zulieferer Bosch hatte erst jüngst angekündigt, künftig das "Gehirn" für das Auto liefern zu wollen. Einen Bordcomputer, der Verkehrssituationen interpretieren und Vorhersagen über das Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer treffen soll. Geplant ist das System zum Anfang der kommenden Dekade. Auch Konkurrent Continental arbeitet in einer Forschungspartnerschaft mit der Oxford University an der Frage, welche Algorithmen die optische Objekterkennung verbessern können.
Tatsächlich wird es noch dauern, bis Computer die Kontrolle im Auto übernehmen. Im Bereich von Nebenaufgaben, die nichts mit dem Fahren an sich zu tun haben - wie bei Navigationsvorschlägen oder wenn Musikwünsche antizipiert werden - sei künstliche Intelligenz schon im Einsatz, sagt Frederik Diederichs vom Fraunhofer IAO in Stuttgart. "Sicherheitsrelevante Entscheidungen werden aber noch nicht von Systemen mit künstlicher Intelligenz getroffen."
Zum einen fehlt dafür nach wie vor die rechtliche Grundlage. Der aktuell diskutierte Gesetzentwurf von Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) sieht weiterhin vor, dass der Fahrer irgendwann eingreift.
Ein anderes Problem sei, dass die Entscheidungen der Technik nicht auf Daten basieren, die der menschlichen Wahrnehmung entsprechen. "Die Entscheidungsprozesse sind nicht vorhersagbar, sie basieren auf Wahrscheinlichkeiten", so Diederichs. Entscheidend sei aber auch, dass der Nutzer immer nachvollziehen könne, warum eine Entscheidung gefällt wurde. "Das geht bei KI-Systemen schnell verloren."
Die Wirkungen von intelligenten Systeme auf die Nutzer
Bei Bosch lässt man die möglichen Entscheidungen des Autos noch einmal von Programmierern überprüfen. "Die klassischen Hersteller gehen den Weg der Absicherung", sagt Michael Frey vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Bislang fehlten aber standardisierte Prüfverfahren für künstliche Intelligenz im Auto.
Kathrin Pollmann, die im "Neurolab" des Fraunhofer Instituts mit ihren Kollegen erforscht, welche Wirkungen intelligente Systeme auf die Nutzer haben, geht noch einen Schritt weiter. Dabei geht es beispielsweise um die Frage, wie die Konzentration eines Fahrers erfasst werden kann, damit der jederzeit eingreifen kann, wenn er denn - wie vom Gesetzgeber vorgesehen - muss. Sie will aber auch die Zustimmung der Autofahrer zu Assistenzsystemen messen.
Denn obwohl die Autobauer immer mehr technische Helferlein in ihre Fahrzeuge einbauen, ist die Skepsis noch hoch. Selbst bei einem Sicherheitsnachweis würden sich lediglich 47 Prozent der deutschen Verbraucher mit Autopiloten kutschieren lassen, hat die Unternehmensberatung Deloitte ermittelt. In China sind es ganze 81 Prozent. Systeme, die an roten Ampeln nicht halten, dürften zur Akzeptanz nicht beitragen. In näherer Zukunft bleibt das Komfort-Highlight auch in der S-Klasse dann wohl erst einmal die im Rücksitz eingebaute Wärmemassage-Funktion. (dpa/rs)