"Alignment ist der wichtigste Schlüssel", sagt Manfred Immitzer, CIO von Nokia Siemens Networks (NSN). "Ohne Alignment und entsprechende Governance-Strukturen kann ich nicht sicherstellen, dass die IT Strategie und Ziele des Unternehmens unterstützt.“ Für den Manager zieht sich die IT heute durch alle Prozesse, ist Teil der Kernwertschöpfung sowie des Portfolios und formt sogar die Kultur des Unternehmens. Die kleine, aber feine Einschränkung: "Die Durchdringung hängt natürlich auch ein wenig davon ab, ob Sie in einem Nahrungsmittel- oder Technologiekonzern wirken."
Zwar haben Alignment und Governance schon seit Jahren einen Stammplatz in der Szene – in vielen Unternehmen ist die IT jedoch längst nicht so stringent an der geschäftlichen Strategie ausgerichtet und in den obersten Führungszirkeln präsent, wie dies der Fall sein müsste. Einen Beleg liefert die aktuelle Studie "IT Business Balance" von Deloitte: Die Prüfungs- und Beratungsgesellschaft hat weltweit IT- und Business-Verantwortliche nach dem Status quo der IT im Jahre 2009 befragt. Dabei kam unter anderem ans Licht, dass in rund 60 Prozent der europäischen Unternehmen das IT-Management selten beziehungsweise nie an einem Meeting der obersten Geschäftsleitung teilnimmt. Und nur in etwas mehr als jeder dritten Firma der Region EMEA werden IT-Fragestellungen regelmäßig beziehungsweise stets in entscheidungsrelevanten Gremien erörtert.
Für Peter Ratzer, Leiter der CIO Advisory Services bei Deloitte, ist die laut Studie vielfach schleppend verlaufende Inhouse-Karriere der IT "erstaunlich", nicht zuletzt angesichts der ausgeprägten öffentlichen Bedeutung des Themas in den vergangenen Jahren. Die Relevanz der IT, bilanziert der Experte, werde offenbar nicht überall gleichermaßen erkannt. Dies sei umso gefährlicher, als die IT dadurch in der Bedeutung abrutschen kann und sich zumindest im Bewusstsein der Kollegen aus den Fachbereichen von der primären Wertschöpfungskette abkoppelt. Dieser Lieferantenstatus öffne permanenten Kostendiskussionen die Tür, Ergebnis sei der "Lopez-Effekt" – billiger zu werden um jeden Preis. "Ein internes Verhältnis von Auftraggeber und Auftragnehmer funktioniert dann auf Dauer nicht", ist Ratzer überzeugt.
Keiner will reiner Dienstleister sein
Des Pudels Kern liegt laut Kai Beckmann, CIO der Merck KGaA, in der Positionierung der IT im Unternehmen: "Wir wollen gemeinsam mit dem Geschäft und als Teil des Geschäfts Probleme lösen", berichtet der Manager. Der beste Weg dorthin führe von der klassischen Dienstleisteraufgabe hin zu einer Rolle als Partner des Business. "Es zielt in die falsche Richtung, als abgegrenzte IT-Organisation eine kleine IBM sein zu wollen." Beckmann plädiert für Partnerschaft, Berechenbarkeit bei Kosten, Qualität und Terminplänen, Ambitionen sowie die Bereitschaft zu Veränderungen, und zwar am besten auf Dauer, denn: "Alignment in fünf Schritten, und dann bin ich durch für die nächsten Jahre – das ist ein Irrglaube."
"Die IT-Kernkompetenzen werden zunehmend in der kontinuierlichen Zusammenarbeit mit dem Geschäft liegen", beschreibt Erik Mohr die Entwicklung. Für den Leiter der Abteilung "Strategische Planung und Architektur" innerhalb der Corporate IT Governance von Siemens rückt dabei insbesondere das Demand-Management in den Mittelpunkt der IT-Organisation. "Wenn Sie sich als IT-Verantwortlicher über die installierten PCs definieren, laufen Sie tatsächlich Gefahr, in die Rolle des Facility-Managements zu rutschen", stimmt ihm Merck-CIO Beckmann zu. Das gehöre zwar auch zur IT, sei aber längst nicht mehr der Hauptzweck. "Teile der IT werden zur Commodity und müssen auch so verwaltet werden." Seiner Einschätzung nach werde die Ressourcenflexibilität mit externen Partnern gelöst, intern stelle sich die Frage nach den richtigen Lösungen zu adäquaten Kosten.
Insofern bewegt sich auch die Deloitte-Studie nah an der Realität, denn das Thema Outsourcing wird in Eu-ropa inzwischen wesentlich entspannter gesehen. Die einstige "Glaubensfrage" hat sich zu einem normalen Werkzeug für die Beschaffung etabliert: "Anwender sind hier deutlich souveräner geworden", berichtet Deloitte-Manager Ratzer, und er verweist auf den gestiegenen "Wohlfühlgrad" der Klienten. Laut Studie zeigten sich über 70 Prozent der IT-Verantwortlichen sehr beziehungsweise im Großen und Ganzen zufrieden mit Outsourcing; bei den befragten Managern aus dem Business waren es immerhin knapp 60 Prozent.
Die Werthaltigkeit der IT-Organisation
Siemens-Manager Mohr sieht dies nicht nur als "Einsammeln des geschäftlichen Bedarfs" ("Was will das Geschäft"), sondern weist im Rahmen der Partnerschaft auf die Notwendigkeit hin, die Anforderungen des Geschäfts durch die IT ("Was braucht das Geschäft") zu hinterfragen. So ließe sich die bestmögliche gemeinsame Entscheidungsgrundlage erzielen.
Ratzer zufolge wirft die Spaltung in Kernkompetenz und Commodity indes auch die Frage nach der "Werthaltigkeit der IT-Organisation" auf – und offenbart häufig eine gefährliche Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Wer Commodity-Ballast über Bord wirft, muss auch gewährleisten, dass er schon auf Augenhöhe mit dem Business fliegen kann. Der Deloitte-Manager warnt davor, den Rollenwechsel der IT und die Strategie unzureichend zu kommunizieren: "Wenn die IT zunehmend auslagert, aber den neuen Wert nicht nachweist, wirkt sie nur noch wie ein Klotz am Bein."
Der Umlernprozess vom bekannten Technikwissen zum neuen Prozessverständnis vollzieht sich nicht auf Knopfdruck. "Die wichtigen Dinge wie die Interaktion mit dem Geschäft brauchen viel Zeit und Know-how, wenn man sie vernünftig umsetzen will", so Ratzer. Für Siemens-Manager Mohr kommt es dabei auf das Rollenverständnis an: "Das Geschäft gibt die Prioritäten vor, die IT setzt sie effektiv und effizient um." Entscheidend seien die jeweiligen Ansprechpartner, die permanent im Dialog stehen und Vertrauen aufbauen, dass jede Seite ihre Rolle entsprechend ausfülle. "Dies passiert durch eine erfolgreiche Zusammenarbeit und muss sich allmählich etablieren."
Vom Alignment zum Involvement
NSN-CIO Immitzer unterstützt den Trend "vom Business-Alignment zum Business-Involvement", wobei er einräumt, dass "die Positionierung der IT als Business-Partner nicht leicht fällt“ und man auf dem Weg zum Involvement eher am Anfang stehe. Dabei lässt sich die aktuelle Krise durchaus als Chance begreifen, denn auch die Fachabteilungen müssen sich öffnen. So berichtet Siemens-Manager Mohr: "Der Kostendruck erhöht die Bereitschaft im Geschäft, neue Wege zu gehen und mit Tabus zu brechen, um Mehrwert zu erzielen." Diese Bereitschaft muss die IT im Sinne des Unternehmens nutzen. Ein Rezept des Siemens-Konzerns: Marktstandards, wo keine Differenzierung erforderlich ist. Werden die IT-Kosten an das Geschäft konsequent zurückgespiegelt, "wirkt die Krise als Lackmus-Test für geschäftliche Anforderungen, und es bleibt das übrig, was wirklich gebraucht wird", sagt Mohr.
Wenn eine echte Partnerschaft von Business und IT gelebt werde, sei es laut Merck-CIO Beckmann ganz normal, in wirtschaftlich schwierigen Zeiten enger zusammenzurücken. Folglich müssten sowohl die Bedeutung der IT im Business als auch die Notwendigkeiten des Geschäfts bei der IT verankert werden. "Wenn Sie das nicht sicherstellen können", folgert Beckmann, "dann haben Sie keine Partnerschaft." In der Tat seien Fachabteilungen gut beraten, den CIO, sein Team und ihre Erfahrungen auf dem Weg zu einem lösungsorientierten Geschäftsmodell in eine partnerschaftliche Business-Verantwortung zu befördern, sagt NSN-CIO Immitzer: "Sonst werden Sie die Fehler, aus denen die IT in den letzten zehn Jahren gelernt hat, wiederholen."