Was haben Schokolade, Croissants, Flugzeuge und der "Z3" von BMW gemeinsam? Sie werden auf Anlagen produziert, die die Bühler AG entworfen hat. Neben Back- und Schokoladenfabriken oder Brauereien gehören auch Automobilzulieferer und Flugzeugbauer zu den Kunden der Schweizer Anlagenbauer.
Das in Uzwil beheimatete Unternehmen ist heute in 40 Ländern mit rund 6100 Mitarbeitern vertreten. Die Vor-Ort-Präsenz ist wettbewerbsentscheidend, denn Lösungen von der Stange gibt es im Anlagenbau nicht. Zwar existieren für viele Fabrikationsvorgänge weitgehend genormte Standardmaschinen. Das Betriebsgeheimnis von Bühler liegt aber in der genauen Analyse der Prozesse der Kunden. "Unsere Ingenieure gestalten Anlagen nach Maß, unser Know-how ist das Gesamtkonzept", erklärt Christoph Meier, Corporate Controller und Gesamtprojektverantwortlicher bei Bühler. "Der Kunde sagt, welches Produkt er erstellen will und welche Rohstoffe involviert sind. Wir stellen die Maschinen zu Individuallösungen zusammen und stimmen sie optimal aufeinander ab."
400 bis 600 derartige Projekte stemmen die Schweizer im Jahr. Sie alle dauern in der Regel einige Monate, oft sind mehrere Spezialisten aus unterschiedlichen Standorten involviert. Jedes einzelne Projekt der Bühler AG ist finanziell ein riskantes Unterfangen. Ab 200 000 Euro beginnen die Investitionen, wenn die Bühler-Ingenieure sich an die Arbeit machen. Gefahren wie insolvente Kunden, aber auch technische Probleme wie beispielsweise unter falschen Vorraussetzungen konstruierte Anlagen kommen das Unternehmen daher teuer zu stehen.
Zwar ist eine Risikoanalyse Bestandteil eines jeden Projekts. Schon seit Jahren ist sie Teil aller Fortschrittsberichte, die angefertigt werden, damit sich auch die Controller und andere Entscheider in der Zentrale über den Stand des jeweiligen Auftrags und mögliche Sollbruchstellen informieren können. Dabei fehlten aber feste Vorgaben. Denn ob es der jeweils verantwortliche Ingenieur vorzog, die Informationen als Word- oder als Excel-Datei, unter Umständen sogar einfach mündlich zu übermitteln, war bis vor kurzem dem Geschmack des Einzelnen überlassen. "Die Projektleiter verschweigen natürlich in der Regel keine Risiken, aber sie sind zum Teil für bestimmte Bereiche einfach nicht verantwortlich, oder sie kommunizieren Risiken, und andere kriegen es nicht mit", erklärt Meier. "Es gab zum Beispiel einen Fall, in dem ein Projektleiter einen kaufmännischen Leiter auf eine sich anbahnende Mehrwertsteuerproblematik hinwies", sagt Meier. "Der Hinweis wurde nicht beachtet. Das hatte teure Folgen."
Meiers Aufgabe war es, vor diesem Hintergrund sicherzustellen, dass das Unternehmen einen Überblick über die jeweiligen Projekte gewinnt. "Zunächst ging es darum, Standardprozesse weltweit einzuführen", erklärt der Projektleiter. Als informationstechnologisches Werkzeug dient dabei das Bühler Projekt Management Cockpit (BPM). Es bietet dem Projektleiter die Möglichkeit, den Kundenauftrag in einem System über alle Projektphasen zu managen, vom so genannten "Hand-over Meeting" bis zum "Final Take Over". Die Anwendung, die im Kern aus einem elektronischen Fortschrittsbericht besteht, entwickelte das Unternehmen vor zwei Jahren selbst. "Wir wollten keine externe Software kaufen und dann unsere Prozesse fremden Vorgaben anpassen", begründet der Projektverantwortliche Meier die Entscheidung.
Das Cockpit führt mindestens einmal im Monat Daten aus Anwendungen wie Rechnungswesen, Controlling, Materialwirtschaft und dem selbst entwickelten Projektsystem unter einer grafischen Oberfläche zusammen. Aufgaben, Fertigungsabschnitte, aber auch die aufgewandte Stundenzahl und eine Finanzübersicht lassen sich im laufenden Betrieb abbilden. Das geschieht durch die direkte Verknüpfung unter anderem auf die in SAP abgelegten lokalen Berichte über die Projektkosten für das monatliche Kostencontrolling und auf das Forderungsmanagement. Eine Dokumentenverwaltung beinhaltet alle relevanten Verträge und Konstruktionspläne.
Nicht nur die aktiv Beteiligten haben so alle relevanten Entwicklungen im Blick. Die einheitliche Systemabwicklung erleichtert auch die Übergabe des Projektes an andere Mitarbeiter, etwa bei der Pensionierung oder einem Wechsel in der Projektleitung.
Dem Thema Risikominimierung wurde ebenfalls ausdrücklich Platz eingeräumt. Gefahren, die sich aus der ersten Risikountersuchung, der Vertragsanalyse oder aus Entwicklungen im laufenden Vorhaben ergeben, werden für alle verbindlich in den entsprechenden Feldern des Cockpits hinterlegt. Kommunikationsfehler und Missverständnisse können damit weitgehend ausgeschlossen werden. Die Fortschrittsberichte sind Informationsquellen für alle Beteiligten. "Wir können so verhindern, dass irgendwo im Unternehmen Risiken unter den Tisch gekehrt oder ausgesessen werden, denn die Verantwortlichkeiten sind genau so klar definiert wie die Art und Weise, wo und wie die Risiken abgebildet werden", sagt Meier.
Wenn das rote Lämpchen blinkt
Die Freiheit, Schwierigkeiten individuell und in Eigenverantwortung anzugehen, bleibt aber für alle Akteure im Unternehmen erhalten, sagt Meier. Den eigenen Einschätzungen folgend, können die Projektleiter mit der Möglichkeit umgehen, über das Cockpit Warnmeldungen anzuzeigen. Es gibt keine zentral festgelegte Vorgabe, ab wann eine rote Anzeige Verzug melden muss und wie lange alle Angaben noch im grünen Bereich sind. "Was die Verantwortlichen aus den Anzeigen für Schlüsse ziehen und wie sie im Detail Probleme lösen, bleibt weiterhin ihnen überlassen", erklärt der Projektleiter.
Derzeit arbeiten 300 Projektleiter aktiv mit dem Werkzeug. Noch einmal so viele Entscheider - Vorgesetzte, Geschäftsbereichs- und Konzernleiter - sind als Informationsempfänger an das System angeschlossen. "Während wir früher teilweise hohe Einbußen durch schlechte Prozessqualität oder Nachlieferungen zu verzeichnen hatten, können wir solchen Fehlentwicklungen heute effektiv begegnen, und wir sparen Zeit und Kosten", sagt Alfred Höllwarth, Leiter IT & Processes bei der Bühler AG.
Mittlerweile hat der Softwareriese SAP die Lösung ins eigene Portfolio übernommen und vermarktet das Projektcockpit. Die Walldorfer haben dazu die Individuallösung um das eigene Know-how ergänzt. Bühler arbeitet indes an der Umstellung des Werkzeugs auf die neue technische Basis: Die funktionsübergreifenden Lösung SAP xApp Resource and Program Management (SAP xRPM) soll bis Ende dieses Jahres die Informationen aus den unterschiedlichen Geschäftsanwendungen zusammenführen. Sinn der Umstellung: Mit der neuen Lösung erhält Bühler den Zugang zur Web-Services-Technologie.
Der nächste Schritt des Schweizer Anlagenbauers besteht darin, die Anwenderzahl zu erhöhen: Die Forschungs- und Entwicklungsleiter bei Bühler wollen in Zukunft ebenfalls ihre Projekte mit dem Cockpit planen, überwachen und bewerten.