Man wolle unvergessliche Produkte mit besonders einfacher Handhabung machen; und muss nicht unbedingt der Erste sein. Mit dieser zum iPod analogen Strategie geht Apple am 24. April mit seiner ersten Smartwatch in den Verkauf. Das herausragende Feature der Apple Watch sei deren Vielseitigkeit, die Träger werden ihre individuellen Lieblings-Apps auf der Uhr haben.
Selbst die Uhrzeitanzeige ist sehr persönlich konfigurierbar, wie Apple-CEO Tim Cook betont. Durch die personalisierten Apps sieht Cook die Apple Watch künftig ähnlich wichtig wie das iPhone. Außerdem könne das für die Koppelung mit der Watch notwendige iPhone meist einfach in der Tasche bleiben - ein Blick auf die Watch informiere den Träger mit allen wichtigen Ereignissen.
Die Erfolgsaussichten für die Watch sind nicht schlecht. Laut den Analysten von Forrester sind inzwischen 21 Prozent der Europäer müde geworden, ständig das Smartphone aus der Tasche ziehen zu müssen. Und der Gedanke alles mit einem Wearable am Handgelenk erledigen zu können, fasziniert immerhin schon ein Drittel der Befragten. So geht Forrester von 10 Millionen verkauften Apple-Watch-Modellen bis Ende 2015 aus. Weltweit wurden 2014 laut der Smartwatch Group allerdings nur 6,8 Millionen Smartwatches und Fitnessbänder insgesamt verkauft - davon sind 1,2 Millionen Stück aus Samsungs Gear-Produktlinien.
Die Apple Watch arbeitet eng mit dem iPhone zusammen, wenn für die Funktionalität eine Online-Verbindung benötigt wird. Hierbei unterscheidet sich die Watch wenig von Smartwatches mit Android Wear. Apple verwendet für die Koppelung mit dem iPhone Bluetooh. Sollte die Reichweite bis zum iPhone nicht ausreichen, dann verbindet sich die Watch laut Apple auch über das WLAN mit dem Smartphone.
Digitale Krone, Force Touch und Taptic Engine
Bei der Bedienung setzt die Watch im Vergleich zu Smartwatches mit Android Wear nicht nur auf den Touchscreen, sondern verwendet eine digitale Krone. Mit der dreh- und drückbaren Krone lässt sich navigieren oder zoomen, ein Druck bringt einem zum Homescreen zurück. Mit der Taste unter der Krone gibt es bei der Watch einen direkten Zugriff auf die Kontakte, mit denen man am meisten zu tun hat. Die Watch stellt Miniaturen der Kontaktbilder dar.
Ein Tipp auf eine Person erlaubt eine schnelle Kontaktaufnahme durch Anrufen oder Senden einer Nachricht. Zusätzlich reagiert die Watch auf Bewegungsgesten: Trifft eine neue Nachricht ein, so genügt das Heben des Handgelenks zum Lesen; beim Senken des Arms wird die Nachricht wieder ausgeblendet.
Apps als runde Icons
Beim Touchscreen gibt es mit Force Touch zudem eine Technologie, die leichtes Antippen von einem stärkeren Drücken unterscheiden kann. Und die Taptic Engine der Apple Watch ermöglicht ein Tippen der Uhr auf das Handgelenk - beispielsweise um den Träger an etwas zu erinnern. Multitouch-Gesten mit mehreren Fingern unterstützt die Apple Watch nicht - die Bedienung per Touch soll mit einem Finger erfolgen.
Die Apple Watch zeigt alle Apps auf dem Homescreen als kleine runde Icons an. Apps, die beim hin- und herwischen in die Bildschirmmitte rücken, stellt die Watch dann vergrößert dar. Beispielsweise lässt sich beim Tipp auf die Einstellungen dann der Flugmodus oder Nicht stören aktivieren. Bei der Nachrichten-App erlaubt die Watch nicht nur das Lesen der Meldungen sondern auch Antworten. Hierfür bietet die Watch basierend auf den bisherigen typischen Antworten gleich eine Vorauswahl.
Wie bei der Nachrichten-App auf dem iPhone kann auch eine Audio-Nachricht als Antwort über die Uhr versendet werden. Apple Watch unterstützt auch Siri um per Sprache Aufgaben zu erledigen. Siri kann einfach durch "Hey Siri" ohne das Drücken einer Taste gestartet werden - ähnlich wie es schon beim iPhone funktioniert, wenn es am Netzteil hängt.
Telefonanrufe können ebenfalls direkt über die Watch mit dem integrierten Lautsprecher und Mikrofon beantwortet werden. Ein Telefonat lässt sich laut Apple auch nahtlos an das iPhone übergeben. Will man einen Anruf nicht annehmen, so genügt bei der Watch das Auflegen der Hand für die Stummschaltung. Die nahtlose Übergabe wie bei Telefonaten funktioniert auch bei Nachrichten und Mails: Was gerade auf der Watch geöffnet ist, lässt sich bei Bedarf direkt auf dem iPhone weiter bearbeiten (analog der Funktion Handoff von iOS 8).
Technische Details zur Watch
Apple bietet die Watch in den zwei Gehäusegrößen von 38 und 42 mm an. Das als Retina-Bildschirm bezeichnete Display des 38-mm-Modells löst 272 x 340 Bildpunkte auf, die größere 42er Watch bietet 312 x 390 Pixel Auflösung. In der Smartwatch kommt das Modul S1 zum Einsatz, das den Prozessor und die Subsysteme beherbergt. Die Platine ist von Kunstharz umgeben, um die Elektronik vor Witterungseinflüssen oder Stößen und Verschleiß zu schützen.
Die Apple Watch ist nach Angaben des Herstellers wassergeschützt, aber nicht wasserfest. Man könne laut Apple die Watch zum Beispiel beim Training, im Regen oder beim Händewaschen tragen und verwenden, aber ein Eintauchen der Smartwatch in Wasser sei nicht zu empfehlen. Die Apple Watch ist nach IEC-Norm 60529 als Wasserschutzkategorie IPX7 klassifiziert. Die Lederarmbänder sind laut Apple nicht wasserbeständig.
Akkulaufzeit reicht für einen Tag, Gangreserve für 72 Stunden
Die Akkulaufzeit beziffert Cook mit 18 Stunden für die typische Nutzung der Apple Watch. Dabei geht Apple von folgendem Szenario aus: 90 Display-Aktivierungen durch Armheben, 90 Benachrichtigungen, 45 Minuten App-Nutzung und 30 Minuten Training mit Musik von der Apple Watch über Bluetooth. Schaut man bei einer mit dem iPhone verbundenen Watch fünfmal pro Stunde nur auf die Uhrzeit, so soll der Akku bis zu 48 Stunden reichen; die Watch ist dabei voll funktionsfähig.
Erreicht der Batterieladestand dagegen einen zu niedrigen Wert, schaltet die Watch laut Apple automatisch in den Gangreserve-Modus, bei dem sich noch bis zu 72 Stunden die Uhrzeit ablesen lässt. Eine Trainingseinheit mit aktivierten Herzsensor soll bis zu 7 Stunden möglich sein.
Das Aufladen der Watch erfolgt induktiv und ohne freiliegende Kontakte. Hierzu wird der Connector einfach an die Rückseite der Watch gehalten, der integrierte Magnet setzt den Ladeteller automatisch korrekt auf. Nach 1,5 Stunden Ladezeit hat die Watch 80 Prozent der Akkukapazität wieder hergestellt. Eine vollständige Ladung dauert laut Apple zirka 2,5 Stunden.
Sensoren überwachen die Aktivität
Auf der Rückseite der Watch hat Apple Sensoren zur Messung der Herzfrequenz integriert. Hierfür verwendet der Hersteller LEDs mit sichtbaren und Infrarotlicht sowie Fotodioden, die über eine Keramikschicht und Saphirlinsen geschützt sind. In Verbindung mit dem Beschleunigungssensor sowie dem GPS und WLAN des iPhones misst die Watch alle Arten körperlicher Aktivität, wie Apple angibt. Hierzu zählen Schritte und verbrannte Kalorien ebenso wie zurückgelegte Entfernungen (via iPhone).
Fitness-Apps für die Watch
Um die tägliche Aktivität auf der Watch zu überwachen, gibt es auf dem Smartphone die Activity App. An drei Ring-Grafiken zeigt die App den Status der erreichten Fitnessziele an. Der Ring Bewegen zeigt die Zahl der verbrannten Kalorien an. Über den Ring Trainieren zeigt die Watch die Minuten von zügiger Bewegung an. Der Ring schließt sich, wenn das allgemein empfohlene Ziel von 30 Minuten Training pro Tag erreicht ist. Und der Ring Stehen gibt Auskunft darüber, wie oft man am Tag aufgestanden ist. Damit will einem die Watch daran erinnern, nicht zuviel zu sitzen an einem Tag. Sitzt der Träger eine Stunde, so tippt einem die Watch an, dass man sich mal wieder bewegen sollte.
Die Watch führt über die täglichen Aktivitäten Buch und erstellt daraus ein wöchentliches Bewegungsziel. Der Träger soll damit seine wöchentliche Aktivität besser einschätzen können um die (anpassbaren) Trainingsziele auch zu erreichen.
Über die integrierte Watch-App Workout zeigt die Smartwatch Echtzeitdaten wie Dauer, Entfernung, verbrauchte Kalorien und die Geschwindigkeit von Trainingsarten wie Joggen, Gehen und Radfahren an. Die Trainingsdaten fließen laut Apple auch in die Activity App hinein. Die Begleit-App für das iPhone zeigt die Statistiken auch auf dem Smartphone übersichtlich an. Damit kann man die mit der Watch gesammelten Fitness-Daten auch in die Health-App des iPhones sammeln.
Watch zum Bezahlen mit Apple Pay
Apple hat in die Watch die NFC-Technologie integriert, um damit kontaktlos via Apple Pay bezahlen zu können. Hierzu muss die Smartwatch nur an ein Lesegerät gehalten werden. Für den Bezahlvorgang erhält der Träger ein Antippen von der Uhr sowie ein akustisches Signal.
Als weitere Beispiele von Apps für die Watch nennt Apple die die Uber zum Rufen von Taxis. Passbook gibt es ebenfalls auf der Watch, damit eignet sich die Smartwatch auch für den Checkin am Flughafen. Die Watch lässt sich auch als Schlüssel für Hotelzimmer verwenden, wie Apple in Zusammenarbeit mit dem W-Kette zeigt. Über eine App Alarm.com lässt sich auch die Garage remote via Internet öffnen.
Über die neue iPhone-App Apple Watch werden Apps für die Watch in dem darin enthaltenen Store angeboten und heruntergeladen. Auf dem iPhone muss für die Zusammenarbeit mit der Watch iOS 8.2 installiert sein. Das Upgrade auf iOS 8.2 ist ab sofort über die Softwareaktualisierung auf dem iPhone verfügbar.
Modelle, Preise und Verfügbarkeit
Apple bietet die Smartwatch in den drei Serien Watch, Watch Sport und Watch Edition an. Die Serien unterscheiden sich nicht von den Features, sehr wohl aber von den Materialen und Bändern. Zusätzlich gibt es die Serien jeweils in den bereits erwähnten Größen mit 38 oder 42 mm großem Gehäuse.
Die Watch Sport markiert den Einstieg in Apples Smartwatches. Das Gehäuse ist aus eloxiertem Aluminium in den Farben Silver und Space Gray. Zum Schutz des Displays kommt ein gehärtetes Ion-X-Glas zum Einsatz. Die Watch Sport bietet Apple mit weichen Kunststoffarmbändern aus Fluorelastomer in den Farben White, Blue, Green, Pink und Black an. Insgesamt sind 10 Modelle im Angebot. Der Preis der Watch Sport in der 38-mm-Variante beträgt 399 Euro, das 42-mm-Modell kostet 449 Euro.
Im mittleren Preisgefüge agiert die "normale" Watch. Hier setzt Apple auf ein kaltgeschmiedetes Edelstahlgehäuse, wahlweise hochglanzpoliert oder in der Farbe Space Black. Das Retina Display schützt Apple mit dem härteren und teureren Saphirglas. Eine große Auswahl gibt es bei Watch bei den Armbändern. Zum einen lässt sich ein Gliederarmband aus einer gebürsteten Edelstahllegierung wählen, das es wahlweise auch in der Farbe Space Black gibt. Über einen laut Apple simplen Mechanismus können hier Glieder für die Anpassung einfach entfernt oder hinzugefügt werden.
Ebenfalls aus Metall ist das geflechtete Milanaise-Armband. Wer lieber Leder als Armband will, für den gibt es bei der Watch die Loop-Variante (Farben Stone, Light Brown und Bright Blue) im abgesteppten Design mit darin versteckten Magneten; damit realisiert Apple den Schließmechanismus. Eine weitere moderne Variante aus Granada-Leder mit Schnallenverschluss gibt es in den Farben Soft Pink, Brown und Midnight Blue. Ein klassisches Lederarmband hat Apple für die Watch mit schlichter Schließe in der Farbe Black ebenfalls im Angebot. Wer will, kann die Watch auch mit einem Sportarmband aus der Serie Watch Sport in den Farben White und Black ausstatten.
Die Serie setzt sich aus insgesamt 18 Modellen zusammen. Der Preis für die Watch im Edelstahlgehäuse beginnt bei 649 Euro für das 38-mm-Modell bis hoch zu maximal 1249 Euro für die 42er Variante. Die große Preisspanne hängt vom gewählten Armband ab. Apple bietet die Armbänder auch als Zubehör an: Die Preise reichen von 59 Euro für das Sportarmband bis hin zu 499 Euro für das Gliederarmband.
Bei der Serie Watch Edition handelt es sich um die teuren Edelmodelle von Apple. Alle sechs verfügbaren Edition-Watches besitzen ein Gehäuse aus 18 Karat Gelbgold oder Rosegold. Den Displayschutz übernimmt wieder ein poliertes Saphirglas. Bei den Armbändern preist Apple Lederarmbänder in Bright Red, Midnight Blue und in Rose Gray sowie Sportarmbänder in White und Black an. Apple verlangt für die Watch Edition mindestens 11.000 Euro.
Ab 10. April in Deutschland vorbestellbar
Die Modelle der Serien Watch und Watch Sport sind ab dem 24. April 2015 in Deutschland in den Stores und im Online-Shop von Apple erhältlich. Vorbestellungen nimmt der Hersteller ab dem 10. April entgegen. Ab dem 11. April wird die Apple Watch zum Anschauen und Anprobe auch in den Galeries Lafayette in Paris, Isetan in Tokio und Selfridges in London zur Verfügung stehen. Die teuren Modelle der Watch Edition gibt es laut Apple ab dem 24. April auch in ausgewählten Fachgeschäften.