Bisher werden digitale Zahlungen überwiegend von privaten, oft ausländischen Firmen erledigt. Egal, ob Shopping via Internet oder kontaktloses Zahlen per Smartphone: Dienste wie Paypal, Visa, Google- und Apple-Pay sehen dabei, wen wir wann bezahlen. Da das Online-Shopping zudem stark zunimmt, steigt auch die Geldmenge, die digital transferiert wird.
Unter anderem wegen dieser Entwicklung haben sich die Europäische Zentralbank (EZB) und die nationalen Zentralbanken des Eurosystems entschlossen, in den Wettbewerb mit dem digitalen Geld einzusteigen. Welche technische Basis für den digitalen Euro gewählt wird, soll eine aktuell laufende Erprobungsphase ermitteln. Sie startete im Oktober 2021 und ist auf zwei Jahre angelegt. Dann soll entschieden werden, wie es mit dem digitalen Euro weitergeht. Fertig soll das auch E-Euro genannte Geld voraussichtlich im Jahr 2026 sein, nachdem die neuen Regelungen in nationales Recht der EU-Mitgliedstaaten überführt wurden. Zu spät, finden die einen. Immer noch zu früh die anderen, die am liebsten ganz auf einen digitalen Euro verzichten würden.
Wie funktioniert der digitale Euro?
Das ist noch nicht entschieden. Fachleute der EZB und der nationalen Zentralbanken haben aber bereits eine Reihe grundlegender Anforderungen für den E-Euro festgesetzt. Er muss leicht zugänglich, sicher und effizient sein. Außerdem muss die Privatsphäre gewahrt und geltendes Recht eingehalten werden. Die aktuelle Testphase soll unter anderem prüfen, wie sich der E-Euro am besten an Händler und Bürger verteilen lässt. Diese Vorgaben sollen zu einem anonymen Zahlungsmittel führen; da Transfers von digitalem Geld aber immer Spuren hinterlassen müssen, damit niemand das Geld kopieren kann, wird es wohl auf eine Pseudonymität hinauslaufen.
Technisch gesehen sind für den E-Euro zwei System im Rennen. Zum einen das bereits 2018 eingeführte elektronische Bezahlsystem Target Instant Payment Settlement (TIPS). Es erlaubt Zahlungsdienstleistern, Geldtransfers mit Zentralbankgeld abzuwickeln. Dabei geht es bisher aber nur um Giralgeld (siehe Kasten), künftig könnte mit TIPS aber auch der E-Euro fließen. Zum anderen könnte ein auf der –Blockchain basierendes System genutzt werden. Das würde allerdings so geändert, dass eine zentrale Stelle, die EZB, alle Fäden in der Hand behält.
Bisherige Kryptowährungen zeichnen sich gerade durch das Gegenteil aus, nämlich eine dezentrale Struktur.
Wie funktioniert das Bezahlen mit dem E-Euro?
Auch das ist für den E-Euro noch nicht entschieden. Wünschenswert ist, dass der E-Euro die Vorteile bekannter digitaler Bezahlsysteme wie Google- oder Apple-Pay mit der Übersichtlichkeit einer digitalen Wallet verbindet. Der E-Euro könnte sich damit in einer digitalen Geldbörse in Form einer App fürs Smartphone speichern lassen. Ein Blick in die App sollte den aktuellen Inhalt preisgeben. Das Bezahlen sollte für kleine Beträge kontaktlos und ohne Code funktionieren. Größere Beträge könnten per Passwortabfrage oder Fingerabdruck geschützt sein. Sollte mangels passender Hardware kein automatischer Geldtransfer möglich sein, könnte ein QR-Code den zu zahlenden Betrag und die Empfänger-Wallet anzeigen und per Smartphone-Kamera gescannt werden. Ob sich der E-Euro im Jahr 2026 aber wirklich in dieser Form zeigt, ist heute zunächst nur Spekulation.
Wer will den digitalen Euro haben?
Angestrebt wird der E-Euro derzeit von den europäischen Zentralbanken. Es sieht allerdings so aus, als würden diese nur deshalb den E-Euro planen, um sich die Konkurrenz durch alternative Kryptowährungen, wie dem Bitcoin, vom Hals zu halten. Denn diese Kryptowährungen haben das Potenzial, einen grenzenlosen, sicheren und günstigen Zahlungstransfer zu ermöglichen. Dass das den etablierten Finanzinstitutionen zu denken gibt, liegt natürlich auf der Hand.
Für viel Wirbel sorgte zudem der angekündigte Großangriff auf die Finanzsysteme durch Facebook mit der Währung Libra im Jahr 2019. Staatliche und private Institutionen befürchteten, dass Facebook mit seinen gut drei Milliarden Nutzern eine gute Chance hätte, eine kaum regulierte Parallelwährung einzuführen, von der vor allem Facebook profitiert. Notenbanken, Finanzminister und Regulierungsbehörden weltweit gingen gegen dieses alternative Geld vor. Durch massiven Druck vornehmlich von US-Behörden schrumpfte das Konzept von Libra immer weiter zusammen. Libra firmiert mittlerweile unter dem Namen Diem und hat seinen Firmensitz von der Schweiz in die USA verlegt. Der Diem soll demnächst als Stable Coin angeboten werden. Er wird von einer US-Bank herausgegeben und von einer US-Behörde überwacht. Viel Revolutionäres scheint vom Konzept aus dem Jahr 2019 nicht geblieben zu sein.
Die Gefahr durch Facebooks Libra konnten die Finanzinstitute also abwehren. Doch der Aufstieg von Bitcoin & Co. droht heute mehr denn je, den Banken Konkurrenz zu machen. Aktuell funktioniert der Bitcoin in den Industrieländern zwar in erster Linie als Investitionsobjekt und nicht als Zahlungsmittel. Doch könnte sich das durch technische Verbesserungen am Bitcoin-System ändern. Spätestens dann sollte die europäische Finanzwirtschaft den E-Euro am Start haben, um sich gegen freie Kryptowährungen besser behaupten zu können.
Die EZB hat noch ein weiteres Interesse am E-Euro. Aktuell wird der Anteil des Bargelds im Euroraum auf nur 20 Prozent geschätzt. Der Rest liegt unter anderem als Giralgeld im Bankensystem. Dafür ist die EZB aber nicht zuständig. Verringert sich der Anteil des Bargelds an der Gesamtsumme, so verringert sich auch der Einfluss der EZB. Da der E-Euro auch zum Bezahlen im Internet genutzt werden können soll, könnte der Anteil des Bargelds wieder steigen und damit auch der Einfluss der EZB. Wobei die EZB natürlich auch andere Möglichkeiten der Einflussnahme auf das europäische Finanzsystem hat als durch digitales oder papierenes Geld.
Welche Vorteile hat der E-Euro für Bürger?
Der E-Euro kann eine Reihe handfester Vorteile für die Bürger haben.
EU-Ausland:Während Sie heute mit Ihrer deutschen Bankkarte im EU-Ausland kaum etwas bezahlen können und entweder auf eine Kreditkarte oder Bargeld angewiesen sind, wäre der digitale Euro im gesamten Euro-Raum gültig. Reisen in der EU würde zahlungstechnisch noch komfortabler.
Unabhängigkeit: Aktuell wird der Zahlungsverkehr immer digitaler. Mit Google-Pay oder Kreditkarten läuft die bargeldlose Bezahlung dabei meist über private Unternehmen. Je seltener Verbraucher mit Bargeld bezahlen können, desto größer wird die Abhängigkeit von diesen privaten Firmen. Ein E-Euro, der wie das Bargeld rechtlich bei den Nationalbanken verankert wäre, könnte diese Abhängigkeit deutlich reduzieren.
Datenschutz:Der E-Euro könnte weitgehend anonymes beziehungsweise pseudonymes Bezahlen möglich machen. Verglichen mit Paypal & Co. wäre der E-Euro somit sehr wahrscheinlich datensparsamer. Verglichen mit einer Bargeldzahlung in einem Geschäft allerdings nicht.
Anspruch an die Nationalbanken: Gut für den Bürger ist auch, dass die EZB und die Nationalbanken für den E-Euro geradestehen würden. Dafür muss man den Unterschied zwischen Geld auf der Bank und Bargeld kennen. Für Bargeld ist das System der Nationalbanken zuständig. Sobald Sie Ihr Bargeld aber bei einer Bank eingezahlt haben, etwa der Postbank, der ING oder einer anderen, haben Sie nur noch gegenüber dieser Bank Anspruch auf Ihr Geld. Geht die Bank bankrott, wie in der Finanzkrise von 2008 mit einigen Banken geschehen, ist Ihr Geld weg. In der EU können sich Bankkunden ihr Geld zwar vom Einlagensicherungsfonds zurückholen, allerdings nur bis zu einer begrenzten Höhe. Und das nur, solange der Einlagensicherungsfond nicht an seine Grenzen stößt.
Anders verhält es sich mit Bargeld. Wenn Sie Ihr Geld vor der Bankenpleite abgehoben und in bar nach Hause gebracht haben, ist wieder das System der Nationalbanken für den Wert des Geldes zuständig. Solange also die Europäische Union nicht pleite geht, behält Bargeld seinen Wert. Das wird auch auf den E-Euro zutreffen.
Nachteile: Verschwindet jetzt das Bargeld?
Die EZB sagt klar, dass das physische Bargeld nicht verschwinden wird. Der digitale Euro soll eine Ergänzung zum Geldschein sein, kein Ersatz.
Trotz dieses Bekenntnisses ist die Zahl der Kritiker am E-Euro groß. So fürchtet etwa Dirk Müller, auch Mister Dax genannt, in einem Interview mit dem Focus, dass ein kommendes digitales Geld nicht anonym, sondern staatlich kontrolliert sein wird. Damit nicht genug, fürchtet Müller, dass der E-Euro schließlich das Bargeld komplett ersetzen könnte und damit eine staatliche Überwachung ungekannten Ausmaßes einhergeht.
Alleine ist Müller mit dieser Skepsis gegenüber dem E-Euro nicht. Laut einer Umfrage der EZB aus dem Sommer 2021 gaben 54 Prozent der Teilnehmer an, dass sie gegen die Einführung eines digitalen Euros sind. Vier von zehn Befragten können sich dagegen grundsätzlich vorstellen, das digitale Geld zu nutzen.
Dass Bargeld tatsächlich weitgehend verschwinden kann, hat sich in den letzten Jahren in China gezeigt. Nachdem dort Falschgeld zu einem sehr großen Problem für die Verbraucher wurde, setzte sich das digitale Bezahlen etwa mit dem kommerziellen Dienst Alipay schnell durch. In China bezahlt man selbst die Melonen am Straßenrand digital. Nun hat die EU kein so großes Falschgeldproblem wie China. Allerdings ist Geldwäsche ein ernstes Problem. Deshalb hat die EU-Kommission bereits angekündigt, künftig Barzahlungen von über 10.000 Euro in allen Mitgliedsstaaten zu verbieten. Das bedeutet noch nicht die Abschaffung des Bargelds, geht aber in diese Richtung.
Welche digitalen Währungen gibt es bereits?
Digitales Geld, das von einer Nationalbank ausgegeben wird und als gesetzliches Zahlungsmittel gilt, gibt es bisher nur in China, wo der digitale Yuan bereits testweise verteilt wurde. Die aktuellen Verfahren zum digitalen Bezahlen fußen in allen anderen Ländern auf dem System des Giralgelds. Der E-Euro wäre somit eine Neuheit in Europa.
Allerdings gibt es seit 2009 die digitale Kryptowährung Bitcoin. In der Folge entstanden bis jetzt über 10.000 sogenannte Kryptos, von denen einige hundert als Währung konzipiert sind. Der Bitcoin gilt seit 2021 in El Salvador als offizielles Zahlungsmittel. In einigen Schwellenländern, etwa in Afrika, funktionieren der Bitcoin und andere Kryptowährungen als inoffizielles Zahlungsmittel.
Kryptowährungen bieten sich als gute Alternative zum Bankensystem an, denn sie sind in der Regel unabhängig von Staaten und Finanzinstituten, grenzüberschreitend und preisgünstig. Sie können damit innerhalb von Sekunden über nationale Grenzen hinweg Geld transferieren. Verglichen mit den typischen Bankgebühren für Auslandsüberweisungen können die Transaktionskosten bei den Kryptowährungen gering sein.
Der künftige E-Euro kann technische und andere Merkmale mit Bitcoin & Co. teilen, es wird aber Unterschiede geben. Das hat die EZB bereits betont. Zumindest wird der E-Euro so gestaltet sein, dass sein Wert von der EZB gesteuert werden kann.
Fachchinesisch: Digitales Geld
Geld ist durch die tägliche Handhabung etwas sehr Vertrautes. Bei genauerer Betrachtung entpuppt es sich aber als überraschend komplex, etwa wenn Fans von Kryptowährungen verächtlich über Fiatgeld reden oder Finanzexperten über die Vor- und Nachteile von Stable Coins diskutieren. Hier erklären wir einige der wichtigsten Begriffe.
Fiatgeld: Fiatgeld ist ein Zahlungsmittel ohne inneren Wert. Damit unterscheidet es sich etwa von Gold oder Zigaretten. Der Wert des Fiatgeldes wird allein über die Macht des Staates bestimmt.
Giralgeld:Wird auch Buchgeld genannt und ist ein Zahlungsmittel, das im Bankwesen durch Übertragung von Girokonto zu Girokonto mittels Buchungen genutzt werden kann.
Kryptowährung:Eine Kryptowährung wird auch Krypto oder Coin genannt und ist ein digitaler Vermögenswert, der sich tauschen lässt. Die Coins sind in einer dezentralen Datenbank (Distributed-Ledger-Technologie), in der Regel einer Blockchain, festgehalten. Das ist eine öffentliche Finanztransaktionsdatenbank, die mit Hilfe von Kryptografie und einer großen Zahl von Teilnehmern den Transfer und die Erzeugung von Coins schützt. Beispiele für Kryptos sind Binance Coin, Bitcoin, Dogecoin, Ethereum, Litecoin und Tether.
Bitcoin: Ist die bekannteste und gemessen an ihre Marktkapitalisierung auch erfolgreichste digitale Währung. Sie wurde 2009 veröffentlicht, ihr Konzepten fußt allerdings auf Ideen, die bereits in den 1990er Jahren entwickelt wurden. Der Bitcoin ist frei, dezentral und nutzt die –› Blockchain. Sein maximales Volumen beträgt 21 Millionen Bitcoins. Ein Bitcoin muss durch das Lösen von mathematischen Problemen errechnet werden. Das ist das sogenannte Mining. Aktuell sind knapp 19 Millionen Bitcoins erzeugt.
Blockchain:Die Blockchain ist eine Distributed-Ledger-Technologie. Sie kommt ohne einen zentralen Server aus, da sie dezentral mit vielen Teilnehmern arbeitet. Trotzdem kann sie den Inhalt einer Datenbank sicher verwalten. Um zu gewährleisten, dass eine Transaktion in der Blockchain legitim ist, müssen mehrere Teilnehmer die Transaktion freigeben.
Stable Coin: Kryptowährungen sind oft großen Kursschwankungen unterworfen. Das macht sie für Spekulationen interessant, fürs Bezahlen von Waren ist das aber nachteilig. Bei einem Stable Coin übernimmt jemand die Garantie, dass die Währung stabil bleibt. Das geht etwa durch einen garantierten Wechselkurs der Kryptos zu einer klassischen Währung wie dem Dollar.
Wallet:Eine digitale Wallet, also Geldbörse, wird benötig, wenn man Geld einer Kryptowährung erwerben möchte. Die Wallet ist ein kleines Computerprogramm, das es etwa für Windows, Android oder online gibt. Mit dem Programm empfängt man Kryptogeld und gibt es auch wieder aus. Vor allem Online-Wallets können auch gestohlen werden. Wallets auf dem PC oder Smartphone bergen die Gefahr, dass man das Passwort vergisst, mit dem der Zugriff auf den Inhalt geschützt ist.