Top-Mitarbeiter international erfolgreicher Anwaltskanzleien tragen Maßanzüge und fahren teure Autos. Sie sind jung, dynamisch und fordern Stundenhonorare, für die ein Fließbandarbeiter eine Woche lang schuften muss. Spätestens mit John Grishams Bestseller "Die Firma" ist dies die allgemeine Vorstellung von Elitejuristen.
Bodo Schönhage ist einer der drei Chefs von Clifford Chance Pünder (CCP), einer der größten Anwaltssozietät der Welt. Doch er entspricht so gar nicht dem Grisham-Klischee. In seinem Kaufhaus-Zweireiher wirkt er wie das personifizierte Understatement. Den Weg in sein Frankfurter Büro legt er vom Wohnort Gießen mit der Bundesbahn zurück statt mit dem Porsche. Seine Art: trocken und reserviert. Statussymbole? Fehlanzeige.
Aber Schönhage ist eben auch kein Anwalt, sondern Betriebswirt - ein erstklassiger dazu. Als kaufmännischer Geschäftsführer trägt der 41-Jährige nicht nur die Verantwortung für rund 1000 Angestellte und Partner - und damit für einen Honorarumsatz von schätzungsweise mehr als 150 Millionen Euro. Unter seinem Kommando steht auch die IT-Abteilung mit ihren 40 Mitarbeitern und einem Jahresetat von 12,5 Millionen Euro. "Think big" - dieses Motto gilt bei CCP in allen Bereichen. Die Wirtschaftskanzlei betreute zum Beispiel den Luft- und Raumfahrtkonzern EADS bei seinem Börsengang, beriet die japanische Telefongesellschaft NTT Docomo bei der deutschen UMTS-Auktion und den spanischen Konzern Telefonica beim 1,6 Milliarden Dollar schweren Erwerb des Bertelsmann-Service-Providers Mediaways.
Weltweite Projekte übers Internet steuern
Schönhage investiert ein Drittel seiner Arbeitszeit in IT-Aufgaben, etwa um die Systeme zur elektronischen Aktenführung, Zeiterfassung, Buchhaltung oder Gehaltsabrechnung zu betreuen. Genauso wichtig ist ihm die Verwaltung von Wissen. Dies geschieht über das Intranet mit der Bezeichnung "Clifford Chance Connect". Dabei handelt es sich um ein abgeschlossenes Netz mit Web-Technik, in dem sich CCP-Anwälte aus der ganzen Welt mit ihren Mandanten treffen. Juristenstäbe beider Seiten entwerfen und modifizieren hier hochkomplexe Vertragswerke. Früher lief das per Post, Fax oder E-Mail - mit der Folge, dass beim ständigen Hin und Her oft an verschiedenen Versionen gearbeitet wurde. "Über Connect kann nun jeder die Entwicklung eines Projekts verfolgen und sehen, wer wann etwas geändert hat", so Schönhage.
Weniger fortgeschritten sind die Arbeiten auf seiner IT-Großbaustelle. Die heißt Global Practice Management System und hat die Entwicklung eines einheitlichen EDV-Systems zum Ziel. Derzeit verwenden die meisten der 28 Büros weltweit unterschiedliche Software - eine Folge des schnellen Wachstums durch Aufkäufe und Fusionen. Diese Vielfalt führt zu unnötigen Reibungsverlusten. "Wenn wir beispielsweise mit unseren französischen Kollegen an einem Mandat arbeiten, schicken diese uns ihre Abrechnung, und wir können sie nur manuell in unser System eingeben", ärgert sich Schönhage. Dieses Prozedere soll sich durch einen globalen Software-Standard ändern. "Wir wollen die Erfahrungen internationaler Anbieter nutzen und deren Produkte auf unsere Erfordernisse abstimmen", sagt Schönhage. Im Gespräch seien Oracle und Keystone, ein Spezialist für Anwalts-Software.
Flexibilität statt Tradition
Doch die Herausforderung ist nicht nur technischer Art. Schließlich gilt es auch, weltweit mehr als 600 Partner vom neuen System zu überzeugen. Das gelinge nur, so Schönhage, wenn einerseits lokale Bedürfnisse und Gewohnheiten berücksichtigt werden, andererseits die Juristen bereit sind, den einen oder anderen EDV-Erbhof aufzugeben. "Glücklicherweise sind Anwälte in ihrem Umfeld häufig flexibler als es die Strukturen traditioneller Industrieunternehmen erlauben", sagt er.
Auch in anderen Punkten sieht der gelernte Industriemanager erhebliche Unterschiede. Der entscheidende: "Produktion und Vertrieb liegen bei uns in einer Hand." Damit entfalle die leidige Frage, welches der beiden Lager für das Ergebnis verantwortlich ist. Die Service-orientierung sei höher - der Anspruch an die Technik aber ebenso. Schönhage: "Da muss notfalls morgens um drei ein Mitarbeiter vom IT-Support auf der Matte stehen."
Die Anforderungen an den Diplom-Kaufmann sind hoch. Denselben Anspruch stellt er an seine Mitarbeiter. Konventionen interessieren ihn dabei weniger. So bestechen die Sekretärinnen erfolgreicher Kanzleien John Grisham zufolge durch ihr Aussehen: Sie sind jung, tragen enge Kostüme und hohe Schuhe. Schönhages Sekretärin ist jung, sieht gut aus - und trägt rote Turnschuhe zu einer grünen Hose sowie einen grünen Strickpullover mit rotem Kommunistenstern auf der Brust. Ihrem Boss ist das egal.