Outsourcing-Strategie

Alles Offshore? Denkste!

03.03.2008 von Rolf Röwekamp
Eine Studie der Universität Mainz belegt, dass der Anteil von Offshoring-Kosten nach wie vor nur einen kleinen Teil vom IT-Budget einnimmt. Anwender haben in den vergangenen Jahren kaum eine Lernkurve hingelegt.

Alle machen´s, alle sparen viel Geld. Die Marketing-Abteilungen von Dienstleistern und Beratern vermitteln den Eindruck, der Markt sei riesig und sehr viele Unternehmen würden IT außerhalb des Landes betreiben lassen. Denkste. In den vergangenen Jahren hat sich nicht viel beim Offshoring getan. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie "Sourcing-Strategien - Management von IT-Offshoring" von der Abteilung Wirtschaftswissenschaften an der Johann Gutenberg Universität Mainz.

Gemeinsam mit Berater Peter Ratzer von Deloitte & Touche führte der wissenschaftliche Mitarbeiter Cyrus Asgarian am Lehrstuhl Organisation und Strategie von Professor Rolf Bronner die Untersuchung durch. Für die Studie befragte die Uni rund 2.000 in Deutschland ansässige Unternehmen aus allen Branchen. Davon schickten 583 Firmen den Fragebogen ausgefüllt zurück.

Im Vergleich zu einer Umfrage der Uni aus dem Jahre 2004 erstaunt, dass sich bei den Einzelwerten wenig geändert hat. So hat sich der Anteil des Offshorings am IT-Etat nicht vergrößert: Er liegt immer noch deutlich unter zehn Prozent. Meist handelt es sich um kleine Projekte mit einem Volumen von unter einem Prozent des IT-Budgets. Und das, obwohl die Befragten in der Studie 2004 angaben, Offshoring für die nächste Zeit zu planen und umzusetzen.

Im Zentrum der neuen Analyse standen die Transaktionskosten, wobei die Studienleiter zwischen Ex-ante- und Ex-post-Kosten unterschieden. Zu den Ex-ante-Kosten gehören alle Leistungen, die im Zusammenhang mit der Ausgestaltung eines Vertrags anfallen. Dagegen zählen zu den Ex-post-Kosten alle Aufwendungen für die nachvertragliche Absicherung des Vertrags wie Abwicklungs-, Kontroll- und Anpassungskosten. Die Höhe der Kosten bestimmen dabei die folgenden vier wesentlichen Faktoren:

I. Spezifität

Die Studie ergab, dass die sogenannte Spezifität der Leistung die entscheidende Einflussgröße für den Offshoring-Erfolg darstellt. Sie umfasst die Komplexität, Schwierigkeit und Qualitätsanforderungen der jeweiligen Funktion. "Unternehmen sollten mit steigender Spezifität der IT-Funktion die Sourcing-Strategie nochmals kritisch prüfen", rät Asgarian.

II. Unsichere Leistungserstellung

Die Unsicherheit der Leistungserstellung hat Asgarian in ökonomischer sowie in technologischer Hinsicht unterschieden. Unter ökonomischer Unsicherheit verstehen die Autoren den methodischen, zeitlichen und materiellen Aufwand, um Leistungsqualität zu messen und zu kontrollieren. Vor allem bei nicht standardisierten Leistungen wie der Entwicklung von Individualsoftware erwies sich eine Bewertung aufgrund oft fehlender Vergleichs- und Messinstrumente als schwierig. Die Kosten der Einführung eines Kontrollsystems dafür wären hoch. Die technologische Unsicherheit umfasst die Dynamik und die Erfordernisse der Anpassung an technische Entwicklungen. Durch technologische Unsicherheit sinkt für Unternehmen der Anreiz, Investitionen in Technologien mit kurzen Lebenszyklen selbst zu tätigen. Mit Offshoring ließe sich das Risiko auf einen externen Partner abwälzen. Die dafür erforderlichen Vertragsverhandlungen gestalten sich zwar schwierig, allerdings überwiegt die gewonnene strategische Flexibilität die dafür anfallenden Kosten.

III. Kulturelle Distanz

Die kulturelle Distanz durch Sprache, Erziehung und Religion wirkt sich erwartungsgemäß negativ auf Kostenersparnis und Erfolg eines Projekts aus. Sie steigt mit zunehmender geografischer Entfernung: Je weiter entfernt das Offshore-Land liegt, umso stärker steigt das Risiko von Ineffizienzen bei der Leistungserstellung. Außerdem führen divergierende Denkweisen, Kommunikationsstile und Verhaltensmuster zu Missverständnissen und Konflikten. "Um diese Risiken zu minimieren, sollten CIOs ein interkulturelles Management betreiben. Trainings vermitteln das Wissen für die passende Kommunikation und die interkulturelle Kompetenz", empfiehlt Asgarian. Allerdings entstehen dadurch erhebliche Kosten.

Deswegen gewinnen Nearshore-Regionen zunehmend an Bedeutung. Indien ist zwar immer noch stark als Offshoring-Standort präsent, gilt aber inzwischen schon als teuer. Tschechien, Ungarn oder Polen stehen dagegen hoch im Kurs. Der Faktor kulturelle Distanz fällt bei näher liegenden Ländern also deutlich geringer ins Gewicht. Interessant: Irland liegt in der Gunst derzeit noch vor den osteuropäischen Ländern.

IV. Beziehungs-Management

So verwundert es auch nicht, dass das Beziehungs-Management signifikant Einfluss auf Offshoring einnimmt. Besonders bei ungünstigen Rahmenbedingungen wie großen kulturellen Unterschieden und bei hoher Spezifität gewinnt der Faktor an enormer Relevanz. "Daher eignet sich Offshoring für Unternehmen, die durch Auslandsprojekte bereits über Erfahrungen im internationalen Umfeld und ein strategisches Netzwerk im Ausland verfügen", sagt Asgarian.

Unternehmen ohne solche Erfahrungen sollten dagegen beachten, dass der Aufbau von Beziehungen zeitlich aufwendig ist und ernorme Kosten für die Kontaktpflege nach sich zieht. "Daher ist ein aktives Beziehungs-Management nur für langfristige Offshoring-Projekte tragbar", weiß Asgarain.

Die Befragung lieferte noch ein bedenkenswertes Ergebnis. Die meisten Teilnehmer gaben an, dass sich die Datenerfassung am besten für Offshoring eignet. Allerdings haben aber nur 16,7 Prozent Erfahrung mit der Datenerfassung. Andererseits halten die Befragten die Entwicklung von Individual-Software nur bedingt für Offshoring geeignet. Doch 61,1 Prozent und damit die absolut meisten Teilnehmer haben damit bisher schon Erfahrungen gemacht.