Nach einem Jahr im Amt zieht Chief Information Technology Officer (CITO) Michael Paravicini eine vorläufige Bilanz: Arbeitsplatzrechner samt Drucker, Software und Services hat er beim Finanzdienstleister Zurich Financial Services (Zürich) weltweit ausgelagert. Rund 470 Mitarbeiter der Desktop-Betreuung wechseln bis Mitte dieses Jahres zu IBM. "Das ist ein fast reines On-Demand-Konzept: Wir zahlen nur noch pro Arbeitsplatz einen fixen Betrag und sonst nichts mehr", sagt Paravicini, der im Januar 2003 als CIO der Commerzbank zu Zurich wechselte. Seine Aufgabe: die IT-Ressourcen zentralisieren und rationalisieren, um somit den Beitrag der IT dafür sicherzustellen, die Rentabilität des gesamten Konzerns um eine Milliarde Dollar zu verbessern.
Zunächst fand er eine heterogene und stark dezentralisierte IT-Landschaft mit vielen unterschiedlichen IT-Organisationen vor. Kernpunkte der im Mai 2003 vorgelegten globalen IT-Strategie waren deshalb auch, die Organisationseinheiten zusammenzuziehen sowie die IT-Infrastruktur zu konsolidieren: Mainframe, Storage und Server. Parallel dazu erneuerte Zurich komplett alle Kerntechnologien. "Dabei haben wir uns auch überlegt, wie wir zugleich eine umfassende On-Demand-Strategie entwickeln und sie dann auch im Gesamtkonzern einführen können", so Paravicini.
Die vier Demand-Kriterien
Um diejenigen Bereiche zu identifizieren, in denen sich On-Demand-Modelle lohnen, musste ein Bereich mindestens eins von vier Kriterien erfüllen:
- Das Geschäft verläuft sehr volatil.
- Der technische Wandel in diesem Bereich ist schnell und teuer.
- Es fallen rasch hohe Grenzkosten an, die man nicht tragen will.
- Aus standardisierten Prozessen und Technologien entsteht ein großer Nutzen.
"Wo ein sehr konformes, stabiles und gleichmäßiges IT-Umfeld besteht, bringt On Demand nichts", fasst Paravicini zusammen.
Nach der Analyse kristallisierten sich schließlich Speicher und PCArbeitsplätze als Kandidaten für das On-Demand-Konzept heraus. Als Erstes reduzierte Zurich weltweit alle Speicherlieferanten und vergab den Storage-Bereich an EMC. Der Grund für die Wahl, Storage On Demand zu fahren, lag darin, dass Zurich für neue, größere Anwendungen oft kurzfristig mehr Speicherressourcen benötigte. "Früher mussten wir das lange im Voraus planen, den Plattenplatz bestellen und installieren, was eine Vorlaufzeit von mehreren Woche bedeutete. Heute bekommen wir den Speicherplatz sofort und zahlen nur die zusätzlichen Einheiten", sagt Paravicini.
Storage gilt zurzeit als einer der besten Bereiche, in denen Anbieter Ressourcen auf Abruf liefern können. Ähnlich gut funktioniert es bei Netzwerken. Hier lagerte Paravicini den Betrieb der Netzwerkinfrastruktur für mehrere europäische Länder an Equant aus. Wie beim Storage lässt sich auch hier der Verbrauch abrechnen. "Es gibt mittlerweile sehr viele Tools, mit denen wir den Verbrauch messen und zuordnen können", so Paravicini. "Wir messen den Datenverkehr und zahlen nur noch für den effektiven Verbrauch, aber nicht mehr für Bereitstellung der Infrastruktur."
Flexibilität kostet Geld
Noch einfacher lassen sich die an IBM vergebenen "elektronischen Arbeitsplätze" berechnen: Die Zurich zahlt lediglich noch pro Arbeitsplatz. Außerdem muss der Dienstleister spätestens alle drei Jahre die gesamte Technologie erneuern. "Mit Investitionskosten und Vorlaufzeiten haben wir nichts mehr zu tun", erzählt Paravicini.
Die Vorteile der On-Demand-Strategie in den drei Bereichen fasst der CITO in aller Kürze so zusammen: "Wir können wesentlich schneller auf den Markt reagieren und die operativen Kosten sinken." Darüber hinaus standardisiere Zurich gleichzeitig Prozesse und Technologie. Paravicini räumt allerdings ein: "Die Kosten sinken nicht nur durch On Demand, denn für die Flexibilität müssen wir zahlen. Wir sparen, weil wir zugleich unsere IT konsolidiert und die Plattformen vereinheitlicht haben."
Sehr komplexe Durchführung
Was im Ergebnis so simpel klingt, hatte einen hohen internen Aufwand verursacht. Um die Sourcing-Strategie umzusetzen, ging Paravicini ganz gezielt vor. Zunächst gründete er eine zentrale Organisationseinheit, die direkt an ihn berichtet. Diese Einheit umfasst unter anderem einen Sourcing-Bereich, bei dessen Mitarbeitern der CITO großen Wert darauf legt, dass sie Sourcing-Erfahrung mitbringen sowie Kenntnisse sowohl von der Kunden- und als auch von der Lieferantenseite besitzen.
Aufgabe dieser Einheit ist es unter anderem, sich alle IT-Dienste und die zugeordneten Preise genau anzuschauen. "Sowohl eine derartige Organisation aufzubauen als auch die Kostentransparenz herzustellen und das Ganze zu steuern ist sehr komplex", resümiert Paravicini. "Aber nur wenn ich die Risiken kenne und prüfe, kann ich eine Strategie entwickeln und die Risiken minimieren."
Entscheidend für den Erfolg des On-Demand-Modells ist für Paravcini zudem die Kommunikation auf allen Ebenen. "Wir führen laufend Gespräche mit den Dienstleistern über das weitere Vorgehen, Anforderungen und Strategie." Auch der Vorstand und die Mitarbeiter informierte er regelmäßig über die Fortschritte. Besonders jenen Mitarbeitern, die mit dem Outsourcing zum IT-Dienstleister wechseln, musste Paravicini die anfängliche Unsicherheit vor einem Arbeitsplatzverlust nehmen. So legte er großen Wert darauf, dass alle Mitarbeiter vom jeweiligen IT-Dienstleister übernommen wurden. "Es war auch für die Mitarbeiter nachvollziehbar, dass sie als Informatiker längerfristig mehr Möglichkeiten bei einer großen Informatikfirma haben als bei einem Versicherungsunternehmen."
Allerdings bedeutet On Demand nicht zwingend, IT-Bereiche an externe Dienstleister auszulagern. "On-Demand-Modelle kann man grundsätzlich auch selbst machen", so Paravicini. Im Unterschied dazu spanne sich beim klassischen Outsourcing der Rahmen meist weiter, weil neben Technologie auch Dienstleistungen nach draußen gegeben werden. "Aus Datenschutzgründen haben wir aber beispielsweise im Storage-Bereich keine Services, sondern nur die Technologie extern On Demand vergeben."
Ganze On-Demand-Prozesse fehlen noch
Für die Zukunft wünscht er sich allerdings, mehr als nur Technologie flexibel auf Abruf zu beziehen. "Für uns wäre es wichtig, wenn Dienstleister nicht nur einzelne Technologien anbieten, sondern einen Prozess End-to-End bereitstellen würden." Ansätze dafür gibt es bei Desktops, wo der Dienstleister nicht nur den Rechnerbetrieb übernimmt, sondern auch die gesamte Wertschöpfungskette von der Wartung über den Support bis hin zur Softwaredistribution.
Auch in der Anwendungsentwicklung hofft Paravicini auf deutliche Fortschritte. Weil sich Geschäftsmodelle bei Finanzdienstleistern rasch ändern, könnte man hier mit einer flexibleren Anwendungsentwicklung deutlich schneller auf den Wandel reagieren. Bei weltweit operierenden Firmen verhindern Fixkosten, eine neue Business-Line innerhalb kurzer Zeit aufzubauen. Für neue Anwendungen braucht es in der Regel nicht nur größere IT-Ressourcen; neue Kosten entstehen auch für notwendige Mitarbeiterschulungen.
Für den CITO gibt es also sehr gute Gründe, dass Anbieter in diesem Bereich nachlegen. Sein Ziel: Für eine Grundlast zahlt Zurich eine festen Betrag, dagegen bestünde ein reines On-Demand-Modell für strategische Entwicklungen, losgelöst von Fixkosten und jederzeit abrufbar, um neue Projekte anzufassen: "Die richtigen Skills zum richtigen Zeitpunkt."