Sechs von zehn Unternehmen mit mehr als 100 PC-Arbeitsplätzen setzen einer Experton-Studie zufolge ihre Office-Programme mindestens fünf Jahre ein, bevor sie auf eine neue Version wechseln. Damit überspringen solche Firmen gleich zwei Produktgenerationen. Zum Vergleich: Dienstwagen befinden sich deutlicher kürzer im geschäftlichen Gebrauch - zwischen 36 und 48 Monaten - und werden danach in den Privatmarkt verkauft.
Den Umstieg auf die jeweils neueste Technologie im Office-Bereich scheuen die Unternehmen wohl vor allem wegen des finanziellen und personellen Aufwands. Das gilt umso mehr, als dass umgekehrt der zu erwartende Nutzen nur wenigen Entscheidern bekannt zu sein scheint, wie die Experton-Umfrage ergeben hat.
Mitunter liegt die mangelnde Innovationsfreude aber auch einfach an der Unkenntnis über laufende Software-Verträge: Viele Verantwortliche gehen "im Rahmen der Planung von falschen Größen aus", heißt es in einem Experton-Whitepaper zum Office der Zukunft: Es sei oft nicht bekannt, dass sie bereits durch ausgelaufene oder laufende Verträge Nutzungsrechte für aktuelle Software-Generationen erworben haben".
In dem zögerlichen bis ablehnenden Verhalten treffen sich die Manager mit ihren Angestellten: In den Abteilungen sind die Arbeitsabläufe mit alten Office-Versionen "etabliert", und die Mitarbeiter haben "Vorbehalte und Ängste gegenüber Veränderungen".
So verständlich das auf den ersten Blick erscheinen mag; das Urteil der Experton-Experten fällt eindeutig aus: "In Unternehmen, die Office-Systeme länger als 3,5 bis 5 Jahre einsetzen, (kommt es) fast zwangsläufig zu veralteten Arbeitsabläufen, die bei noch längerer Nutzung in ‚verkrusteten’ Organisationsstrukturen münden können." Die Folge davon seien qualitativ schlechte Arbeitsprozesse, lange Durchlaufzyklen und geringe Flexibilität.
Zudem verpassten Unternehmen durch den Verzicht auf zeitgemäße Office-Versionen Entwicklungen "wie die organische Verankerung wissensbasierter Arbeitsmodelle oder den Einzug moderner Instrumente und Methoden für Kollaboration, Reporting oder Analysen". Unterm Strich sei das lange Verharren auf veralteten Versionen "fahrlässig", urteilt Experton.
Die Frage nach dem messbaren (finanziellen) Nutzen vom Umstieg auf aktuelle Office-Versionen ist dagegen nicht ganz so einfach zu beantworten wie die nach dem Schaden. Die Antwort variiert je nach Unternehmen, betrifft aber vorwiegend qualitative Faktoren wie eine bessere Arbeitsqualität oder die organisatorische Weiterentwicklung einer Firma. Schwer zu messen, aber ebenfalls im Angebot sind eine verbesserte Wettbewerbsfähigkeit, eine höhere Wirtschaftlichkeit durch Produktivitätsgewinne sowie zufriedenere Mitarbeiter.
Office heute: Kollaboration und Kommunikation
Früher einmal konnte man mit einer Schreibmaschine schreiben und mit einer Rechenmaschine rechnen. Über die Jahre übernahmen spezielle Anwendungen wie Textverarbeitung und Tabellenkalkulation die Aufgaben der Maschinen und fügten dem bloßen Schreiben und Kalkulieren zahlreiche Gestaltungs- und Rechenfunktionen hinzu.
Bei modernen Office-Lösungen handelt es sich Experton zufolge aber nicht mehr nur um "‚plumpe’ Textverarbeitung oder Tabellenkalkulation". Zeitgemäße Systeme seit 2009 böten vielmehr auch Kommunikations- und Kollaborationselemente an "und ermöglichen ein integriertes und nahtloses Arbeiten". Der Einsatz von Office-Systemen, so Experton-Autor Axel Oppermann in seiner Studie, habe sich von einer unterstützenden Komponente längst "zum zentralen Dreh- und Angelpunkt der täglichen Arbeit entwickelt".
Auch auf dem Arbeitsplatz der Zukunft werden Office-Anwendungen eine Rolle spielen. Schon heute bieten aktuelle Versionen unter anderem die Möglichkeit, Daten unterschiedlicher Herkunft zu integrieren, Mitarbeiter und Dokumente miteinander zu vernetzen sowie Daten und Kommunikationsmöglichkeiten ortsunabhängig zu nutzen. Für diese Optionen ist Cloud Computing eine wichtige Voraussetzung, schreibt Oppermann: Es "besitzt das Potenzial, die derzeitigen IT-Landschaften und ihre Nutzung in weiten Teilen abermals zu verändern, zumindest aber deutlich zu beeinflussen."
Office morgen: Mobilität, Heterogenität und soziale Netze
Die wachsende Mobilität und die damit verbundene Ortsunabhängigkeit der Mitarbeiter würden als nachhaltige Trends die Büroarbeit von morgen deutlich prägen, schätzt Experton. Zu den wichtigen Entwicklungen zählt demnach auch die soziale Vernetzung mit Kollegen, Kunden und Lieferanten über digitale Medien sowie eine "Diversifikation in der Client-Struktur" in Form unterschiedlicher Endgeräte.
Diese Vielfalt wird sich in einer wachsenden Heterogenität in der Anwenderstruktur bemerkbar machen, aus der Experton zufolge "mindestens vier Anwendertypen" erwachsen werden: der mobile Mitarbeiter ("Smart Worker"), der standortgebundene "Standard"-Mitarbeiter, solche mit besonderen Anforderungen sowie Heimarbeiter.
Flexible Arbeitszeitmodelle möglich
Die Vielfalt bringt auch für die Unternehmen Vorteile: Durch flexible Gestaltung der Arbeitsverhältnisse und Prozesse sei eine ebenso variable Steuerung und Auslastung der Mitarbeiter möglich. Zudem sei die Flexibilität ein attraktives Angebot an Angestellte, die auf eine ausgewogene Work-Life-Balance und auf selbstbestimmtes Arbeiten setzten. Schließlich winke auch eine weitere Reduktion der IT-Kosten: Nicht alle Mitarbeiter bekommen denselben (teuren) IT-Arbeitsplatz, sondern jeder eine bedarfsgerechte und im Einzelfall preiswertere IT-Ausstattung.
Die wachsende Flexibilität und Ortsunabhängigkeit wird zunehmen, schätzen nicht nur Arbeitswissenschaftler und Soziologen. Das bedeute zwar nicht unbedingt das Ende des Schreibtischs, bringe aber andere Anforderungen an die Infrastruktur mit, schreibt Oppermann. Wer mit Smartphone und Tablet-PC arbeite, habe andere Vorstellungen an seinen Arbeitsplatz als derjenige, der am Desktop-PC Daten eingibt oder Programme erstellt.
Für die IT-Infrastruktur stellten diese Veränderungen keine unlösbaren Aufgaben. "Im Gegenteil: Der Markt bietet zahlreiche Optionen zur bedarfsgerechten Ausstattung der Mitarbeiter mit IT." Gehemmt werde die Umgestaltung eher durch den menschlichen Faktor: Unternehmensleitungen und HR-Verantwortliche könnten den Wert und die Auswirkungen technischer Umgestaltungen oft nicht einschätzen, meint Experton-Analyst Oppermann. Dabei sei es eine der ureigensten Aufgaben des Managements, "Arbeit im Allgemeinen und Wissensarbeit im Besonderen produktiv(er) zu gestalten".
Projektbezogene Modelle statt starrer Organisation
Die aus Sicht von Experton elementaren Herausforderungen bei der Gestaltung der Office-Arbeitsplätze von morgen sind eine "Ablösung starrer oder linearer Organisationssysteme durch dynamische und projektbezogene Modelle" und "die Organisation von unterschiedlichen und parallelen Arbeitsstilen". Personalverantwortliche müssen sich auf die Analyse der künftig benötigten und nicht mehr notwendigen Fähigkeiten stürzen, um daraus neue Jobprofile und Personalentwicklungspläne zu entwickeln.
Den wichtigsten Job dabei aber haben wie so oft die Unternehmensleitungen. Sie stehen vor der Aufgabe, "die Komplexität des technischen Wandels mit den vorhandenen finanziellen und personelle Ressourcen zu managen, die neuen Werte, Normen und Erfahrungen in das Unternehmen zu transformieren und die Verantwortung zu delegieren". Wäre schön, wenn ihnen dabei jemand helfen würde.