Auf der Viaduktstrasse in Basel tost der Verkehr. 17.30 Uhr - Feierabend. Nicht einmal einen Kilometer vom Schweizer Bahnhof Basel SBB entfernt befindet sich die Konzernzentrale von Panalpina. Das Speditionsunternehmen ist nach der "Sektorstudie Logistik Europa 2001" der Züricher Bank Leu weltweit die Nummer zwei im Luftfracht- und die Nummer drei im Seefrachtgeschäft. Im vierten Stock des futuristischen Neubaus herrscht wohltuende Ruhe. Herren in dunklen Anzügen kreuzen lange, breite Flure mit feinem blauen Veloursteppich. Rechts neben dem mächtigen Empfangstresen läuft auf einem Flachbildschirm in einer Endlosschleife der Werbefilm von Panalpina: Schiffe, Flugzeuge, Lagerarbeiter - in ruhiger, aber stetiger Bewegung.
Monika Ribar passt hierher. Entscheidungen, die sie als Mitglied des Vorstands und CIO treffen muss, hat sie sich vorher genauestens überlegt - ohne jede Hektik. "Finanzleute sind es gewohnt, strukturiert zu denken und Projekte aufzusetzen", so die 42-jährige Sankt Gallenerin, die in ihrer Geburtsstadt auch studiert hat - Betriebswirtschaft, Schwerpunkt Finanz- und Rechnungswesen. Ihr Credo: "Am Ende des Tages muss es sich rechnen."
Bei ihrem Einstieg bei Panalpina vor elf Jahren kam ihr besonders ihr Faible für Zahlen zugute. Zudem brachte sie nach zwei Jahren bei BASF in Wien bereits Erfahrung im Controlling von IT-Projekten mit. Dort hatte sie das konzernweit erste EDV-unterstützte Planungssystem für Finanzen und Managementdaten integriert, ehe sie als Unternehmensberaterin bei der Fides-Gruppe auch die generalistische Sicht auf Firmen kennen lernte. Auch die Panalpina-Firmenleitung wollte Anfang der 90er-Jahre eine neue Software für den Finanzbereich einführen. Allerdings war nicht klar, auf welches ERP-Programm für Finanzen und Controlling die Wahl fallen würde. "Wir gehen nicht los und schauen uns ein bisschen Software an", sagt Ribar, die damals schon als Mitarbeiterin in der Controlling-Abteilung ganz genau hinsah. "Wir überlegen zuerst, was wir wollen." Auf Gegenliebe bei den IT-Verantwortlichen ist die Rechnerin mit der dunklen Hornbrille bei der Ausarbeitung des Anforderungskatalogs nicht immer gestoßen: "Das mögen User nicht. Die gehen lieber Software anschauen." Doch sie setzte sich durch. Ihren Pragmatismus hat die quirlige Top-Managerin von ihren Eltern geerbt. Ihre Mutter ist Schneiderin, der Vater Schreinermeister - beides keine Jobs für Fantasten.
CIO statt teurer Berater
Der latente Konflikt zwischen IT- und Business-Personal, zu dem sie als Controllerin gehörte, stört sie schon seit ihrem ersten ERP-Software-Großprojekt. Die Wahl der Spedition fiel schließlich auf SAP R/3, inzwischen weltweiter Standard an allen 66 Standorten. Zwei Jahre nach Beginn des SAP-Projekts übernahm Ribar die Gesamtverantwortung für das Controlling bei der Panalpina, vor zwei Jahren dann den neu geschaffenen Vorstandsposten eines CIOs als Bindeglied zwischen den Parteien.
"Eine Strukturveränderung hatte sich aufgedrängt", erläutert Ribar die Entscheidung von CEO Bruno Siedler. "Früher hat sich die Business-Seite zunächst nicht mit IT-Fragen auseinander gesetzt. Irgendwann sind die Konzepte dann doch in der Konzernleitung gelandet. Dort konnte sie aber keiner beurteilen." Auf die Option teurer Berater hat Panalpina weitgehend verzichtet. Stattdessen trifft die Ex-Firmenberaterin die IT-Entscheidungen.
Dass sie als Frau im Vorstand bei Panalpina vertreten ist, dort die Männerdomäne IT souverän repräsentiert und seit 2001 sogar im Verwaltungsrat der Privatbank Julius Bär sitzt, kehrt Ribar ungern hervor. Die fachlichen Qualifikationen hätten den Ausschlag für die Aufgaben gegeben. "Es gab immer Leute im Top-Management von Panalpina, die von Frauen in solchen Positionen nicht so viel halten. Aber: Es waren dieselben Leute, die sich am Ende des Tages an Sachargumenten orientierten."
Nach Angaben der Leu-Studie vom Herbst vergangenen Jahres steigern sich die Bereiche Luft- und Seefracht, die Kerngeschäfte von Panalpina, bis zum Jahr 2005 um jährlich acht beziehungsweise sieben Prozent. Besonders wichtig ist den Analysten der Bereich Supply Chain Management, dem ein Wachstum von zehn Prozent prophezeit wird. Dem Netzwerkmanagement und der Verschlankung der Prozesse gehören demnach die Zukunft.
Portal als Kommunikationsdrehscheibe
Eine weitere Verbesserung in Sachen Kundennähe sieht Ribar im E-Portal von Panalpina, dem E-Net auf Basis der IBM-Software Websphere. Große Kunden wie der Software-Riese IBM, der Automobilkonzern General Motors oder der Öl- und Gaslieferant Schlumberger bekommen hier individualisierte Seiten zur Verfügung gestellt. So findet etwa ein Seefrachtspediteur auf der Eingangsseite Seefracht-Infos des Nachrichtendienstes Reuters, spezielle Speditionsanwendungen oder einen Virendienst. "Das ist ein Nice-to-have", kommentiert Ribar, "wichtiger ist, dass das Portal als Kommunikationsdrehscheibe dient." Der Luftfrachtmarktplatz Global Freight Exchange (GF-X) zum Beispiel ist seit Herbst 2001 integriert. "Und ich bete, dass er bleibt", so Ribar über die inzwischen einzige Online-Luftfrachbörse. Bucht ein Spediteur bei einer Airline, bekommt er die Bestätigung darüber per Mail. Die Daten übernimmt das System dann automatisch; sie stehen so für alle Speditionsanwendungen zur Verfügung. Heute ist E-Net in Deutschland und der Schweiz implementiert, der weltweite Rollout soll bald folgen. Selbst Öl-Order aus dem russischen Yuzhno-Sakhalinsk oder dem westafrikanischen Nigeria lassen sich via Satellitentechnik einfach und schnell abwickeln.
Bei aller Begeisterung für die ausgetüftelte Logistik ist es letztlich wieder ein Kontrollinstrument, das Ribar besonders fasziniert. Panalpina will Anfang kommenden Jahres die Balanced Scorecard einführen, um mithilfe dieses Messinstruments die Effizienz der Prozessabläufe zu optimieren. "Damit verfügen wir über ein Frühwarnsystem für den internen Einsatz - ein Wirkungsgeflecht aus Informationen über Finanzen, Kunden, Service und auch die Mitarbeiterausbildung - ein herrliches Führungsinstrument."
Ribar sieht sich nicht als Technikexpertin, sondern als Analytikerin und Vermittlerin. Ihre wichtigste Mission ist zweifelsohne die Moderation zwischen IT-Fachleuten und Managern. So wie sie das SAP-R/3-Projekt, den Rollout des seit 1997 entwickelten SAP-Data-Warehouse oder die Integration des E-Net betreut hat, sieht sie auch ihre eigene Rolle als eine Art Projekt. "Organisationsformen sind nicht dazu da, um in Stein gemeißelt zu werden." Sollten sich eines Tages also Business- und IT-Leute so gut verstehen, dass sie keinen CIO mehr brauchen, könne Panalpina auch wieder eine andere Struktur einführen oder - am Ende des Tages - gar auf einen CIO verzichten.