Amazons AWS-Chef Andy Jassy gab sich auf der jüngsten Kundenveranstaltung AWS re:invent kämpferisch: "Die Cloud ist die größte technologische Revolution in der IT-Geschichte und Amazon ist bestens positioniert, seine Führungsrolle auf diesem Gebiet weiter auszubauen", rief er den 13.500 Teilnehmern gleich zu Beginn der Veranstaltung zu.
Seiner Ansicht nach findet der Transformationsprozess von On-Premise zur Cloud in allen Branchen und bei allen Unternehmensgrößen statt. Viele Firmen hätten inzwischen ihre gesamte IT auf einer AWS-Plattform eingerichtet. Dazu gehören vor allem die jungen Unternehmen Pinterest, AirBnB, Spotify und Dropbox, aber auch etablierte Unternehmen, wie Kempinski, Netflix, die Commonwealth Bank of Australia und Time Inc. Weitere Großunternehmen verfolgen bereits eine entsprechende Transformationsstrategie. Dazu gehören unter anderen die Medienkonzerne News Corp. und Condé Nast sowie der Mineralölkonzern Hess. "Auch Großunternehmen müssen heute schnell auf anfallende Marktveränderungen reagieren und dazu gehört vor allem eine flexible und agile IT-Unterstützung von allen Geschäftsprozessen", so Jassy weiter.
"Die Cloud ist der neue Normalfall, das eigene Rechenzentrum ist ein Relikt das ausgedient hat", lautet Jassys Markteinschätzung. Hierbei verweist er darauf, dass Amazon heute weltweit über eine Million Kunden hat, darunter befinden sich 900 Behörden und 3.400 Hochschuleinrichtungen. Gegenüber dem Vorjahr gab es ein Wachstum von 40 Prozent. "Wir sind das am schnellsten wachsende IT-Großunternehmen", lobte Jassy sich und seinen Arbeitgeber.
Ungebremste Investitionen
Daran soll sich auch in Zukunft wenig ändern. Auf die Frage, ob die Verluste von Amazon und die Ungeduld der Aktionäre die ehrgeizigen Expansionspläne bremsen könnten, gab er einen optimistischen Ausblick: "Wir werden so viel investieren, wie nötig ist, um den Markt optimal zu bedienen, um unseren Service zu erweitern und um unsere Vormachtstellung weiter auszubauen", lautete seine Botschaft. Auch die Konkurrenz von Google und Microsoft fürchtet er nicht: "Wir haben das umfangreichste Portfolio, die längsten Erfahrungen im Cloud-B2B-Sektor und mit unseren tausenden an Partnern verfügen wir über eine bedeutende Support- und Entwicklerbasis." In diesem Punkt stimmen ihm auch die Gartner-Analysten zu, die in ihrem Magic-Quadrant der IaaS-Anbieter die AWS-Plattform mit weitem Abstand als führend positionieren.
500 neue Services in diesem Jahr
Diese führende Position erarbeitete sich Amazon vor allem mit dem kontinuierlichen Ausbau der Plattform. So wurden im Jahr 2012 159 neue Services hinzugefügt, im vorigen Jahr waren es 280 und Mitte November lag diese Zahl für das laufende Jahr bereits bei 442, bis zum Jahresende soll dann die 500-Marke überschritten sein.
On-Premise- und In-House-Anwendungen sind für Jassy die "Alte Welt", in der es Wochen oder Monate dauerte, bis neue Lösungen entwickelt und genutzt werden konnten. Wogegen es in der "Neuen Welt" - also der Cloud - nur noch Stunden oder wenige Tage dauert. Hinzu kommt, dass man in der Alten Welt vorab viel Geld für eine inflexible Infrastruktur aufwenden muss, wogegen bei der Cloud nur das bezahlt wird, was genutzt wird. "Wir haben einen Bio-Tech-Kunden, der für eine Analyse ein paar Tausend Server für elf Stunden parallel genutzt hat. Das kostete nur 4.000 Dollar", weiß Jeff Barr zu berichten, der sich selbst als Amazon-Technology-Evangelist bezeichnet.
Kunden sparten 350 Mio. Dollar
Amazon sieht sich auch als Kostenwächter seiner Kunden. So würde man ständig analysieren, ob die Kunden nicht zu viel bezahlen, weil sie nicht genutzte Ressourcen angemietet haben. In so einem Fall schickt Amazon eine Nachricht an den Kunden und erläutert, was reduziert werden kann. Bislang wurden 2,6 Millionen solcher E-Mails verschickt, die auf Kundenseite zu Einsparungen in Höhe von 350 Millionen Dollar geführt hätten. "Wir sind der einzige große IT-Anbieter, der so etwas macht", meint Jassy mit Blick auf viele Konkurrenten, die häufig mit verwirrenden Lizenz-Modellen ihre Kunden übervorteilen.
Auch die Sicherheitsbedenken gegenüber Cloud-Anwendungen würden inzwischen der Vergangenheit angehören. In diesem Zusammenhang verweist Jassy auf den US-Geheimdienst CIA, der inzwischen ebenfalls in der AWS-Cloud angesiedelt ist. "Viele unserer Kunden sagen‚ was für den CIA sicher genug ist, ist auch für uns sicher genug‘", berichtete er über seine Kundengespräche.
Neuheiten: MySQL-Datenbank, Entwicklungs-Tools und eine Javascript-Runtime-Umgebung
Amazons AWS re:invent fand in diesem Jahr zum dritten Mal statt und auch diesmal gab es eine Reihe von Neuheiten. Die wichtigste war die Ankündigung der neuen MySQL-Datenbank Aurora. Gegenüber bestehenden MySQL-Datenbanken soll "Aurora" fünf Mal schneller sein. Beispielsweise werden pro Minute sechs Millionen Inserts und 30 Millionen Selects erreicht. Aurora fügt bei Bedarf automatisch Storage in Schritten von 10 GB hinzu; die maximale Größe beträgt 64 TB. Die neue Datenbank wird im Rahmen von Amazons Relational Database Service (RDS) angeboten.
Besonders interessant sind auch die Neuheiten zur besseren Unterstützung der Software-Entwicklung. Hierzu gab es drei Ankündigungen: "CodeDeploy", "CodeCommit" und "CodePipeline". CodeDeploy ist ein kostenloses Werkzeug für das Deployment von fertigen Anwendungen oder Änderungen auf der Amazon-Plattform EC2. Es enthält eine Überwachung über die Funktionsfähigkeit des neuen Codes. Treten Probleme auf, wird das Deployment automatisch gestoppt. CodeCommit dient der Source-Code-Verwaltung und bietet Features für eine kollaborative Software-Entwicklung sowie zur Unterstützung von Code-Sharing-Projekten. CodePipeline ist praktisch ein Management-Tool, mit dem die Entwickler den Gesamtprozess von Build, Test und Release definieren und kontrollieren können. "Wir haben mit diesen Tools in den letzten zwölf Monaten rund 50 Millionen Deployments vorgenommen, das sind rund 95 pro Minute", sagte Jassy über den hausinternen Nutzungsgrad und die Skalierbarkeit der neuen Werkzeuge.
Eine weitere wesentliche Neuankündigung machte Amazons CTO Werner Vogels. In seiner Keynote präsentierte er "Lambda", eine Runtime-Plattform für Javascript-Anwendungen, für die keinerlei Hardware reserviert werden muss und die keinerlei Maintenance erfordert. Die Zuweisung der erforderlichen Hardware-Ressourcen erfolgt dynamisch und wird von diversen Events ausgelöst. Der Preis für die Rechenleistung unter Lambda richtet sich nach der Anzahl der Requests und der genutzten Rechenzeit, wobei es eine kostenlose Nutzung bis zu einer monatlichen Obergrenze von einer Millionen Requests und 3,2 Millionen Sekunden Rechenzeit gibt.
ECS: Amazons EC2-Container-Service
Letztlich musste Amazon auch etwas für die Erstellung und Nutzung von Containern sagen. Während es schon lange möglich war, Docker-Container in der Linux-Umgebung auf AWS EC2 zu betreiben, gibt es jetzt einen speziellen EC2-Container-Service, kurz ECS genannt. Dieser basiert auf einer intensiven Partnerschaft mit Docker und diese Zusammenarbeit soll ausgebaut und vertieft werden.