Der weltgrößte Online-Händler Amazon hat im Weihnachtsquartal 2021 glänzend verdient. Die angekündigte Kostenlawine aufgrund des enormen Bedarfs an Personal und der hohen Investitionen in die Lieferlogistik bewältigte der US-Konzern besser als befürchtet - nicht zuletzt dank seines hochprofitablen Cloud-Geschäfts. Allerdings hat sich der Wachstumsausblick nach dem E-Commerce-Boom während der Pandemie deutlich eingetrübt. Anleger sind trotzdem zufrieden - auch weil Amazon im US-Heimatmarkt erstmals seit Jahren die Preise erhöht. Die Aktie stieg nachbörslich zeitweise um rund 18 Prozent und eröffnete am Freitag, den 4. Februar 2022, mit einem Plus von über zehn Prozent.
Bei der Vorstellung der Zahlen am 3. Februar 2022 zeigte sich, dass der US-Konzern die Gewinnerwartungen im Schlussquartal bei Weitem übertraf: Der Überschuss betrug 14,3 Milliarden Dollar und fiel damit fast doppelt so hoch aus wie vor einem Jahr. Grund für den starken Anstieg war jedoch vor allem Amazons Beteiligung am Elektroautobauer Rivian, durch die der Konzern bei dessen Börsengang im November einen hohen Sondererlös in der Bilanz verbuchen konnte. Das Betriebsergebnis - das die Geschäftsentwicklung besser widerspiegelt - ging um fast die Hälfte auf 3,5 Milliarden Dollar zurück, wie Amazon am Donnerstag nach US-Börsenschluss mitteilte.
Auch das Umsatzwachstum fiel für Amazons Verhältnisse recht mager aus. Die Erlöse kletterten um neun Prozent auf 137,4 Milliarden Dollar. Für das laufende Vierteljahr rechnet das Unternehmen mit einem Umsatz zwischen 112 Milliarden und 117 Milliarden Dollar, was einem Anstieg zwischen drei und acht Prozent gegenüber dem Vorjahreswert entsprechen würde. Analysten hatten mit einer höheren Prognose gerechnet. Dafür floriert Amazons Cloud-Geschäft mit Speicherplatz und Anwendungen im Internet weiter. Das Flaggschiff AWS steigerte die Erlöse im Quartal um 40 Prozent auf 17,8 Milliarden Dollar und schaffte einen überraschend hohen Gewinn von 5,3 Milliarden Dollar.
"Wie erwartet, hatten wir höhere Kosten, angetrieben durch Engpässe am Arbeitsmarkt und Inflationsdruck", erklärte Amazon-Vorstandschef Andy Jassy im Geschäftsbericht. Diese Probleme dürften aufgrund der grassierenden Omikron-Virusvariante auch im laufenden Vierteljahr anhalten. "Trotz dieser kurzfristigen Herausforderungen bleiben wir optimistisch", so der Manager weiter. Amazon hatte Anleger vor drei Monaten bereits vor milliardenschweren Zusatzausgaben aufgrund von höheren Löhnen, weltweiten Problemen in der Lieferkette und gestiegenen Frachtkosten gewarnt und auf maue Zahlen eingestellt.
Bei den Aktionären kam nun die Ankündigung des Konzerns gut an, in den USA erstmals seit 2018 die Preise für seinen "Prime"-Dienst zu erhöhen. Der Service, der unter anderem Zugang zu kostenlosem Versand und Streaming-Diensten bietet, wird deutlich teurer: US-Neukunden sollen ab 18. Februar 14,99 Dollar statt 12,99 pro Monat und 139 Dollar statt 119 pro Jahr zahlen. Für bestehende Kunden greifen die neuen Tarife im März 2022. Außerhalb der USA sind laut Amazon zunächst keine höheren Preise geplant. Allerdings gäbe es hier durchaus Spielraum. In Deutschland ist das "Prime"-Abo mit 69 Euro pro Jahr oder 7,99 Euro pro Monat bislang deutlich günstiger als in den USA.
Im gesamten abgelaufenen Geschäftsjahr steigerte Amazon den Umsatz um knapp 22 Prozent auf 469,8 Milliarden Dollar. Das Betriebsergebnis nahm um knapp neun Prozent auf 24,9 Milliarden Dollar zu. Amazon hatte aufgrund seiner Investitions- und Einstellungsoffensive deutlich höhere Ausgaben als im Vorjahr. Allein im vierten Quartal heuerte der inzwischen zweitgrößte US-Arbeitgeber hinter Walmart rund 140 000 Mitarbeiter an. Insgesamt hat Amazon weltweit nach eigenen Angaben mittlerweile mehr als 1,6 Millionen Beschäftigte. In den USA gibt es allerdings schon wieder Zoff mit Arbeitnehmervertretern.
Ab dem 4. Februar 2022 muss der Online-Riese ein weiteres Votum über eine Gewerkschaftsvertretung über sich ergehen lassen. Bis zum 25. März können die Beschäftigten eines Logistiklagers in Bessemer in Alabama erneut abstimmen, ob sie sich der Gewerkschaft RWDSU anschließen. Sollten die Mitarbeiter sich dafür aussprechen, würde erstmals eine US-Gewerkschaft Einzug bei Amazon erhalten. Eigentlich war die Initiative vor einem Jahr bereits gescheitert. Doch die US-Arbeitsschutzbehörde NLRB befand, dass Amazon die Wahl unzulässig beeinflusst habe und lässt deshalb erneut abstimmen. (dpa/rw)