Geht es um IaaS-Dienste auf Enterprise-Niveau, ist Amazon Web Services (AWS) nach Einschätzung von Analysten noch immer das Maß der Dinge. Microsoft allerdings macht mit dem wachsenden Azure-Portfolio Boden gut, und auch bei Google mit seiner Cloud Platform sehen die Auguren Fortschritte. Das Marktvolumen vergrößert sich stetig. Gartner beispielsweise taxiert die Umsätze im weltweiten IaaS-Markt für 2016 auf 25,3 Milliarden Dollar, 2018 sollen es schon 45 Milliarden sein.
Kein Wunder also, dass die "Hyperscaler" im Cloud-Geschäft ihre Angebotspalette immer weiter ausbauen. Die Entscheidung für einen Cloud-Provider wird damit nicht leichter. Vor diesem Hintergrund hat Gartner die drei führenden Plattformen auf den Prüfstand gestellt und anhand von 234 Kriterien bewertet. Die Analysten unterscheiden dabei in erforderliche, bevorzugte und optionale Features. In einer ähnlich angelegten Untersuchung vor drei Jahren erfüllte AWS 92 Prozent der von Gartner als erforderlich definierten Kriterien für IaaS-Dienste. Microsoft lag mit 75 Prozent noch deutlich zurück. Im aktuellen Vergleich aus dem vergangenen Jahr kommt Amazon zwar erneut auf 92 Prozent, doch Microsoft ist dem Marktführer mit 88 Prozent dicht auf den Fersen. Auch Google kommt mit seiner Cloud Platform voran und erreicht immerhin 70 Prozent.
Lesen Sie auf den folgenden Seiten, welche Vor- und Nachteile die Plattformen mitbringen und für welche Zwecke sie sich jeweils besonders eignen.
Amazon Web Services - für viele die "sichere Wahl"
Bereits 2006 brachte AWS seinen Cloud-Speicherdienst Simple Storage Service (S3) auf den Markt und gilt seither als Wegbereiter des Public-Cloud-Markts. Der frühe Start verschaffte dem Cloud-Ableger des E-Commerce-Riesen einen großen Vorsprung vor den Konkurrenten. Nach Einschätzung von Gartner besitzt AWS immer noch das ausgereifteste Cloud-Angebot. Die Breite und Tiefe des Service-Portfolios sorgten dafür, dass AWS in vielen Fällen als die natürliche Wahl für die meisten Einsatzszenarien gesehen wird.
Zum Zeitpunkt des Cloud-Vergleichs unterhielt AWS weltweit 42 Availability Zones (AZs) in 16 Regionen. Jede AZ besteht aus mindestens einem oder mehreren dedizierten Rechenzentren. Im vergangenen Jahr hielt der Provider nach Gartner-Schätzungen mehr Rechenkapazität in seiner Cloud vor als alle anderen Konkurrenten zusammen. Die Compute-Dienste reichen von Amazon EC2 für virtuelle Maschinen und dem EC2 Container Service über LightSail für virtuelle private Server bis hin zur Serverless Computing-Plattform Lambda. Damit lassen sich Programme ausführen, ohne dabei die Provisionierung von Infrastruktur-Ressourcen zu berücksichtigen. Softwareentwickler müssen sich nicht mehr mit den zur Ausführung benötigten Servern beschäftigen sondern können einfach ihren Code in die Cloud laden.
Im Bereich Storage offeriert AWS neben S3 unter anderem Elastic Block Storage (EBS) und die Low-Cost-Archivierungslösung Glacier. Breit ist die Auswahl mittlerweile auch in puncto Datenbank-Services. Neben der relationalen Datenbank Aurora können Kunden beispielsweise Amazon RDS wählen, wenn Sie MySQL nutzen wollen. Darüber hinaus unterstützt AWS die objektrelationale Datenbank PostgreSQL, Oracles Datenbank, Microsofts SQL Server sowie die NoSQL-Datenbank DynamoDB.
Hinzu kommt eine Reihe an Diensten aus den Bereichen Networking, Mobile Application Services, Messaging und Business Productivity-Tools. Amazon offeriert auch eine IoT-Plattform, daneben Dienste für Spieleentwickler sowie Desktop- und Application-Streaming-Services. Darüber hinaus betreibt AWS den größten Marktplatz für Drittanbieter-Services im Cloud-Sektor. Unbestätigten Gerüchten zufolge planen die Amazon-Strategen sogar eine Cloud-basierte Office-Suite, die Microsofts Office 365 und Googles G Suite Konkurrenz machen würde.
Das breite Portfolio kann AWS-Kunden überfordern
Die gravierendste Schwäche von AWS ist womöglich die schiere Größe der Plattform. Unternehmenskunden brauchen viel Zeit und häufig externe Beratung, um die Dienste effizient zu nutzen. Dadurch entstehen zusätzliche Kosten. Anwendungen einfach unverändert in die Cloud zu schieben, ist für die wenigsten ein gangbarer Weg. Vielmehr müssen etliche Programme erst für den Cloud-Betrieb angepasst und zum Teil sogar neu entwickelt werden.
Die feingranulare Abrechnung nach dem Pay-as-you-go-Modell bringt Vorteile, wenn es um kurzfristige IT-Anforderungen geht. Sie kann nach Einschätzung der Gartner-Experten aber auch schnell teuer werden, wenn Kunden sich nicht intensiv damit auseinandersetzen. Die breite Palette an Preisoptionen und Rabatten auf bestimmte Cloud-Services macht die Auswahl der richtigen Produkte und Mengen zu einem komplexen Unterfangen.
Das rasante Tempo, in dem AWS neue Services und Technologien entwickelt, wird vielfach gelobt. Nicht wenige Kunden aber haben durchaus ihre Probleme, immer auf dem neuesten Stand zu bleiben. Kompliziert wird es bisweilen auch, wenn Unternehmen Service-Level-Agreements (SLA) in Anspruch nehmen wollen. Beispielsweise müssten Workloads jeweils über mindestens zwei Availability Zones hinweg abgesichert werden, um sich für ein SLA zu qualifizieren, monieren die Analysten. Trotz solcher Herausforderungen sei AWS aber in vielen Fällen schlicht eine "sichere Wahl", wenn es um die Entscheidung für einen Cloud-Provider gehe.
Microsoft Azure - gut genug für den Enterprise-Einsatz
Microsoft Azure war als Cloud-basierte Anwendungs-Entwicklungsplattform (Platform as a Service, PaaS) an den Start gegangen. Bis heute ist das Angebot stark gewachsen und umfasst neben PaaS- auch IaaS- und SaaS-Produkte. Microsofts größter Vorteil im Cloud-Rennen dürften die vielfältigen Geschäftsverbindungen zu Unternehmen sein. Wenn Kunden etwa auf Office 365 migrieren, kann Microsoft ihnen im Rahmen eines Enterprise Agreement auch Compute- und Storage-Dienste zu vergünstigten Konditionen anbieten.
Geht es um Features und Funktionen, liegen Microsoft und AWS in Sachen Public Cloud heute in etwa gleichauf, urteilen die Gartner-Analysten. Die Compute-Dienste reichen von Windows- und Linux-basierten virtuellen Maschinen über den Azure Container Service bis hin zur Serverless-Computing-Plattform Functions. Hinzu kommen ein Batch-Processing-Service und die Plattform Service Fabric, die Microservices-basierte Applikationen miteinander verknüpft.
Auch in puncto Datenbanken bietet Azure eine breite Auswahl, darunter neben relationalen Datenbankdiensten auch die NoSQL-Datenbank DocumentDB und diverse Data-Management-Services wie etwa Data Factory, mit dem sich strukturierte und unstrukturierte Daten verarbeiten lassen. Auch Microsoft offeriert eine IoT-Platform in der Cloud, darüber hinaus Security- und Access-Management-Plattformen, Entwickler-Tools und diverse Monitoring- und Verwaltungsdienste.
Unterm Strich sehen die meisten Analysten das AWS-Portfolio im Vergleich zu Azure als etwas runder und einfacher zu nutzen an. Im Gartner Magic Quadrant für IaaS aus dem Jahr 2016 monieren die Analysten, die Azure-APIs und -Dokumentationen seien im Vergleich zu AWS zum Teil komplizierter zu nutzen.
Klare Empfehlung: Azure für Microsoft-Workloads
Zu empfehlen ist Azure immer dann, wenn vor allem Microsoft-basierte Workloads in der Cloud laufen sollen oder etwa eine Cloud-Komponente einer bestehenden lokalen Microsoft-Anwendung benötigt wird. Kunden können in solchen Fällen über ein Enterprise Agreement kostenfreie Azure-Kapazitäten erhalten, wenn sie die Plattform nutzen.
Anders als AWS setzt Microsoft mit Azure nicht auf das Konzept der Availability Zones. Trotz der wachsenden Zahl international verteilter Data Center ist es laut Gartner für manche Kunden im Vergleich zu AWS etwas komplexer, Workloads über mehrere Regionen hinweg abzusichern. Auch die Suche nach qualifizierten Experten und Beratern könne sich im Azure-Umfeld schwieriger gestalten. Im Magic Quadrant kommt Gartner dennoch zu einer positiven Einschätzung: Für die meisten Enterprise Workloads sei Azure mittlerweile "gut genug".
Google Cloud Platform glänzt mit Data Services
Ähnlich wie Microsoft stieg auch Google mit PaaS-Diensten in den Cloud-Markt ein und weitete sein Portfolio dann durch IaaS aus. Heute besitzt die Google Cloud Platform nach dem Urteil von Analysten die meisten der Kernfunktionen, die für Enterprise Workloads erforderlich sind. In bestimmten Bereichen habe der Provider sogar die Nase vorn. Dazu gehörten Application Container, Big Data Management und Machine Learning. Weniger gut schneidet Google in Sachen regionale Präsenz ab, ist aber dabei, seine Data-Center-Kapazitäten international auszubauen.
Zu den wichtigsten Features der Google Cloud Platform gehören neben den üblichen virtuellen Maschinen eine Container-Engine und -Registry sowie ein Serverless-PaaS-Dienst unter dem Namen Cloud Functions. Darüber hinaus offeriert Google den objektbasierten Cloud-Storage-Service Cloud SQL sowie die beiden NoSQL-Datenbanken Cloud Big Table und Cloud Data Store. Ein relativ neues Produkt im Portfolio ist der hochskalierbare relationale Datenbank-Service Cloud Spanner.
Für Batch- und Streaming-Prozesse stellt die Google-Plattform den Dienst Cloud Dataflow zur Verfügung; Data Lakes lassen sich mit Big Query bearbeiten. Zum Portfolio gehört ferner Dataproc, eine verwalteter Spark- und Hadoop-Service, der große Datenmengen besonders einfach und kostengünstig verarbeiten können soll.
Eine Perle im Google-Angebot sehen Analysten in der quelloffenen und plattformunabhängigen Machine-Learning-Plattform Tensorflow. Daneben zählt das ebenfalls von Google entwickelte System Kubernetes zu den führenden Plattformen für die Verwaltung und Orchestrierung von Containern. Google übergab Kubernetes der Open-Source-Community, Kunden können es damit uneingeschränkt einsetzen oder auch in Form eines Hosted Service in der Google Container Engine nutzen.
Ähnlich wie Microsoft ergänzt auch Google sein IaaS- und PaaS-Portfolio durch SaaS-Angebote. Im Mittelpunkt steht die G Suite, eine Sammlung von Productivity-Tools, die auch klassische Office-Komponenten wie Textverarbeitung oder Tabellenkalkulation umfasst. Google offeriert dafür keine Rabatte in Form von Enterprise Agreements. Stattdessen hat der Konzern ein Schema entwickelt, bei dem Kunden mit steigendem Nutzungsgrad der Cloud Platform tendenziell immer weniger pro Softwareeinheit bezahlen.
In puncto Enterprise-Funktionen hat die Google-Cloud noch Defizite
Trotz der wachsenden Funktionsbreite ist die Google-Cloud nach Einschätzung etlicher Experten noch immer "work in progress". Im aktuellen Gartner-Vergleich erreicht Google in der Kategorie der erforderlichen Enterprise-Features lediglich 70 Prozent und damit deutlich weniger als AWS und Azure. Defizite sehen die Auguren beispielsweise im Bereich rollenbasierte Zugangskontrollen und User Management Tools. Googles IAM-Plattform (Identity & Access Management) befand sich zum Zeitpunkt des Vergleichs noch im Betastadium.
Auch wenn es um den Zugang zu Unternehmenskunden geht, hat Google Nachholbedarf. Das ist seit jeher Microsofts große Stärke. AWS brauchte fast eine Dekade, um vergleichbare Kundenbeziehungen aufzubauen und als vertrauenswürdiger Partner zu gelten.
Multi-Cloud-Szenarien sind gängige Praxis
Trotz aller Analysen und Vergleiche kommt es in der Praxis eher selten zu einer Entscheidung für einen einzigen Cloud-Provider. Die meisten seiner Kunden verfolgten eine Multi-Cloud-Strategie, berichtet Elias Khasner, Research Director bei Gartner. Je nach Einsatzgebiet nutzten sie Cloud-Services von mindestens zwei, wenn nicht von allen drei führenden IaaS-Anbietern. Eine Kundenbefragung des Cloud-Management-Anbieters Rightscale kommt zu einem ähnlichen Ergebnis. Demnach setzen 85 Prozent der Unternehmen auf eine Multi-Cloud-Strategie. Sie nutzten sowohl Public- als auch Private-Cloud-Dienste oder bedienten sich bei mehreren Public-Cloud-Providern.
Neben den drei dominierenden Anbietern gibt es weitere Player, die sich mit großem Aufwand um ein attraktives Cloud-Portfolio bemühen. Dazu gehört beispielsweise IBM mit seinem breiten Angebot an IaaS-Diensten für Public- und Private-Cloud-Szenarien. Mit Bluemix hat der IT-Konzern zudem ein starkes PaaS-Angebot und einige SaaS-Produkte im Rennen. Auch Oracle ist dabei, seine SaaS- und PaaS-Dienste um ein robustes IaaS-Angebot zu ergänzen. Vor allem im deutschen Markt spielt zudem die Telekom mit vielfältigen Cloud-Ausprägungen eine Rolle. Last, but not least, unternimmt der chinesische E-Commerce-Riese Alibaba weitere Schritte, um seine Cloud-Präsenz auf amerikanische und europäische Regionen auszudehnen.
Unterm Strich, so rät Gartner-Experte Khasner, sollten Unternehmen anhand ihrer Anwendungsfälle jeweils eigene Bewertungskriterien entwickeln und sich für den Cloud-Provider entscheiden, der am besten zu den Anforderungen passt. Dass ein einziger Anbieter alle Anforderungen erfüllt, sei unwahrscheinlich.
Mit Material von IDG News Service