Teil jedes Post-Merger-Integration-Projekts ist die Neuausrichtung der IT im neuen Unternehmen. Ein wichtiger Erfolgsfaktor ist der richtige Sourcing-Mix. In welchem Umfang IT-Dienste wie Infrastructure Management und Application Management, intern oder extern erbracht werden, entscheidet mit, ob die formulierten Synergie-Effekte der Fusion auch erreicht werden.
Doch gerade bei der Entscheidung für die richtige Mischung aus Fremd- und Eigenleistung gibt es Defizite. Nur jedes zweite Unternehmen in Deutschland ist mit der Arbeit in diesem Bereich während des Projektes zufrieden. Dies ist das Ergebnis der "Potenzialanalyse Post Merger Integration" von Steria Mummert Consulting und dem IMWF Institut für Management- und Wirtschaftsforschung.
Dabei ist die Relevanz der richtigen Sourcing-Strategie durchaus bekannt: Für 70 Prozent der Unternehmen ist der Aufbau einer neuen IT-Struktur ein zentraler Faktor für das Gelingen von Fusions- und Demerger-Projekten. Es ist allerdings die Komplexität, die häufig unterschätzt wird.
Bei großen Fusionen zwischen international tätigen Unternehmen sind die Anforderungen an ein systematisches Vorgehen besonders groß. CEO und CIO müssen eine Fülle von Sourcing-Fragen klären: in der Infrastruktur, bei den IT-Services, aber auch bei Querschnittsthemen wie Archivierung oder Dokumentenmanagement.
Für die Umsetzung von PMI-Projekten gibt es dabei keine Patentlösung. Es kommt auf den Sourcing-Mix an, also in welchem Umfang externe Hilfe in Anspruch genommen wird und welches Betriebsmodell am besten passt. Durch die Vielfalt der sich daraus ergebenen Sourcing-Modelle kann die Entscheidung nie vom CIO allein gefällt werden, sondern ist ein Fall für die Unternehmensleitung.
Auswahl der passenden IT-Sourcing-Strategie
Für die Auswahl der passenden IT-Sourcing-Strategie haben sich in der Praxis strukturierte IT-Service- und IT-Sourcing-Analysen bewährt. Sie sparen vor allem Zeit und helfen dabei Fehlentscheidungen bei der Neubewertung des IT-Portfolios zu vermeiden. Anhand von qualitativen und quantitativen Assessments lassen sich einzelne IT-Services in ein 4-Quadranten-Schema einordnen und entsprechende Handlungsoptionen ableiten:
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Über die Dimension Strategiegrad lässt sich abbilden, ob ein IT-Service noch das Kerngeschäft optimal unterstützt. Zum Beispiel werden Kernbanksysteme bei Kreditinstituten in der Regel einen großen Strategiegrad ausweisen. Denn über sie erbringen die Institute ihre individuellen Dienstleistungen, mit denen sie sich gegenüber Wettbewerbern abgrenzen.
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Der Effizienzgrad gibt als zweite Dimension darüber Aufschluss, wie stark ein IT-Service standardisiert ist, beispielsweise der Betrieb der Kommunikationssysteme wie File, Print und Mail. Die Unternehmen bekommen so einen guten Überblick darüber, wie durch Synergieeffekte Wettbewerbsvorteile genutzt werden können und ob der derzeitige Mix aus Eigen- und Fremdfertigung strategisch und wirtschaftlich mit den Geschäftszielen vereinbar ist.
Beim Entwerfen der richtigen Mischung aus Eigen- und Fremdleistung wird es nie ein Entweder-oder (Make or Buy) geben. In der Regel weist eine optimale Sourcing-Strategie beide Elemente auf. Dennoch bildet sich ein grober Trend, welche IT-Services eher ausgelagert und welche lieber inhouse erbracht werden.
IT-Services, die für das Unternehmen strategisch kaum relevant sind - sogenannte Commodities - und die einen mittleren bis geringem Effizienzgrad besitzen, sind meist Kandidaten für eine Vergabe an externe IT-Service-Provider. Dagegen sollten IT-Services, die über einen mittleren bis hohen Effizienzgrad verfügen und strategisch als relevant einzustufen sind, weiterhin durch die interne IT erbracht werden, um Wettbewerbsvorteile zusichern.
In der Praxis zeigt sich häufig, dass unternehmenskritisches Know-how in der internen IT-Organisation verankert bleibt. Dazu zählen beispielsweise das Management der Kundendaten und die Steuerung der primären Geschäftsprozesse. Die Entwicklung, Einführung und der Betrieb von Standardsystemen, beispielsweise ERP-Systeme sowie IT-Services wie Desktop-Management und Service Desk, werden mehr und mehr nach draußen vergeben, meist aus Gründen der Wirtschaftlichkeit.
Wann sich Outsourcing lohnt
Die Outsourcing-Fähigkeit von IT-Services lässt sich gut an der "Attraktivität" ablesen. Ob sich IT-Services, beispielsweise die Server-Betreuung oder das Datenmanagement für eine Auslagerung eignen, hängt von den Chancen ab, die sich für diesen konkreten Fall durch ein Outsourcing ergeben. Wenn es beispielsweise möglich ist, die Service-Qualität durch einen externen Dienstleister zu verbessern, weil dieser sich auf die IT-Services des Unternehmens spezialisiert hat, ist das Outsourcing durchaus interessant.
Weitere Kriterien, die die Attraktivität von Outsourcing kennzeichnen, sind beispielsweise der Innovationsgrad der IT-Leistung, die Verfügbarkeit der Services sowie deren Skalierbarkeit.
Ob sich ein Outsourcing tatsächlich lohnt, ergibt die anschließende Gegenüberstellung mit den Risiken einer IT-Auslagerung. Die Verantwortlichen müssen abwägen, inwieweit sich das Unternehmen von IT-Dienstleistern abhängig macht, wenn es beispielsweise Rechenzentrumsleistungen komplett auslagert.
Dazu kommen Risiken, die sich aus der Trennung von IT und Prozessen ergeben, die womöglich zu Störungen im IT-Betrieb führen. Und die Verantwortlichen müssen in Betracht ziehen, dass sich die Optimierungspotenziale eher verringern, weil bestimmte IT-Dienstleistungen nicht mehr in Eigenregie gemanagt werden und die Kontrolle über die Prozesse nicht mehr im Haus liegt.
Das Auslagern von IT-Services lohnt sich darüber hinaus nur, wenn die IT-Organisation auch fachlich reif für ein Outsourcing ist. Der Reifegrad ist dabei abhängig davon, ob IT-Prozesse ausreichend standardisiert sind. Zudem ist es ganz wichtig, dass ein IT-Service zentral von einer Stelle aus erbracht wird.
Fehlt die nötige Zentralisierung, wächst der Aufwand für den Provider und das Synergiepotenzial reduziert sich. Dasselbe gilt, wenn IT-Prozesse zu stark miteinander verzahnt sind. Denn eine große Komplexität bedeutet immer eine lange Lernkurve beim IT-Dienstleister, was das Outsourcing zumindest am Anfang verteuert.
Neben der Abwägung von Chancen und Risiken sowie der Prüfung der Outsourcing-Reife bietet es sich an, die Leistungsbereiche und IT-Anwendungen noch genauer auf ihre Auslagerungsfähigkeit hin zu untersuchen. Für die Bewertung gibt es neben den Kosten eine Reihe von weiteren Kriterien. Dazu gehört beispielsweise die Steuerbarkeit einer IT-Leistung. Sie ist nur gegeben, wenn ein möglichst eng definierter Servicekatalog ausgelagert wird.
Prüfen, ob Outsourcing zur Unternehmensstrategie passt
Darüber hinaus zeigt die Prüfung der Konformität mit der Strategie an, ob das Outsourcing einer IT-Dienstleistung mit der generellen Ausrichtung des Unternehmens vereinbar ist. Eine geringe Strategiekonformität könnte bestehen, wenn ein Unternehmen beschließt, eine Reihe von Commodity-Leistungen auch nach einer Fusion inhouse zu erbringen.
Zu den weiteren Bewertungskriterien zählen, ob die Qualität bei einer Auslagerung zumindest gehalten werden kann, ob eine Zusammenarbeit mit einem oder mehreren IT-Service-Providern mit der IT-Organisation vereinbar ist sowie ob ein Auslagern möglicherweise zu starke personelle Auswirkungen mit sich bringt.
Fazit: Fundierte Sourcing-Analyse zahlt sich aus
Die reibungslose Zusammenführung der IT-Strategien, -Organisationen und -Systeme gehört zu den komplexesten Aufgaben einer PMI. Unternehmen, die ihren künftigen Sourcing-Mix auf Basis einer fundierten IT-Service- und Sourcing-Analyse aufstellen, erhöhen die Chance, ihre Integrationsziele wie geplant umzusetzen.
Beispielsweise lassen sich mit einem optimalen Sourcing-Mix Steuerungs- und Überwachungsaufwände bei standardisierten IT-Services deutlich reduzieren und gleichzeitig Flexibilität und Skalierbarkeit beim Erbringen von IT-Services steigern. Die Unternehmen können sich so nach einem PMI-Projekt auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren und ihre Innovationskraft stärken.
Farsin Tami ist Senior Manager IT-Governance Solutions bei Steria Mummert Consulting.