Das wirklich überraschende neue "Killer-Feature" fehlt zwar: Apple wird mit dem neuen iPhone 5 dennoch die Erfolgsgeschichte seines Smartphones - auch beim Einsatz in Unternehmen - fortschreiben, sind sich Analysten einig. In die zum Teil begeisterten Urteile mischen sich allerdings mahnende Zwischentöne.
In wahren Begeisterungsstürmen ergeht sich Ted Schadler von Forrester. Apple werde mit dem neuen iPhone "der Bruce Springsteen der Smartphones". Das iPhone 5 sei wie das sechste Album eines stadienfüllenden Rockstars. "Es ist klar, dass Apple plant, weiterhin Hits zu landen", schreibt der Analyst. Das Ökosystem von Apple werde sich zu Dimensionen eines Sonnensystems ausweiten.
Forrester: Unternehmen profitieren vom iPhone 5
Was veranlasst Schadler zu solch euphorischen Hymnen? Zum einen überzeugt ihn die bisherige Geschichte des iPhone und dessen Siegeszug nicht nur bei Privatnutzern, sondern auch in Firmen. Als 2007 die erste Generation auf den Markt kam, hätten CIOs das Gerät als Arbeitsgerät noch ignoriert - bevor es sich nach und nach doch durchgesetzt habe. Mit einer großen Kundenbasis unter den Angestellten von Unternehmen werde kurz nach dem Verkaufsstart der neuen Generation Ende September eine Welle von iPhones der Generation 5 in die Firmen schwappen: "Ihr iPhone 4 oder 4S werden viele jetzt an Angehörige oder Freunde abgeben", erwartet der Analyst.
Diese Welle sollten IT-Chefs aus Sicht von Schadler keinesfalls als Bedrohung auffassen. Abgesehen von Verbesserungen wie der längeren Akku-Laufzeit oder dem größeren Bildschirm bringe auch iOS 6, das Betriebssystem des iPhone 5, Unternehmen Vorteile: durch mehr Sicherheit und bessere Netzwerkverbindungen. Sogar die Facebook-Einbindung sieht Schadler als Plus für die Arbeitswelt an: Angestellte könnten so mit geringerem Aufwand Posts in dem sozialen Netzwerk verpassen - eine Ansicht, der mancher CIO sicher vehement widersprechen wird.
Dass Grundlage für den Erfolg des neuen iPhones in Unternehmen die Beliebtheit bei den Nutzern ist, betont auch Roberta Cozza von Gartner. "Wer heute in Firmen erfolgreich sein will mit einem Produkt, muss die Herzen der Anwender gewinnen - das ist ja das, was RIM verpasst hat", sagt sie gegenüber CIO.de.
Gartner: iPhone 5 ohne Killer-Feature
Bei BYOD-Ansätzen in Unternehmen sei das iPhone schon bisher die Nummer eins - auch weil IT-Verantwortliche ihm zum Beispiel gegenüber Android-Geräten aus Sicherheitsgründen den Vorzug gäben. Ein "Killer-Feature" kann Cozza beim iPhone 5 zwar nicht ausmachen, aber "was sollte das auch sein? Auf dem Smartphone-Markt sehen wir grundsätzlich inkrementelle Verbesserungen und können nicht ständig eine Revolution erwarten".
Anreize genug, es sich zuzulegen, biete das iPhone 5 jedenfalls. Roberta Cozza verwendet ähnlich begeisterte Worte wie Ted Schadler: "Exzellent" finde sie das neue Gerät, "beeindruckend". Zum einen hebt sie die gute Verarbeitung hervor: "Obwohl es dünner und leichter ist als der Vorgänger, fühlt es sich edel an." Das iPhone 5 liege gut in der Hand und fordere keine Kompromisse bei der Bedienbarkeit.
Das edle Design und die gute Ergonomie gefallen auch Sarah Rotman Epps von Forrester. Die neuen Maße des Bildschirms überzeugen die Analystin: "Die Lösung, den Bildschirm höher aber nicht breiter zu machen, hat zur Folge, dass es weniger anstrengend für den Daumen ist, das ganze Display zu erreichen", schreibt sie. Die Anzeigefläche des Nokia Lumia 900 mit Windows Phone sei dagegen zu groß geraten.
Microsoft fehlt die Unterstützung anderer Hersteller
Entscheidend für den Erfolg des neuen iPhone sei allerdings neben dem eigentlichen Gerät das Ökosystem, sagt Cozza. In diesem Punkt deckt sich ihre Einschätzung mit der von Forrester-Analysten. Ted Schadler sieht es als ausgemacht an, dass weiterhin eine steigende Anzahl von Anbietern Accessoires und ergänzende Geräte rund um das iPhone auf den Markt bringen. Das habe Apple etwa Microsoft voraus. "Windows Phone 8 ist zwar ein sehr gutes Produkt, aber die Unterstützung durch andere Hersteller fehlt", schreibt der Analyst.
Sein Kollege Thomas Husson stimmt zu. Nicht nur das, was das iPhone 5 selbst könne, sei Grundlage für Erfolg auf dem Markt. Mit den neuen Fotografie-Optionen oder der Unterstützung für LTE etwa hole Apple schließlich nur nach, was die Konkurrenz zum Teil schon biete. Aber beim Ökosystem mache dem Unternehmen niemand so schnell etwas vor. Die "integrierte Nutzererfahrung", die Apple biete, sei ohne Gleichen. Beispielhaft nennt Husson die Facebook-Integration des iPhone 5 und ergänzende Dienste wie iCloud.
Ovum: 100 Millionen iPhones 5 binnen eines Jahres
Ein mögliches Szenario für all das Drumherum, das mit dem Begriff Ökosystem gemeint ist, malt Sarah Rotman Epps von Forrester aus: Das iPhone könne zum Mittelpunkt einer Landschaft von Geräten werden, die über Sensoren kommunizieren. Ansatzpunkt dafür sei die Ausstattung des iPhone 5 mit Bluetooth 4.0. Diese Schnittstelle ermögliche sicheren Datenaustausch, und das über größere Entfernung als NFC (auf die Apple bei seinem neuen Smartphone bekanntlich verzichtet). An dem Beispiel zeigt es, dass es zum Teil eben doch bestimmte Features sind, die Grundlage sind für das Ökosystem.
Partout nicht in die Begeisterungsstürme der Kollegen von Forrester und Gartner einstimmen mögen die Marktbeobachter aus dem britischen Analystenhaus Ovum. Sicher: Auch aus ihrer Sicht wird das neue Modell das bis dato erfolgreichste Smartphone von Apple auf dem Markt werden, schreibt Analyst Adam Leach. Innerhalb des nächsten Jahres werde Apple mit Sicherheit mehr als 100 Millionen iPhones 5 verkaufen, schätzt sein Kollege Jan Dawson.
iPhone 4S jetzt zum Niedrigpreise
In großer Zahl würden Benutzer des iPhone 4 auf das neue Modell umsteigen. Und erst recht erwartet Dawson das für die "noch etwas fanatischeren Nutzer eines iPhone 4S". Zusätzlichen Druck auf Wettbewerber werde Apple erzeugen, indem es Geräte der älteren Generationen in den nächsten Wochen zu Niedrigpreisen verkaufe.
Positiv hebt Dawson an dem neuen Modell LTE, die längere Batterie-Lebensdauer und die Kamera hervor. Und doch: Die Analysten von Ovum bringen zum Ausdruck, dass es derzeit eben vor allem Begeisterung von Apple-Fans sei, die den Verkauf des iPhone 5 ankurbeln dürfte.
Das Nutzererlebnis werde mit dem iPhone 5 verbessert - und das sei auch die einzige Grundlage für den Erfolg des Apple-Smartphones in Unternehmen. "Die schlechte Nachricht ist, für das Business bietet das iPhone 5 nichts zusätzlich Neues", sagt Adam Leach zu CIO.de.
"Nichts, was IT-Manager gezielt anspricht"
"Von Vorteil ist, dass Apps jetzt zum Beispiel ohne Eingriff des Nutzers, zum Beispiel Passworteingabe, automatisch upgedatet werden können, das könnte auch für Business-Apps nützlich sein, ist aber nur eine Kleinigkeit", sagt Leach. Ansonsten biete das neue Gerät nichts, was IT-Manager gezielt anspreche.
Gewiss hat Apple das iPhone nie ausdrücklich vorwiegend als mobiles Arbeitsgerät angepriesen. Doch auch von den fehlenden Neuerungen für CIOs abgesehen, sehen die Ovum-Analysten in der Zukunft des iPhone einige Fragezeichen. "Ohne ein Neu-Design des Nutzererlebnis von iOS und der dazugehörigen Software-Plattform in den nächsten zwei Jahren wird Apple sich in einer ähnlichen Position wiederfinden wie Nokia und RIM, die plötzlich festgestellt haben, dass ihre Smartphone-Plattformen nicht mehr auf der Höhe der Zeit waren", schreibt Jan Dawson.
Kollege Leach ergänzt: Für IT-Firmen genüge es nicht mehr, neue Versionen oder Updates für bestehende Angebote herauszubringen, wenn sie weiterhin das digitale Leben ihrer Nutzer beherrschen wollten.
Grundsätzliche Risiken für Apple
Dawson macht sogar schon am jetzt vorgestellten Modell grundsätzliche Risiken fest, denen Apple sich aussetze. Mit seiner Strategie, immer nur eine Ausführung des iPhone auf den Markt zu bringen, zwinge sich Apple selbst den Kompromiss auf, damit möglichst alle potenziellen Anwender irgendwie zufrieden zu stellen. Fest macht Dawson seine Kritik am neuen Bildschirm. Mit der Entscheidung, ihn zu vergrößern, komme der Hersteller dem Trend bei vielen Windows-Phone- und Android-Geräten nach.
Das Display allerdings nur zu verlängern und nicht zu verbreitern, sei keine gute Entscheidung gewesen. Damit steche das iPhone aus der Schar der anderen Smartphones heraus - was aus seiner Sicht schlecht ist. "Sicher ist es wichtig, das Gerät klein genug für die meisten Hände zu belassen, aber gleichzeitig werden viele Käufer etwas Größeres erwartet haben und jetzt enttäuscht sein", so Dawson.
Android vergrößert den Abstand
Die Marktführerschaft von Android jedenfalls werde weiter wachsen, prophezeit Ovum. Apple bediene mit dem iPhone nur einen Teilbereich des Marktes. Android-Geräte bedienten eine größere Spanne verschiedener Nutzerbedürfnisse und Preissegmente.