Ist Microsoft Surface das Tablet, auf das Business-Anwender gewartet haben? Zumindest zwei äußere Merkmale lassen es auf den ersten Blick außer für den Konsum von Medieninhalten als geeignet für klassische Büroarbeit erscheinen.
Das mobile Gerät, das die Redmonder am Montag nach einer Apple-ähnlichen, geheimnisvollen Vorankündigung in Los Angeles vorgestellt haben, hat zum einen auf der Rückseite einen ausklappbaren Ständer. Und die abnehmbare Schutzhülle, mit der sich die Anzeigefläche vor Kratzern bewahren lässt, enthält ein vollwertiges Keyboard. Längere Texte dürften sich also mit dem Microsoft Surface ähnlich gut schreiben lassen wie auf einem klassischen Notebook.
Ballmer: "Ein PC. Ein Tablet. Und etwas ganz Neues"
Dass Microsoft es mit seinem Tablet sowohl auf die Zielgruppe der Privatnutzer als auch auf Profi-Anwender abgesehen hat, wird deutlich an den beiden Versionen, in denen das Surface auf den Markt kommen soll. Der eine Typ wird auf dem Betriebssystem Windows 8 Pro laufen. Diese Variante des angekündigten neuen Betriebssystems wird laut Hersteller über die Basisversion hinaus zusätzliche Funktionen für Geschäftsanwender enthalten, etwa für Verschlüsselung, Virtualisierung und PC-Management.
Die zweite Surface-Variante läuft auf Windows RT (RT steht für Runtime), einer neuen Windows-Version für mobile Geräte auf Basis von im Tablet-Markt dominierenden ARM-Prozessoren. Mit der Aussage "Der Surface ist ein PC. Der Surface ist ein Tablet. Und der Surface ist etwas ganz Neues" unterstrich Microsoft-Chef Steve Ballmer bei der Präsentation das Ansinnen, sowohl einen mobilen Arbeitsrechner als auch ein Gerät für typische Tablet-Nutzer auf den Markt zu bringen.
Allzu viele Leistungsdaten gab Microsoft bei der Vorstellung des Surface noch nicht bekannt. Das Tablet wird ein Display mit 10,6 Zoll großer Diagonale haben - das ist gut ein Zoll mehr als beim neuen iPad. Das Seitenlängenverhältnis macht aus dem Display eine Breitbild-Anzeige. Die berührungsempfindliche Umhüllung ist drei Millimeter dick. An Schnittstellen bringt Surface einen USB-Anschluss und einen Einschub für MicroSD-Speicherkarten mit.
Microsoft Surface schwerer als Apple iPad
Die in der Klapp-Schutzhülle integrierte Tastatur wird es in zwei Versionen geben. Die Variante Type Cover hat klassische Klick-Tasten, das Modell Touch Cover hat eine berührungsempfindliche Oberfläche und ist dadurch etwas dünner. Zusammen mit Office könnte das Tablet ein klassisches Arbeitsgerät werden. Analyst Francisco Jeronimo von IDC erwartet, dass Office auf dem Surface bestens laufen wird, was er als die "Killer-Applikation" des Geräts sieht. Allerdings hätten ihm bei der Präsentation unter anderem Aussagen darüber gefehlt, wie sich das Tablet mit dem PC sinnvoll verbinden lasse.
Nach den bisherigen Angaben wird die Windows-RT-Version etwas dünner, aber geringfügig schwerer sein als das neueste iPad von Apple. Die Windows-8-Pro-Version wird dicker und noch etwas schwerer sein und ist offensichtlich darauf zugeschnitten, mit Ultrabooks zu konkurrieren. Was die Körpermaße angeht, wies Microsoft allerdings daraufhin, dass sie sich noch in Einzelheiten ändern könnten, bis das Surface auf den Markt kommt.
Zentral Updates aufspielen
Das Microsoft-Tablet mit Windows 8 Pro soll 64 oder 128 Gigabyte Speicher haben, die RT-Version 32 oder 64 Gigabyte. Preisangaben oder ein Datum für den Marktstart gab Microsoft bisher nicht bekannt. Es hieß nur, die RT-Version werde verfügbar sein kurz nach dem Marktstart von Windows 8, das für dieses Jahr erwartet wird. Der Preis solle ähnlich liegen wie der anderer ARM-basierter Tablets. Geschäftsanwender müssen etwas länger warten: Die Windows-8-Pro-Version soll drei Monate später erscheinen und sich auf dem Preisniveau von Ultrabooks bewegen.
Bei Marktbeobachtern fallen die Reaktionen auf Microsoft Surface gemischt aus. David Johnson bewertet Szenarien für den Firmeneinsatz des neuen Tablets positiv. Schon mit der Version auf Grundlage von Windows RT werde es Unternehmen möglich sein, zentral Updates oder Patches auf die Geräte aufzuspielen über Windows Intune oder den Systems Center Configuration Manager. Mit der neuen Metro-Oberfläche bei Windows 8 erfülle Microsoft künftig zudem genau die Wünsche der Mitarbeiter, die wegen der einfachen Bedienung bisher Apple- oder Android-Geräte forderten. Abhängig werde der Erfolg aber hauptsächlich davon sein, wie schnell Business-Anwendungen für das neue Tablet verfügbar seien.
Jan Dawson, beim Analystenhaus Ovum Experte für Telekommunikation, äußert sich deutlich weniger begeistert. Dem Anspruch, die Vorteile einer Tablet-Umgebung mit denen des klassischen Desktops zu verbinden, werde Surface nicht gerecht. "Die zwei Versionen, die jetzt verfügbar sind, sind ein schrecklicher Mischmasch der beiden Welten, der Kunden wahrscheinlich vor allem verwirren wird", schimpft Dawson.
Analyst: Signal für Misstrauen gegenüber OEM-Partnern
Kritisch bewertet er zudem das Signal, das von der Ankündigung für das Geschäft mit Microsofts Hardware-Partnern ausgehe. Bisher verkauft der Konzern sein Windows-Betriebssystem, die Computer bauen PC-Hersteller wie Hewlett-Packard oder Dell, bei Tablets und Laptops kooperiert Microsoft etwa mit Asus, Lenovo und Samsung. Entweder sei Microsoft mit den Tablets anderer Hersteller - seiner Partner - unzufrieden, oder es genüge den Redmondern nicht mehr, nur die Lizenzgebühren für Windows einzustreichen. In jedem Fall sei die Ankündigung ein deutlicher Ausdruck von Misstrauen.
Auch Sarah Rotman Epps von Forrester fügt der positiven Bewertung ihres Kollegen Johnson eine kritische Note bei. Microsoft werde selbst zu seinem größten Feind werden, schreibt sie in einem Blog-Eintrag. Wie Jan Dawson von Ovum befürchtet sie, die verschiedenen Tablets, einschließlich derer, die Microsoft-Partner herausbringen, würden Kunden vor allem verwirren. "Die Käufer sind es nicht gewöhnt, sich über die Chips in ihren Geräten Gedanken zu machen", so Rotman Epps.
Bill Gates stellte Tablet-Prototypen vor
Konzernchef Ballmer verwies darauf, dass Microsoft eine Tradition als Hardware-Hersteller habe. Der Software-Riese verkauft schon seit geraumer Zeit PC-Zubehör wie Mäuse, Tastaturen oder Webcams und ist erfolgreich mit seiner Spielekonsole Xbox. Allerdings gab es auch Flops wie den Player Zune, der nie für Apples iPods gefährlich werden konnte, sowie die schnell wieder eingestellten Kin-Handys.
Die Ankündigung von Surface kommt zwölf Jahre, nachdem Microsoft selbst zum ersten Mal das Konzept des Tablet-Rechners vorstellte. Der damalige Chef Bill Gates zeigte einen Prototypen auf der Messe Comdex 2000. Der Markt kam allerdings nicht in die Gänge, bis Apple 2010 sein iPad herausbrachte.
Apples iPad ist auch gut zwei Jahre nach dem Start der ersten Version das Maß der Dinge auf dem stark wachsenden Tablet-Markt. Der Marktforscher IDC geht davon aus, dass in diesem Jahr 107,4 Millionen Tablet-Computer verkauft werden und davon 62,5 Prozent aus dem Hause Apple stammen werden. Der Großteil der restlichen Geräte läuft mit Googles Betriebssystem Android. Microsoft muss praktisch bei Null anfangen.
Fakten von Microsoft Surface und Apple iPad im Vergleich
Microsoft Surface, Windows RT Edition
Gewicht: 676 Gramm
Dicke: 9,3 Millimeter
Display: 10.6-Zoll ClearType HD Display
Akku: 31,5 Wattstunden
Schnittstellen: microSD, USB 2.0, Micro HD Video, 2x2 MIMO Antennen
Speicher: 32GB oder 64GB
Microsoft Surface, Windows 8 Pro Edition
Gewicht: 903 Gramm
Dicke: 13,5 Millimeter
Display: 10,6 Zoll ClearType Full HD Display
Akku: 42 Wattstunden
Schnittstellen: microSDXC, USB 3.0, Mini DisplayPort Video, 2x2 MIMO Antennen
Speicher: 64GB oder 128GB
Apple new iPad Wi-Fi
Gewicht: 652 Gramm
Dicke: 9,4 Millimeter
Display: 9,7 Zoll Retina Display mit 2048x1536 Pixeln Auflösung
Akku: 42,5 Wattstunden für bis zu zehn Stunden Surfen, Musikhören oder Video
Schnittstellen: 30-Pin-Dock Apple Connector Port, Kopfhörer
Speicher: 16GB, 32GB oder 64GB
Apple new iPad Cellular
Gewicht: 662 Gramm
Dicke: 9,4 Millimeter
Display: 9,7 Zoll Retina Display mit der Auflösung 2048x1536 Pixel
Akku: 42,5 Wattstunden für bis zu zehn Stunden Nutzung
Schnittstelle: 30-Pin-Dock Apple Connector Port, Kopfhörer
Speicher: 16GB, 32GB oder 64GB
Mit Material vom IDG News Service, dpa