Während sich nämlich traditionelle Produktlebenszyklen sehr genau mit der Frage befassen, wie der Anbieter mit seiner Investition in das Produkt langfristig Profite erzielen kann, wird zumeist kaum oder gar nicht betrachtet, wie der Kunde letztlich mit seiner Investition in das selbe Produkt einen Mehrwert erwirtschaften soll. Es ist natürlich verständlich, dass Anbieter dem wirtschaftlichen Ertrag ihrer Investitionen einen großen Stellenwert einräumen. Aber sollte nicht auch der letztendliche Kundennutzen mit genau derselben rigiden Strenge im Rahmen des Produktlebenszyklus betrachtet werden?
Die Realität zeigt, dass innerhalb der Anbieterunternehmen vier unterschiedliche Gruppen in den Kreislauf von der Entwicklungsphase über die Produkteinführung bis zum Verkauf des Produktes involviert sind - aber diese Gruppen dabei selten koordiniert vorgehen. Das Bild, welches die meisten Anbieter dabei abgeben, gleicht dem eines fröhlichen Scheibenschiessens, allerdings mit falscher Ausrichtung auf das Ziel: "Fertig! Feuer! Zielen!" - und die Kunden sind letztendlich die Leidtragenden dieser falschen Ausrichtung.
Produkt Management: Fertig!
Auf den Produkt-Managern lastet der Druck der Unternehmen, ihre jeweiligen Produktlinien schnell zu planen, zu entwickeln, und dabei möglichst noch innovativ zu sein. Das führt dazu, dass die entwickelten Lösungen häufig voller technischer Neuerungen stecken, die allerdings kaum zusätzlichen Nutzen für den Kunden generieren. Ebenso verhält es sich mit Entwicklungslücken oder -fehlern, die auftauchen, weil wegen drängender Liefertermine zu wenig Zeit für die Entwicklung und notwendige Testläufe bleibt. Obwohl Produkt-Manager, nicht selten in führender Position, sehr stark in den Management-Prozess der Produktzyklen involviert sind, übersehen sie dabei gerne, dass der technische Nutzer innerhalb des Unternehmens nur einer von vielen betroffenen Entscheidungsträgern beim Kunden ist.
Vertrieb: Feuer!
Während Produkt-Manager also unter dem Druck stehen, ein oder zweimal im Jahr neue Lösungen zu präsentieren, ist der Vertrieb in seiner Handlungsfähigkeit ganz anderen Gesetzmässigkeiten unterworfen. Mit ständig steigenden Zielvereinbarungen für Verkaufsquoten und monatlichen oder vierteljährlichen Bonusregelungen bleibt den Verkäufern nur sehr wenig Zeit, ein vertrauensvolles Verhältnis zu den Kunden aufzubauen und dabei deren tatsächliche geschäftlichen Anforderungen besser zu verstehen.
Marketing: Zielen!
Produkt-Manager sind dem Produkt am nächsten, für den Vertrieb ist es der Kunde, zu dem der engste Kontakt besteht. Das Marketing ist irgendwo dazwischen angesiedelt. Es hat nur selten direkten Kontakt zu den Entscheidungsträgern des Kunden und ist sehr oft abhängig von indirekten Erfahrungen und Einblicken. Hinzu kommt in der Regel ein eingeschränktes Hintergrundwissen, um sich ein konkretes Bild von den zugrundeliegenden technologischen und geschäftlichen Kundenbedürfnissen machen zu können. Dies macht es notgedrungen schwierig aussagekräftige Vertriebsunterlagen zu produzieren, die den Mehrwert des Produkts für den Kunden klar und verständlich erläutern.
Delivery: Moment mal, der Vertrieb hat WAS verkauft?
Eine der tragischsten Situationen, die wir beobachten, ist der Augenblick, wenn das Delivery-Team beim ersten Kontakt mit dem Kunden realisiert, dass die zu installierende Lösung keineswegs das halten kann, was dem Kunden vom Vertrieb versprochen wurde. Sehr oft wird die Delivery erst spät in die Kundenbeziehungen eingebunden. Der Vertrieb ist entweder darum besorgt, dass ihm die "Techies" in die Quere kommen oder das Delivery-Team selbst ist zu schwach besetzt, um Ressourcen mit den nötigen kaufmännischen Erfahrungen für eine effektive Vertriebsunterstützung mobilisieren zu können.
Unabhängig davon, ob der IT-Anbieter an Kunden aus der IT Organisation, aus den unternehmerischen Geschäftsbereichen oder aus dem Management verkauft, all diese Entscheidungsträger orientieren sich in ihrer Anbieterauswahl verstärkt an einem entscheidenden Kriterium: Der Fähigkeit des Anbieters eine Geschäftsbeziehung aufzubauen, die das Gefühl vermittelt, dass die zugrundeliegenden unternehmerischen Zielsetzungen verstanden werden und dazu die passende Lösung angeboten werden kann. Dabei haben die Kunden eben nicht nur die technologischen Fragestellungen im Blickfeld, sondern vor allem auch die zugrundeliegenden geschäftlichen Anforderungen
Das bedeutet, das auf Anbieterseite alle Beteiligten - vom Produkt-Management über das das Marketing und den Vertrieb bis hin zum Delivery- bzw. Implementierungsteam - hinsichtlich der Problemlage beim Kunden und der Anforderungen der einzelnen Entscheidungsträger koordiniert und im Einklang agieren sollten. Dem kundenorientierten Anbieter muss unmissverständlich klar sein, dass der Kunde in erster Linie versucht, eine Lösung für sein geschäftliches Problem zu kaufen.
Wie gut geht ist Ihr IT-Anbieter aber nun in der Lage, auch auf Ihre individuellen Anforderungen und Bedürfnisse zu reagieren? Hier ist eine Hand voller Schlüsselfragen, die Sie Ihrem Anbieter in diesem Zusammenhang stellen sollten:
Fähigkeit zur funktionsübergreifenden Zusammenarbeit - Auf welche Weise erfassen und sammeln Produkt-Management, Marketing, Vertrieb und Delivery-Teams des Anbieters Informationen über ihre Kunden und deren geschäftliche und technische Anforderungen? Welche Prozesse liegen dem wechselseitigen Informationsaustausch zugrunde?
Motivation zur funktionsübergreifenden Zusammenarbeit - Durch welche Mechanismen werden Produkt-Management, Marketing, der Vertrieb und Delivery des Anbieters zur pro-aktiven Zusammenarbeit motiviert? Wie werden der wechselseitige Austausch von Informationen und Erkenntnissen über Kunden gezielt gefördert und finanziell belohnt?
Account-Planung - Wie wird die Kundenansprache und die Account-Planung zwischen Produkt-Management, Marketing, Vertrieb und Delivery-Team koordiniert? Auch hier sollten wechselseitig wirksame Prozesse definiert und implementiert sein.
Release-Planung für Lösung - Was sind die primären Treiber für die Freigabe neuer Produkte oder Produktversionen und durch wen werden sie initiiert? Wie werden insbesondere lücken- oder fehlerhafte Releases pro-aktiv vermieden?
Strategie für Nachverfolgung nach Einsatz der Lösung - Welche Aktivitäten werden vom Anbieter nach Kauf und Implementierung der Lösung ausgeführt und welche Teams (Produkt-Management, Marketing, Vertrieb oder Delivery-Team) sind explizit darin eingebunden?
Anpassung der vertrieblichen Fähigkeiten - Welche Initiativen oder Trainingmaßnahmen unternimmt der Anbieter, um die bestehende Vertriebsmannschaft an das sich verändernde Einkaufsverhalten und Bedürfnisse der Kundenseite anzupassen?
Pascal Matzke und Norbert Kriebel sind Principal Analysts bei Forrester Research.