Digitalisierung

Angst vor Jobabbau bei Banken und Versicherungen

25.07.2019 von Christiane Pütter
Rund zwei von drei Entscheidern in der Finanzdienstleistungsbranche rechnen im Zuge der Digitalisierung mit einem Stellenabbau. Andererseits sehen sie auch die Chancen, wie eine aktuelle Studie zeigt.
  • Der Konzern ERGO plant, verstärkt Policen über Sprachassistenten zu verkaufen
  • Die Zahlen der bei den Handelskammern eingetragenen Versicherungsvermittler sind rückläufig
  • Banken, Versicherungen und Finanzdienstleister entwickeln beispielsweise Plattformen, an denen andere Anbieter gegen Gebühr "andocken" können

Banken und Versicherungen nennen zwei Treiber für die Digitalisierung: einerseits müssen sie Verluste durch die niedrigen Zinsen und Regulierungsvorgaben kompensieren, andererseits erfordert das veränderte Konsumentenverhalten digitalisierte Beratungsangebote. Zu diesem Schluss kommt die Unternehmensberatung Sopra Steria in Studien unter 109 Entscheidern aus Banken und 100 Versicherungen.

Die größten Hoffnungen setzen Versicherer auf Cyber-Security-Versicherungen (Anmerkung der Redaktion: PAYL/PAYD steht für Pay as you live/Pay as you drive).
Foto: Sopra Steria Consulting

Ein konkretes Beispiel liefert der Versicherungskonzern ERGO: das Unternehmen plant, verstärkt Policen über Sprachassistenten zu verkaufen. Insgesamt erklären 60 Prozent der befragten Entscheider aus Versicherungen, das Direktgeschäft über Online-Kanäle ausweiten zu wollen. Was Banken betrifft, so lohnt sich im Privatkundengeschäft das persönliche Beratungsgespräch schlicht erst "ab einer gewissen Summe", wie die Consultants schreiben.

Das hat Folgen für die Situation der Beschäftigten. 67 Prozent der Studienteilnehmer gehen davon aus, dass wegen der Digitalisierung die Zahl der Arbeitsplätze im eigenen Unternehmen langfristig sinkt. Zum Vergleich: bei Energieversorgern erwarten das nur 33 Prozent, in der verarbeitenden Industrie nur 25 Prozent. Das liegt auch daran, dass beispielsweise in Fabrikhallen bereits Montage- oder Schweißroboter Fertigungsprozesse übernehmen. Die Industrie ist einfach schon weiter fortgeschritten.

Berater und Vermittler werden abgebaut, IT-Spezialisten gesucht

Allerdings bezieht sich der Verlust an Stellen auf bestimmte Tätigkeiten, nämlich konkret auf Bankberater, Versicherungsvermittler und Mitarbeiter im Backoffice. "Die Zahlen der bei den Handelskammern eingetragenen Versicherungsvermittler sind rückläufig", erklärt Sopra Steria. Dagegen suchen Finanzdienstleister IT-Fachkräfte. Die Consultants sprechen von Milliardenbeiträgen für Digitallabore und Software-Firmen.

Dabei geht es nicht nur um Apps für Schadenmeldungen und automatisierte Kreditvergabe, betont Sopra Steria. Banken, Versicherungen und Finanzdienstleister arbeiten an datengetriebenen Vertriebsansätzen für mehr Wachstum. So hat jedes zweite Unternehmen in Teilbereichen bereits digitale Geschäftsmodelle entwickelt. Ein Beispiel dafür sind Plattformen, an denen andere Anbieter gegen Gebühr "andocken" können.

Simon Oberle, Leiter Future Management Consulting bei Sopra Steria NEXT, kommentiert: "Die langfristigen Auswirkungen auf den Mitarbeiterbestand durch die Automatisierung und den Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) werden häufig noch deutlich unterschätzt."

Die Stimmung in Versicherungen beschreibt Sopra Steria als "leicht optimistisch bis zurückhaltend". So nennen 59 Prozent Insurtechs als große Herausforderung - in einer vergleichbaren Vorjahresstudie waren es mit 42 Prozent noch deutlich weniger. 46 Prozent der Entscheider sagen, dass Innovationen in den kommenden Jahren mehr kosten, als sie einbringen. Datenschutz und Datensicherheit gelten 72 Prozent als größte Herausforderung.

Cyber-Security-Versicherungen wecken Hoffnungen auf Wachstum

Auf die Frage, welche Versicherungsprodukte in den kommenden fünf Jahren Wachstum bringen, nennen 41 Prozent Cyber-Security-Versicherungen. Es folgen Themenpakete/Produktbündelungen sowie komplett digitale Produkte mit je 39 Prozent. 37 Prozent nennen außerdem lebensbegleitende Assistenz-Services. Auf der anderen Seite erklären 30 Prozent, dass Versicherungen mit verhaltensabhängigen Beiträgen oder Boni (sogenannte Pay as you live/Pay as you drive-Versicherungen) keine Top-Geschäftsbringer sind.

Rund zwei von drei traditionellen Geldinstituten kooperieren mit FinTechs.
Foto: Sopra Steria Consulting

54 Prozent der Assekuranzen arbeiten mit zentralen Kundendatenbanken, jeweils 37 Prozent nutzen Versicherungs-Apps und Self-Service-Portale und 20 Prozent Videoberatung. 15 Prozent setzen Chatbots ein.

Was Banken betrifft, so bezeichnet Sopra Steria traditionelle Geldinstitute und Fintechs als "ziemlich beste Freunde": 64 Prozent der Banken arbeiten mit Fintechs zusammen, 28 Prozent haben eigene Fintechs gegründet. 48 Prozent setzen aus Kostengründen auf Robotic Process Automation (RPA). 39 Prozent planen den Einsatz von Blockchain, 36 Prozent die Nutzung biometrischer Verfahren.