Das Ergebnis der Umfrage ist für uns dramatisch und zeigt sehr deutlich, dass viele Anwender die Lizenzierungsregelungen für Virtualisierungsumgebungen nicht mehr akzeptieren und sich der drohenden teuren Nachlizenzierung für Oracle-Datenbanken entziehen möchten", kommentierte Dietmar Neugebauer, Vorsitzender der Deutschen Oracle-Anwendergruppe (Doag), das Ergebnis.
Mehr als jeder Dritte der rund 600 befragten Nutzer spielt mit dem Gedanken, Oracle-Produkte ganz abzulösen. Weitere 24 Prozent planen, dem Problem mit einem Workaround zu begegnen. Neun Prozent der Anwenderunternehmen streben Verhandlungen mit Oracle an, und acht Prozent haben vor, im Umfeld von Oracle-Software ganz auf Virtualisierung zu verzichten.
Die Umfrage
An der Doag-Umfrage, die vom 26. März bis 26. April 2015 online betrieben wurde, haben sich insgesamt 612 Personen beteiligt.
Aus Deutschland stammten 89 Prozent der Befragten, aus Österreich und der Schweiz jeweils fünf Prozent.
65 Prozent der Befragten gaben an, in Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern zu arbeiten.
25 Prozent sind in Unternehmen mit 50 bis 500 Mitarbeitern beschäftigt.
Zehn Prozent stammen aus Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitern.
Der Streit um Oracles Lizenzpolitik schwelt bereits seit Längerem. Zum Hintergrund: Die gängigen x86-Virtualisierungslösungen wie VMware, Hyper V und Xen stuft Oracle nur als Soft-Partitioning ein. Dies hat zur Folge, dass die Oracle-Produkte für den kompletten Server beziehungsweise Server-Verbund in Lizenz genommen werden müssen, auch wenn die entsprechenden Oracle-Produkte nur auf einer kleinen Partition mit einer begrenzten Zahl zugewiesener Prozessoren laufen.
Im x86-Umfeld sind nur die Oracle VM und die seit der Übernahme von Sun Microsystems mittlerweile ebenfalls zu Oracle gehörenden Solaris Container als Hard-Partitioning anerkannt, so dass bei diesen beiden Virtualisierungslösungen nur die jeweils dediziert zugewiesenen Prozessoren in Lizenz genommen werden müssen.
Lizenzpolitik nicht nachvollziehbar
Diese unterschiedliche Einordnung von Virtualisierungslösungen verschiedener Hersteller steht seit Jahren in der Kritik. Anwender verweisen darauf, dass unter VMware jederzeit nachweisbar sei, auf welchem physischen Server welche Software genutzt werde. Daher dürfe dies das einzige Kriterium sein, das den Lizenzbedarf beeinflusst. Bereits in einer Doag-Umfrage aus dem Jahr 2011 zeigten sich 90 Prozent der Teilnehmer unzufrieden mit Oracles Lizenzpolitik.
Oracle versuche, den Einsatz der eigenen Virtualisierungslösung zu erzwingen, konstatierte damals Neugebauer und forderte eine Gleichbehandlung aller x86-Virtualisierungslösungen. Doch diese Forderung stieß bei den Oracle-Verantwortlichen auf taube Ohren. Änderungen der Lizenzierungsregeln beim Einsatz von x86-Virtualisierungslösungen seien nicht geplant, hieß es damals von Seiten des Oracle-Managements.
Trotz der jetzt drohenden Konsequenzen der Oracle-Anwender zeigt der Softwarehersteller weiter wenig Bereitschaft, seine Lizenzpolitik zu ändern. Man habe Oracle die Umfrageergebnisse vorgelegt, so die Anwendervertreter. Doch von dem Softwarekonzern habe man bisher keine offizielle Stellungnahme erhalten. Allerdings liefen die Gespräche noch. "Wir werden nicht locker lassen und weiter auf eine akzeptable Lösung drängen", so Neugebauer.
Angesichts der immer weiter um sich greifenden Nutzung von Virtualisierungslösungen könnte der Konflikt eskalieren. Im deutschsprachigen Markt haben 86 Prozent der Befragten bereits Virtualisierungslösungen im Einsatz, ergab die Doag-Umfrage. Von den Befragten, die Virtualisierungslösungen nutzen, setzen rund 85 Prozent VMware ein.
Damit ist VMware die mit Abstand am häufigsten verwendete Virtualisierungssoftware. Auch das zu erwartende Wachstum im Markt zeige die Dringlichkeit des Handelns, heißt es von Seiten der Doag. So planen etwa 42 Prozent der Befragten, die bisher keine Virtualisierungssoftware verwenden, dies für die Zukunft. Von ihnen würden sich 91 Prozent für VMware entscheiden. Nahezu die Hälfte derer, die in Zukunft VMware einsetzen wollen, beabsichtigen, Oracle endgültig abzulösen.
Auch die Kommunikationspolitik von Oracle steht in der Kritik. Viele Umfrageteilnehmer wünschen sich ein White Paper, in dem das Unternehmen endlich klar definiert, wie in Virtualisierungsumgebungen mit der Lizenzierung von Oracle-Produkten zu verfahren ist. Andere schlagen großzügige Übergangsfristen vor, die sicherstellen würden, dass sich die Lizenzgebühren nach einem Update der Virtualisierungslösung nicht von einem Tag auf den anderen vervielfachen.
"Die sehr große Beteiligung an der Umfrage verdeutlicht die hohe Relevanz des Themas", sagt Michael Paege, stellvertretender Vorsitzender der Doag und Leiter des Competence Center Lizenzierung. Vor allem die große Zahl und die Inhalte der abgegebenen Kommentare zeugten von der enormen Besorgnis und Unsicherheit, die im Hinblick auf Oracles Lizenzierungsregeln herrschten, was den Einsatz von Virtualisierungslösungen betreffe. Doag-Vorstand Neugebauer ergänzt: "Oracle müsste dringend an einer transparenten Kommunikation gegenüber seinen Kunden arbeiten, um ihnen Planungssicherheit zu bieten und die Komplexität der Lizenzierungsthematik zu verringern."
Neue VMware-Versionen können teuer werden
Aus Oracle-Sicht muss im VMware-Umfeld alle Hardware in Lizenz genommen werden, die theoretisch genutzt werden kann. Doch damit kann gerade die Nutzung der neuen VMware-Versionen teuer werden. Bis zur Version 5.0 konnten virtuelle Maschinen (VMs) zur Laufzeit nur innerhalb eines Clusters bewegt werden. Aus diesem Grund war der komplette Cluster in Lizenz zu nehmen. Mit der Version 5.1 wurde die Möglichkeit geschaffen, VMs zur Laufzeit über Cluster-Grenzen hinweg innerhalb eines vCenter zu verschieben. Deswegen müssen für die Versionen 5.1 und 5.5 alle Server des vCenter in Lizenz genommen werden.
Mit der kürzlich veröffentlichten Version 6.0 könnte sich die Lage noch erheblich verschärfen: Diese ermöglicht eine Verschiebung von laufenden VMs über vCenter-Grenzen hinweg. Nach der Oracle-Logik wären also dementsprechend ab Version 6.0 alle vCenters in Lizenz zu nehmen, in die Oracle-Software zur Laufzeit verschoben werden könnte.Auch der Speicher scheint eine Rolle zu spielen: Wurde bisher der Storage bei der Berechnung des Lizenzbedarfs außer Acht gelassen, so scheinen Anwender nach Angaben der Doag nun - ungeachtet der VMware-Version - schlichtweg alle Cluster beziehungsweise vCenters in Lizenz nehmen zu müssen, die auf den gleichen Storage zugreifen.
Von diesen Erfahrungen berichtet jedenfalls ein Anwender, bei dem in einem Audit eine Unterlizenzierung festgestellt wurde. Oracle teilte ihm mit, dass auch unter VMware 5.0 alle Cluster in Lizenz genommen werden müssten, falls ein gemeinsamer Storage betrieben werde. Diese Praxis ist inzwischen durch die "License Management Services" (LMS) von Oracle bestätigt. Mit Bekanntwerden dieser Informationen dürfte die Zahl derer, die über eine Ablösung von Oracle-Produkten nachdenken, noch weiter steigen, heißt es von Seiten der Doag.