PR-Gefecht auf der Bitkom-Konferenz

Anwender mögen keine Cloud

14.10.2010 von Hartmut  Wiehr
Die CeBIT tut es, die Bundesregierung auch, der Bitkom sowieso und natürlich auch Microsoft und Partner: Sie beschwören Virtualisierung und Cloud. Nur einer hält sich trotz der Euphorie zurück: der Anwender.

Dabei kommt es auf ihn eigentlich besonders an, ist er es doch schließlich, der seine bestehende IT-Infrastruktur und seine Rechenzentren umrüsten muss, damit sie virtualisierungs- und cloud-tauglich werden.

Microsoft-Boss Steve Ballmer setzt inzwischen voll auf Virtualisierung und Cloud Computing. (Foto: Microsoft)

Noch Ende letzten Jahres hat IDC Umfrageresultate für Europa und die USA bekannt gegeben, nach denen diesseits und jenseits des Atlantiks erst ungefähr 20 Prozent der Unternehmen Virtualisierung im Einsatz haben. Ihre Zurückhaltung zeigt sich auch daran, dass sie virtuelle Maschinen in der Regel erst einmal für die nicht so geschäftskritischen Test- und Entwicklungsumgebungen einsetzen. Datenbanken oder CRM-Anwendungen möchte man nicht zusammen mit anderen Applikationen auf einem virtualisierten Rechner fahren, solange die Security- und Compliance-Probleme nicht endgültig gelöst sind.

IDC sieht für Deutschland dennoch insgesamt grünes Licht für Virtualisierung. Auf der Bitkom-Konferenz zum Thema Cloud am 6. Oktober 2010 in Köln erläuterte Thomas Meyer, Vice President IDC EMEA, die Ergebnisse der neuesten Umfrage bei 170 Unternehmen und Organisationen in Deutschland: "Drei Viertel aller Unternehmen haben bereits virtualisiert oder wollen dies in den kommenden Monaten tun. Der Bedarf ist also weiterhin groß, und Komplettangebote mit Rund-um-Service wie von Microsoft und Citrix sind gefragt.“ Wie groß jeweils der Anteil derer ist, die bereits virtualisiert haben, und jener, die es erst einmal planen, sagte Meyer nicht.

Schon einen Tag vor der Kölner Veranstaltung hatte das Bundeswirtschaftsministerium ein Aktionsprogramm für Cloud Computing vorgestellt. Ziel des Programms soll eine Förderung des Einsatzes von Cloud Services und die Entwicklung einer wettbewerbsfähigen Cloud-Industrie in Deutschland sein. Dieter Kempf, Mitglied des Bitkom-Präsidiums, betonte die Erwartungen an das neue Programm: "Cloud Computing eröffnet ganz neue Chancen für den Standort Deutschland. Um diese Chancen zu ergreifen, müssen Wirtschaft, Politik und Wissenschaft zügig und gemeinsam handeln. Das Aktionsprogramm des Bundeswirtschaftsministeriums kommt genau zum richtigen Zeitpunkt und schafft dafür eine geeignete Grundlage."

Zur Unterstützung der Initiative der Bundesregierung startet der Bitkom das Webportal www.cloud-practice.de. Es soll "strukturiert und gebündelt Fachinformationen von Anwender- und Anbieterseite, aus Wissenschaft und Politik zur Verfügung stellen“ und somit eine zentrale Informations- und Kommunikationsplattform für Anbieter und Anwender von Virtualisierung und Cloud Computing in Deutschland werden.

Harter Konkurrenzkampf um Virtualisierungs- und Cloud-Kunden


Auf der CeBIT 2011 soll Cloud als "Leit-Thema ebenfalls groß herauskommen und unter anderem soll eine "Sondershow Cloud Computing World“ in Halle 4 auf dem Messegelände stattfinden.


Auf der Kölner Konferenz präsentierte sich auch die 2009 gegründete "V-Alliance“ von Microsoft und Citrix, die ihren Geschäftskunden "Virtualisierungslösungen aus einer Hand anbietet – von der Server- über die Applikations- bis zur Desktop-Virtualisierung“. Feierlich mit Preisen ausgezeichnet wurden vier Virtualisierungsprojekte von Partnern: des IT-Systemhaus Bechtle, der ACP Holding Österreich, von visionapp und von PC-Ware. 25 Partnerunternehmen von Microsoft und Citrix hatten sich für den international vergebenen Preis "V-Alliance Partner of the Year 2010" beworben.

Diese Werbeaktion von Microsoft und Citrix – MS-Boss Steve Ballmer war persönlich anwesend - rief denn auch gleich eine Gegenreaktion des Konkurrenten Salesforce.com hervor. In einer eilends verschickten Pressemeldung gab man bekannt: "Microsofts Vorstoß im Cloud Computing ist eine ganz ehrenwerte Bestätigung für das große Potential der Technologie an sich. Gleichzeitig ist der Software-Riese mit seinem Engagement ganz schön spät dran. (…) Würde sich Microsoft dafür entscheiden, seine Services auf die Force.com Plattform von Salesforce.com aufzubauen, könnte das Unternehmen von zehn Jahren Forschung und Entwicklung profitieren und müsste das Cloud-Computing-Rad nicht noch einmal neu erfinden.“

Mit der sich abzeichnenden Konsolidierung der IT-Branche wird der Ton zwischen den Konkurrenten zugleich etwas härter. Nachdem zur Zeit vor allem Netzwerk- und Speicherhersteller verkauft werden, könnte der Übernahmekampf bald auch auf das engere Feld von Virtualisierung und Cloud übergreifen. Erste Anzeichen gibt es bereits.


Doch ob diese Entwicklung geeignet wäre, die Zurückhaltung der Anwender in Sachen Virtualisierung und Cloud aufzuweichen, darf bezweifelt werden. Zunächst wird erst einmal mit allen Mitteln kräftig auf die Werbepauke gehauen.