Vielen Krankenhäusern und niedergelassenen Ärzten fehlt es an Geld oder auch am nötigen Willen, um ihre IT auf den neuesten Stand zu bringen. Dabei ist die Entwicklung auf der Hard- und Software-Seite in den letzten Jahren rasant vorwärtsgegangen. Virtualisierung, schnellere und ausfallsichere Netzwerkverbindungen, Tablets, Smartphones, Apps, BYOD (Bring Your Own Device), Collaboration-Tools oder soziale Netze wie Facebook oder LinkedIn sind im deutschen Gesundheitswesen noch nicht so richtig angekommen.
So gesehen, ist das Glas (erst) halb voll. Das haben auch fast alle großen IT-Hersteller, für die bis vor kurzem "Healthcare" noch ein Fremdwort war, erkannt und ihre Aktivitäten um Healthcare-IT erweitert – Dell, HP, IBM e tutti quanti, alle sind sie begierig, etwas von dem Gesundheitskuchen abzubekommen. In dieser Situation sind unabhängige Instanzen, die den Ärzten, Krankenhäusern und weiteren Institutionen aus diesem Bereich mit Rat und Tat zur Seite stehen, natürlich äußerst begrüßenswert.
Eine von ihnen ist die ZTG aus Nordrhein-Westfalen, dem bevölkerungsreichsten Bundesland, in dem notabene die Gesundheitsversorgung eine besonders umfangreiche Rolle spielt. Das Zentrum für Telematik im Gesundheitswesen (ZTG) ist rechtzeitig zur Medica, einer der weltweit größten Gesundheitsmessen (Düsseldorf vom 14. bis 17. November 2012), mit einer Reihe von Initiativen an die Öffentlichkeit getreten.
Bewertungsplattform App-Check
Dazu gehört die "App-Check". Mit diesem Tool reagiert die ZTG auf die Welle von Gesundheitsratgebern und -Apps, die auf dem besten Wege sind, die Tipps von Apotheker-Umschau, Hörzu, Bild am Sonntag und weiterer massenwirksamer Medien zu ergänzen oder gar zu ersetzen. Die neue App-Bewertungsplattform "App-Check" wurde im Rahmen der "Landesinitiative eGesundheit.nrw" konzipiert. Sie wird vom "Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter" des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert.
Die Plattform greift auf Testresultate von eGesundheit zurück und veröffentlicht sie später auf www.gesundheitsapps.info im Internet. (Die Seite ist zur Zeit noch nicht freigeschaltet.) Laut ZTG besteht die Zielsetzung darin, "hilfreiche Informationen zusammenzuführen, übersichtlich zu präsentieren und mittels verschiedener Filter zum Beispiel nach Kategorien, Zielgruppen und Schlagworten eingrenzen zu können". Insgesamt soll die neue Plattform als Orientierungspunkt für Patienten und Institutionen des Gesundheitswesens dienen, die sich medizinische Apps aus dem Web besorgen wollen.
Elektronischer Arztbrief
Ein weiteres ZTG-Projekt widmet sich der Verbreitung des elektronischen Arztbriefes. Es wurden in Nordrhein-Westfalen bereits über 8.000 mit dem elektronischen Heilberufsausweis signierte Arztbriefe verschickt. Der Arztbrief enthält die wichtigsten aktuellen medizinischen Informationen zu einem Behandlungsfall und wird bisher meistens per Post oder per Fax von Arztpraxis zu Arztpraxis beziehungsweise von einer Arztpraxis zum Krankenhaus geschickt.
Das bedeutet nicht nur erhöhten Arbeitsaufwand und mehr Kosten, sondern führt auch zu der im IT-Zeitalter eigentlich vermeidbaren Konsequenz, dass die weitergeleiteten Daten nicht direkt in die Praxis- oder Krankenhausinformationssysteme der Empfänger eingelesen werden können.
Wird ein elektronischer Arztbrief mit dem digitalen Arztausweis signiert, ist dieser in seiner Beweiskraft dem handschriftlich unterschriebenen Arztbrief gleichgestellt. Papierversionen des Briefes werden somit überflüssig. Wie die ZTG mitteilt, können auf diesem Wege auch alle Arten medizinischer Dokumente bis hin zu digitalen Bildaufnahmen oder Röntgenbildern übermittelt werden.
Schnellere Übermittlung medizinischer Bilddaten
Im Oktober wurde ferner ein Projekt vorgestellt, das in Zukunft für eine schnellere Übermittlung von medizinischen Bilddaten sorgen soll: die Telemedizinische Bilddatenkommunikation Ruhr (TeBiKom). Bereits seit Ende 2010 können sich Ärzte aus dem Ruhrgebiet in einem Pilotbetrieb über einen zentralen Server die Röntgen- und CT-Aufnahmen ihrer Patienten per Internet sekundenschnell zuschicken: "Stunden- und tagelange Zusendungen mittels Taxi oder Post sind seither unnötig", heißt es bei der ZTG.
Wie Georg Greve, Direktor der am Pilotprojekt beteiligten Krankenkasse Knappschaft-Bahn-See mitteilt, besucht ein Zehntel der bei seiner Institution Versicherten mindestens elf verschiedene Ärzte im Jahr. Diese hätten kaum Kontakt miteinander: "Im Regelfall weiß ein Arzt nicht, was der andere macht."
Behandlungskosten mit IT senken
Dies führe dazu, dass sich die Behandlungskosten nicht nach der Schwere der Erkrankung, sondern nach der Anzahl der behandelnden Ärzte richteten. Diese würden häufig Untersuchungen durchführen, die bereits vorher von einem anderen Arzt durchgeführt wurden. Die mehrfache Behandlung begünstigt laut Greve eine kostentreibende Vielfach-Medikation.
Das von Nordrhein-Westfalen und der EU unterstützte Projekt könne daher in Zukunft nicht nur die medizinische Notfallversorgung verbessern, sondern auch die Arbeitsorganisation innerhalb der Radiologie. Das wäre dann ein konkreter Beitrag zur Kostensenkung im Gesundheitswesen.