Enterprise-IT ändert sich

App-Marktplätze für SAP und Salesforce

06.04.2011 von Holger Eriksdotter
Marktplätze für Applikationen machen es den Fachbereichen einfach, Zusatzfunktionen zur Mietsoftware zu beziehen. Nur ERP trotzt noch dem Trend.
Christoph Föckeler Director Sales EMEA, Salesforce.com: "Weil wir ein komplettes Framework zur Verfügung stellen, verringert sich die Entwicklungszeit um bis zu 65 Prozent."
Foto: Salesforce.com

Buntes Treiben auf dem Marktplatz von Salesforce.com: Der Primus der SaaS-Szene bietet auf seiner Plattform "AppExchange" knapp 1000 Applikationen. Das zurzeit größte Angebot an Business-Apps reicht von Add-ons, die mehr oder weniger umfangreiche Zusatzfunktionen zur Salesforce-CRM-Software liefern, bis hin zu Branchenerweiterungen und vollkommen eigenständigen Lösungen, die auf der Entwicklungsplattform Force.com basieren.

"Etwa die Hälfte der angebotenen Apps ist kostenfrei. So sind etwa alle Zusatzfunktionen, die wir selbst entwickeln, ohne zusätzliche Gebühr nutzbar", sagt Christoph Föckeler, Director Sales Consulting EMEA bei Salesforce. Daneben sind es rund 450 ISVs (Independent Software Vendors), die auf der Salesforce-Plattform ihre Applikationen anbieten. Nach Föckelers Angaben haben die weltweit 82.400 Salesforce-Kunden bisher mehr als 650.000 Mal AppExchange-Applikationen und Add-Ons installiert.

Für die große Nachfrage sieht der Salesforce-Manager mehrere Gründe. Ein riesiger Vorteil ist seiner Einschätzung nach der einfachere Vertrieb über den Marktplatz, der Kunden und App-Anbieter unkompliziert zusammenbringt. Zudem hätten alle Apps eine Qualitätskontrolle bei Salesforce durchlaufen, sodass sie sofort und gleichsam per Mausklick zuschaltbar sind. Dabei entfällt, anders als bei Lizenzsoftware, jeglicher Aufwand für Installation und Integration. Auch das Bezahlmodell ist in der Regel dem SaaS-Modell angepasst: also Zahlung per Kreditkarte pro Nutzer und Monat ohne längere Vertragsbindung.

Die beliebtesten Salesforce-Apps

Kostenpflichtige Apps

  • VerticalResponse for AppExchange

Vertical Response

Lösung für Massen-Marketing

  • DreamTeam Project Management

DreamFactory Software

Projekt-Management

  • Conga Composer

AppExtreme Inc.

Erstellen und Automatisieren von
Dokumenten und Reports

  • ExactTarget E-Mail-Marketing

Exact Target

E-Mail-Marketing

  • Geopointe - Google Maps & MapQuest

Geopointe

Mapping von Daten auf Google Maps

Kostenlose Apps

  • Google AdWords

Salesforce

Überwachen und Steuern von Marketing-Aktionen mit Google-Online-Werbung

  • Salesforce Integration - Data Loader

Informatica

Datenmigration/Integration von Salesforce-Daten in lokale Datenbanken/Applikationen

  • Project and Issue Management

Force.com Labs

Projekt- und Issue-Management

  • LinkedIn Connector for Salesforce

Redkite

Integration von LinkedIn-Kontakten in Salesforce

  • Salesforce für Twitter v3

Force.com Labs

Integration von Twitter als Kommunikationskanal in die Salesforce-Service & Marketing-Lösungen

Schnell wieder abbestellen

Sirko Schneppe Geschäftsführer, Abayoo: "SAP Business ByDesign trifft als erstes vollwertiges ERP-System im SaaS-Modell genau die Bedürfnisse kleiner und mittlerer Unternehmen."
Foto: Abayoo

Der Renner unter den Salesforce-Apps ist die Marketing-Lösung "VerticalResponse for AppExchange". Auf Platz zwei der Liste rangiert "DreamTeam Project Management". Ebenfalls unter den ersten Zehn der am häufigsten genutzten Apps liegt das Modul "Access Hoover’s" für Data Cleansing/Data Enrichment. Bei der Beliebtheit dieser Apps mag auch eine Rolle spielen, dass sie - getreu dem SaaS-Motto "Pay as you go" - in der Regel nach Abschluss eines Projekts ebenso schnell abbestellt werden können, wie sie gekauft wurden.

Als entscheidenden Vorteil für die Entwickler nennt Föckeler die erheblich kürzeren Entwicklungszeiten: "Weil wir auf der Plattform ein komplettes Framework von der Datenbank bis zu Schnittstellen und Administrations- und Entwicklungs-Tools zur Verfügung stellen, verringert sich die Entwicklungszeit um bis zu 65 Prozent." Von der Idee des zentralen Marktplatzes profitieren alle: Der Kunde findet die gesuchte Applikation an zentraler Stelle und muss sie nicht selbst entwickeln oder sich im schwer überschaubaren Anbietermarkt umsehen, der App-Anbieter erhält Zugang zu einer kostenlosen Distributionsplattform, und Salesforce profitiert letztlich davon, dass das eigene Produkt durch die Zusatzfunktionen noch attraktiver wird.

Diesen Mechanismus will auch SAP mit Business ByDesign (ByD) nutzen. So soll für die erste ERP-Lösung, die SAP im SaaS-Modell anbietet, ein ähnlicher Marktplatz entstehen. Diesem Ziel hat sich vor allem Sirko Schneppe verschrieben. Der Geschäftsführer der Abayoo GmbH ist dabei, ein Partnernetzwerk rund um Business ByDesign aufzuziehen: "Wir sind einer der größten SAP-Busines-ByDesign-Partner und haben es uns zum Ziel gesetzt, ein Eco-System rund um ByD aufbauen". 13 Partner konnte er bisher für sein Projekt gewinnen. Zurzeit befindet sich die Business-ByDesign-Entwicklungsplattform noch im Test. Schneppe rechnet aber damit, dass sie Anfang des ersten Quartals 2011 freigeschaltet wird. Ebenfalls noch in den ersten Monaten des kommenden Jahres soll sich der ByD-Marktplatz mit den ersten Apps füllen.

Seine Partner stehen schon in den Startlöchern: "Wir glauben, dass ByD als erstes vollwertiges ERP-System im SaaS-Modell genau die Bedürfnisse kleiner und mittelständischer Unternehmen trifft und sehr erfolgreich sein wird", sagt Winfried Krieger. "Deshalb wird es auch eine große Nachfrage nach Erweiterungen und Zusatzfunktionen für ByD geben." Krieger ist Professor für Logistik und Informations-Management an der Fachhochschule Flensburg und gleichzeitig als Gründer und Geschäftsführer von Logistiker.de/Prof. Krieger Consulting einer der Partner im Abayoo-Netzwerk. Er plant, basierend auf ByD Logistiklösungen zu entwickeln und auf dem ByD-Marktplatz anzubieten.

Abayoo-Geschäftsführer Schneppe jedenfalls ist optimistisch: Er rechnet damit, dass innerhalb kürzester Zeit ein breites Angebot von horizontalen Anwendungen bis hin zu kompletten Branchenlösungen in Form von nativen Apps (die komplett auf der ByD-Entwicklungsumgebung basieren) für ByD zur Verfügung stehen wird. Bisher gibt es noch keine nativen ByD-Apps, aber schon Mischformen - also Apps, die außerhalb der ByD-Entwicklungsplattform entwickelt wurden und als Add-on in die SaaS-Lösung integriert werden können. So bietet etwa das Software-Unternehmen Seeburger eine ByD-Erweiterung für die Zollabwicklung an; Siemens hat eine Lösung entwickelt, mit der Unified-Communications-Funktionen in die SAP-Lösung integriert werden können. "Solche Apps wird es auch künftig geben - das wird sich nicht schlagartig ändern. Aber mit dem Freischalten der Entwicklungsplattform wird es eine rasante Zunahme im Bereich der nativen Apps geben", sagt Schneppe.

SAP & Co. werden entlastet

Chris Pang Analyst, Gartner: "Mit Apps lässt sich SaaS-Software nicht in dem Maße an betriebs-spezifische Anforderungen anpassen wie bei Lizenzsoftware."
Foto: Gartner

Software-Anbietern wie Salesforce und SAP, aber auch Oracle oder Microsoft dürfte der Erfolg von Apps gar nicht so unrecht sein: Sie werden von der Entwicklung von Spezialfunktionen entlastet, die nur für einen kleinen Teil der Kunden interessant sind und sich nicht rechnen. Während sich die Großen um die Verbesserungen ihrer Kernprogramme kümmern können, entsteht für kleine ISV ein lukratives Nischengeschäft.

"Für die Kunden gewinnt das ohnehin unter vielen Gesichtspunkten interessante SaaS-Modell durch die zunehmende Verfügbarkeit von Apps noch weiter an Attraktivität", sagt Chris Pang, Analyst bei Gartner in London. Die als Apps gelieferten Zusatzfunktionen könnten gleichzeitig helfen, ein Manko von SaaS-Anwendungen auszugleichen. Denn durch Standardisierung und zentrale Distribution im One-to-many-Ansatz ist ein Customizing von SaaS-Systemen kaum mehr möglich. "Mit Apps lässt sich SaaS-Software natürlich nicht in dem Maße an betriebsspezifische Anforderungen anpassen, wie das bei Lizenzsoftware möglich und üblich ist. Trotzdem können sie in vielen Fällen helfen, einen Teil der Lücke zwischen dem Standard und dem spezifischen Bedarf zu schließen", sagt der Gartner-Analyst. Obwohl der Trend unverkennbar ist, kann von einer Revolution der Software-Entwicklung vorerst nicht die Rede sein: Vor allem gedeihen Apps bisher im Umfeld von Mobility-Lösungen und SaaS-Systemen.

Der Großteil der lizenzbasierten Enterprise-IT ist von dem Wandel allenfalls am Rande betroffen. Zwar verzeichnen SaaS-Anbieter im Zuge des zunehmenden Erfolgs von Cloud Computing ein überproportionales Wachstum. Im Vergleich zu Lizenzsoftware aber liegen die SaaS-Anbieter gerade bei Enterprise-Kernapplikationen noch weit zurück.

Dabei gilt CRM in allen Schattierungen schon immer als Vorzeigelösung der SaaS-Protagonisten - auch durch den großen Erfolg von Salesforce. Im Bereich CRM setzen nach einer Studie der amerikanischen Aberdeen Group schon mehr als 20 Prozent der Unternehmen Mietsoftware ein, bei kleinen Unternehmen sogar mehr als ein Drittel. Auch in anderen Bereichen wie bei BI-Systemen, HR- und Recruitment-Software sind SaaS-Lösungen auf dem Vormarsch. Aber speziell ERP-Systeme widersetzen sich bisher nachdrücklich diesem Trend: Es sind immer noch weniger als fünf Prozent der befragten Unternehmen, die sich bei der Kernapplikation ihrer Enterprise-IT auf On-demand-Lösungen verlassen wollen.