Fünf Jahre ohne Steve Jobs

Apple baut noch an Fundament der Zukunft

04.10.2016
Vor seinem Tod gab Apple-Chef Jobs seinem Nachfolger einen wichtigen Rat. Er solle sich niemals fragen: "Was würde Steve jetzt tun?" Das hindert Beobachter nicht daran, genau immer wieder diese eine Frage zu stellen - zumal Apple erstmals seit Jahren nicht mehr wächst.

Als Steve Jobs vor fünf Jahren starb, hinterließ er seinen Nachfolgern bei Apple ein schwieriges Erbe. Einerseits war der Konzern in den 15 Jahren nach seiner Rückkehr dank iPod und iPhone vom Pleitekandidaten zum wertvollsten Unternehmen der Welt geworden. Zum anderen übernahm die Chefetage um Tim Cook eine Firma, die sich um den Mitgründer und Retter Jobs drehte: Steve bestimmte die Strategie, Steve feilte mit Designchef Jony Ive am Aussehen der Geräte, Steve traf viele große und kleine Entscheidungen bis hin zum Farbton der App-Symbole. Und dann war Steve nicht mehr da.

Ganz überraschend kam sein Tod nicht - die Folgen der Krebserkrankung hatten den 55-Jährigen immer schwerer gezeichnet, schon im August 2011 gab er den Posten des Firmenchefs an Cook ab. Aber zugleich versprach Jobs noch, an der Spitze des Verwaltungsrates weiter für Apple dazusein. "Ich war überzeugt, er erholt sich auch diesmal", sagte Cook vor kurzem in einem Interview der "Washington Post". "So, wie er es immer getan hat." Doch Jobs konnte den Krebs nicht besiegen, er starb am 5. Oktober 2011, einen Tag nachdem der sichtlich mitgenommene Tim Cook das iPhone 4S vorgestellt hatte.

Seitdem reißen Debatten darüber nicht ab, wie innovativ Apple ohne Steve Jobs sein kann. Schließlich gilt er als die treibende Kraft hinter allen großen Erfolgen von Apple: Der erste Macintosh 1984, der iMac 1998, der iPod 2001, das iPhone 2007 und das iPad 2010. Oracle-Chef Larry Ellison, ein langjähriger Freund und Vertrauter von Jobs, sah eine düstere Zukunft für das Unternehmen: "Wir haben ein Apple ohne Steve Jobs schon gesehen", winkte er in einem Fernsehinterview ab.

Im Video: iPhone 7 und 7 Plus im ausführlichen Test

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Bis zu diesem Jahr wiederlegte Apple die Untergangspropheten stets mit neuen Rekordergebnissen. Besonders groß war der Sprung mit dem iPhone 6, als im Weihnachtsgeschäft 2014 als mit der Einführung größerer Modelle die iPhone-Verkäufe um 46 Prozent auf rund 74,5 Millionen Geräte hochschnellten. Im vergangenen Jahr gelang es in einem abgebremsten Smartphone-Markt gerade noch, diese Marke knapp zu übertreffen. Doch in diesem Jahr sanken die iPhone-Verkäufe erstmals seit der Markteinführung.

Und vom neuen iPhone 7 erwarten Analysten ebenfalls keine Wende, auch wenn sie nach ersten Hinweisen auf das robuste Verbraucher-Interesse selbst im Vergleich zum 6S-Modell des vergangenen Jahres zuversichtlicher geworden sind. Apple ging ins dritte Jahr mit einem äußerlich weitgehend unveränderten iPhone-Design (bis auf die entfernte Klinkenstecker-Buchse für Ohrhörer) - und erntete dafür viel Kritik.

Auch deshalb schlägt Cooks Apple der Vorwurf entgegen, der Konzern zehre von den Innovationen der Jobs-Ära. Die Stimmung ist nicht neu. Schon vor drei Jahren murmelte Marketingchef Phil Schiller während der Vorstellung des neuen Mac Pro auf der Bühne "von wegen keine Innovationen mehr, meine Fresse", um zu zeigen, was er von der Kritik hält. Die Hoffnung von Cook, Apple würde mit ihm an der Spitze aus der Schlusslinie der Kritiker kommen, zerschlug sich schnell, wie er in der "Washington Post" einräumte. An der Spitze von Apple zu stehen, sei ein "einsamer Job".

Als einzige neue Produktkategorie betrat der Konzern seit Jobs' Tod das Wearables-Geschäft mit der Computer-Uhr Apple Watch. Sie wurde zwar aus dem Stand die klare Nummer eins in dem noch überschaubaren Markt der Smartwatches - aber die Verkäufe sanken nach Einschätzung der Marktforscher von 3,6 Millionen Uhren zum Start im zweiten Quartal 2015 auf zuletzt um die 1,5 Millionen Geräte pro Vierteljahr. Es gelang also auf Anhieb nicht, den Markt hochzureißen. Apple tastet sich auch noch vor - mit der neuen Version des Betriebssystem wurde die Bedienung radikal umgestaltet. Man kann dies als Eingeständnis werten, dass die Entwickler mit anfänglichen Vorstellungen in wichtigen Punkten daneben lagen.

Wären das mit Jobs anders gelaufen? Hätte es überhaupt eine Apple-Uhr gegeben? Oder eher einen Fernseher oder etwas ganz anderes? Auf jeden Fall klar ist, dass auch der legendäre Produktvisionär Jobs in seiner Ära etliche Niederlagen einstecken musste. So verpatzte Apple noch unter ihm den Start des Online-Dienstes MobileMe, das Musik-Netzwerk Ping war eine Totgeburt, einige Geräte wie der Lautsprecher Apple Hifi verschwanden schnell wieder. Und auch dem charismatischen Jobs, der in persönlichen Gesprächen bekannte Musikstars für seinen iTunes-Service begeistern konnte, gelang es dann nicht, den Widerstand der amerikanischen Fernsehindustrie gegen einen TV-Service von Apple zu brechen.

Die Technologie-Branche hat sich seit Jobs' Tot aber auch massiv verändert. Und so liegen die aktuellen Innovationen von Apple liegen weniger im Hardware-Bereich, sondern in Software. Der Konzern investiert in maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz, um nicht gegen Google, Amazon und Microsoft ins Hintertreffen zu geraten. Die Siri-Sprachsteuerung ist inzwischen auf allen Geräten verfügbar, die Daten fließen über die iCloud-Server viel nahtloser von Gerät zu Gerät als früher.

Nach Informationen des Finanzdienstes Bloomberg wird inzwischen auch ein vernetzter Lautsprecher getestet, der ähnlich wie die Konkurrenzgeräte Amazon Echo und Google Home eine zentrale Rolle im smarten Zuhause spielen könnte. Apple positioniert sich für eine Zukunft, die erst in einigen Jahren voll greifbar sein könnte. Und seit Anfang 2015 halten sich hartnäckig Gerüchte über ein Apple-Auto. Doch solange kein Apple Car auf der Straße läuft, muss Cook sich immer wieder vorhalten lassen, er habe im Gegensatz zu Jobs kein bahnbrechendes neues Produkt vorstellen können.

Top 5: Apple Tops & Flops
Apple II
Der Apple II ist im Jahr 1977 der erste, für den Mainstream konzipierte Personal Computer und tritt die Nachfolge des Bausatz-Computers Apple I an. Für das Design des Apple II zeichnet Steve Wozniak verantwortlich. Der Apple II lehrt einer ganzen Generation die Grundlagen des Programmierens und definiert den Begriff Personal Computer. Gleichzeitig macht das Produkt klar, dass mit Apple zu rechnen ist. Der Apple II wird bis ins Jahr 1993 produziert.
Macintosh
Als Apple 1984 den Mac einführt, rechnet wohl niemand damit, dass damit eines der langlebigsten Produkte im Apple-Portfolio geboren wird. Der Original-Macintosh ist vor rund 30 Jahren der erste Mainstream-Computer mit einer grafischen Benutzeroberfläche und einer Maus als Eingabegerät.
iPod
Direkt nach seinem Release im Jahr 2001 wird der iPod zum neuen Standard, nach dem sich alle Player in der digitalen Musikbranche ausrichten. Gar nicht mal so schlecht für einen Newcomer. Die Kombination aus iPod und dem digitalen Musikshop iTunes macht den Kauf von Musik so einfach wie nie zuvor. So gelingt es Apple, die Konkurrenz - zum Beispiel Sony - aus dem Stand weit hinter sich zu lassen. Die Popularität des iPod legt zudem den Grundstein für die kommenden Erfolge.
iPhone
Die immense Bedeutung des iPhones für die Tech-Branche ist nicht zu bestreiten. Schließlich revolutionierte das Apple Smartphone den Handy-Markt grundlegend und quasi über Nacht. Nebenbei sorgt das iPhone auch dafür, dass das Web mobil wird. Der durchschlagende Erfolg des iPhone macht es bis heute zum wichtigsten und meistverkauften Apple-Produkt aller Zeiten.
Mac OS X
Die Etablierung von OS X markiert im Jahr 2001 eine bedeutende Wende für Mac-User. Das Betriebssystem legt den Grundstein für inzwischen 15 Jahre Software-Entwicklungsarbeit. Jährliche Software-Updates sollen den Mac stets "up to date" und vor allem vor der Konkurrenz halten. Das Prinzip der kostenlosen Software-Updates wird mit OS X etabliert.
Power Mac G4 Cube
"Aussehen ist ja auch nicht alles" - dachten sich wohl auch die Käufer des Power Mac G4 Cube. Als der Computer im Juli 2000 für rund 1800 Dollar auf den Markt kommt, setzt man bei Apple große Hoffnungen in das Gerät. Nur ein Jahr später holt die Realität den Konzern ein: Der Mac G4 Cube wird wegen zu geringer Verkaufszahlen eingestellt. Abgesehen von seinen technischen Features und den stark limitierten Aufrüst-Möglichkeiten macht der G4 in erster Linie durch Sprünge im Gehäuse von sich reden.
eWorld
Bevor das Internet zum globalen Phänomen wird, gibt es lediglich eine Handvoll Online-Services. Einer davon kommt aus dem Hause Apple, trägt den Namen eWorld und bietet seinen Nutzern im Juni 1994 zum Beispiel E-Mail-Services an. Damit tritt das Unternehmen aus Cupertino in Konkurrenz mit Riesen wie AOL, Microsoft und CompuServe. Trotzdem kann man rund 100.000 Abonennten akquirieren, bevor im Jahr 1996 der Vorhang für die eWorld fällt. Die Nutzer werden nach dem Aus übrigens an AOL weitergereicht.
Newton
Manchmal ist man seiner Zeit einfach zu weit voraus. So ist es auch mit dem Newton. Das war eine frühe Version eines PDA, der eine Vorreiterrolle bei der Handschrifterkennung einnimmt. Das ist aber auch schon der einzige Vorteil: Ein schwacher Akku und ein viel zu hoher Preis lassen das Gerät schnell wieder in der Versenkung verschwinden.

Zugleich drückte Cook Apple seinen Stempel auf, indem er den Konzern bei Themen wie Umweltschutz, Privatsphäre und Gleichberechtigung öffentlich in Stellung brachte. Die Rechenzentren und Apple Stores nutzen erneuerbare Energien, die Kontrollen der Arbeitsbedingungen bei Zulieferern wurden ausgebaut, Apple legte sich vor Gericht mit dem FBI an als der Konzern sich weigerte, das iPhone eines toten Terroristen in Kalifornien aufzuknacken. "Ich bin der Meinung, dass ein Chef von Apple an der nationalen Debatte zu solchen Fragen teilnehmen sollte", sagt Cook. Das alles hatte Produktvisionär Jobs zumindest öffentlich nicht unbedingt als Prioritäten erkennen lassen.

Zuletzt musste allerdings Cook beim Versuch, Apple als politisch korrekten Musterschüler zu positionieren, einen herben Rückschlag hinnehmen: Die Forderung der EU-Kommission an Irland, von Apple über 13 Milliarden Euro Steuern nachzufordern, lässt den iPhone-Hersteller in der Öffentlichkeit als Steuersünder erscheinen, obwohl es im Kern nicht um die Frage geht, ob die in Irland angehäuften Milliardengewinne versteuert werden müssen oder nicht, sondern wo, also in Europa oder bei der Rückführung nach Kalifornien in den USA. (dpa/ad)