Die Idee, einfaches Bezahlen mit dem Handy zu ermöglichen, ist alles andere als neu. Dass es in Deutschland bislang kein flächendeckend erfolgreiches Verfahren gibt, lag bislang nicht zuletzt an der fehlenden Bereitschaft der Hersteller, Mobilfunkprovider und Kreditinstitute, sich auf einen herstellerübergreifenden Lösungsansatz zu einigen. Doch nachdem Google- und Windows- Smartphones bereits die Übertragung mittels Near Field Communication ermöglichen, setzt nun auch Apple auf NFC. Damit ist der Weg frei, dass aus der alten Idee eine echte Alternative zur Geldbörse wird.
Mit der Präsentation des neuen iPhone 6 ist nun offiziell, worüber bereits vor der offiziellen Vorstellung spekuliert worden war: das neueste Modell verfügt über NFC-Technologie zur drahtlosen Datenübertragung und kann somit für entsprechende mobile Bezahlvorgänge genutzt werden. Im Rahmen des neuen Apple Pay kooperiert Apple gleich mit mehreren der weltweit führenden Kreditkartenunternehmen, darunter Visa, MasterCard und American Express. Nutzer können neue Kreditkarten ins Passbook hinzufügen, in dem sie die Karte über das iPhone per Foto integrieren und von einer Bank verifizieren lassen.
Aus Sicherheitsgründen wird für jeden Bezahlvorgang eine einmalige Nummer zur Autorisierung genutzt. Weder die Händler sehen die Kartendetails, noch sind diese auf dem iPhone oder Apple Servern gespeichert. Da keine Kartendetails abgerufen werden können, muss bei Verlust des iPhones nicht die Kreditkarten selbst gesperrt werden, sondern lediglich die Funktion bei Apple. In Shops, die das neue Apple Pay als Bezahlmethode akzeptieren, können Kunden den Bezahlvorgang über Apples Touch ID ganz einfach mit dem eigenen Fingerabdruck bestätigen. Auch über die ebenfalls vorgestellte neue Apple Watch soll es möglich sein, kontaktlos zu bezahlen.
Zu den ersten Läden, die das Bezahlen per iPhone 6 in den USA akzeptieren werden, zählen Starbucks und Disney. Groupon integriert Apple Pay in seine App. Zu weiteren Ländern machte Apple bezüglich Kooperationen und Verfügbarkeit keine konkreten Angaben, außer dass weitere Länder folgen sollen.
Dass der US-Konzern von seiner bisherigen Linie abweicht und nun ebenfalls auf NFC baut, dürfte den Fortschritt des mobilen Bezahlens dennoch weltweit deutlich beschleunigen. Mit Samsung, HTC, LG und Sony setzen wichtige Apple-Konkurrenten schon seit längerer Zeit auf NFC-Übertragung. Gleiches gilt für Visa und MasterCard. MasterCard allein nutzt weltweit bereits mehr als 1,6 Millionen Terminals im Rahmen des hauseigenen Paypass-Systems. Und auch die großen Mobilfunkanbieter wie Vodafone, die Deutsche Telekom oder auch E-Plus über die Tochter Base verwenden bei ihren „Wallet“-Lösungen NFC.
Mittels NFC lassen sich Daten über kurze Distanzen kontaktlos übertragen. Das Prinzip wird auch bei kontaktlosen Plastikkarten eingesetzt, um einen schnellen und bequemen Bezahlvorgang zu ermöglichen. „Beim mobilen Bezahlen über Wallets kommen jedoch noch weitere Vorteile hinzu, denn so können neben der Plastikkarte auch weitere Karten und Funktionen wie Treue-Programme, Mitgliedsausweise oder auch Fahrkarten zentral verwaltet und genutzt werden“, erklärt Rudolf Linsenbarth, Payment-Experte beim Beratungsunternehmen COCUS. „Außerdem lassen sich die einzelnen Transaktionen sowie der aktuelle Kontostand sofort und jederzeit überprüfen“, nennt Linsenbarth einen zusätzlichen Pluspunkt.
Apple setzt auf NFC
Dass jetzt auch Apple mit dem neuen iPhone und Apple Pay nach langem Zögern auf NFC setzt, darf man Linsenbarth zufolge als wegeisend für mobile Payment werten. „Wie jetzt bei NFC war Apple in der Vergangenheit selten der Erste, der neue Technologien eingesetzt hat. Aber sobald Apple einen Trend aufgriffen und sich zu eigen gemacht hat, hatte das fast ausnahmslos einen großen Einfluss auf den Massenmarkt und das Verhalten von Verbrauchern“, bilanziert der Berater. Ob Apple die Möglichkeiten einer Wallet u.a. auch dazu nutzen will, um etwa Hotelgästen zu ermöglichen, über ihr iPhone ihre Zimmertür öffnen können, wurde bei der offiziellen Vorstellung nicht bestätigt – entsprechende Gerüchte gab es im Vorfeld. Andere Branchengrößen setzen auf zusätzliche Annehmlichkeiten, die NFC-basierte Wallets bieten können, um Kunden fürs mobile Bezahlen zu begeistern. Beispielsweise werden Treuekarten integriert.
Wie Vodafone bereits beim Launch von SmartPass mitteilte, sollen Zusatzfunktionen wie Loyalty-Programme zukünftig Teil des Produkts sein. „Schon bald werden wir unsere digitale Geldbörse um eine wichtige Funktion erweitern; dann können unsere Kunden auch erste digitale Kundenkarten in ihrer Vodafone Wallet verwalten“, so Frank Vahldiek, Director Consumer Services & Innovations bei Vodafone Deutschland. Für Vodafone sei dies ein wichtiger Schritt, um das klassische Portemonnaie langfristig durch das intelligente Smartphone abzulösen. Kunden, die mobiles Bezahlen ausprobieren möchten und über ein NFC-fähiges Smartphone verfügen, können eine entsprechende SIM-Karte anfordern. Alternativ bietet Vodafone spezielle NFC-Sticker an, die sich am Handy befestigen lassen. Beim Bezahlprozess muss das Mobiltelefon dann einfach nur in die Nähe des Bezahl-Terminals gehalten werden. Lediglich für höhere Beträge ab 25 Euro ist eine Bestätigung per PIN erforderlich.
Zurzeit gibt es in Deutschland bereits rund 40.000 NFC-Akzeptanzstellen. Dazu zählen neben Kaufhäusern wie Karstadt und Kaufhof auch weitere namhafte Ketten wie Douglas und Thalia oder Tankstellen wie Aral und Star. Mit dem Einlenken von Apple und dem neuen iPhone hat mobiles Bezahlen einen weiteren, wichtigen Impuls bekommen.