Ist der Zug für die deutsche Kreditwirtschaft nun abgefahren? Mit Apple hat sich nun ein weiteres US-Unternehmen in den Markt für mobile Zahlungssysteme eingeschaltet. Apple Pay soll Geldbörse und Plastikkarten ablösen. Weil das Unternehmen aus Cupertino bereits mit dem iPhone, dem iPad oder Diensten wie iTunes bei den Kunden voll ins Schwarze getroffen hat, ist ihm zuzutrauen, dass es auch Mobile Payment in Deutschland aus der Nische herausführt.
Dabei ist Apple beileibe nicht der Pionier in Sachen Mobile Payment. Bereits 2013 demonstrierten andere Mobilfunker - wie unsere Bilderstrecke zeigt - auf dem Mobile Word Congress einen Smartphone-gestützten Ansatz. Und hierzulande präsentierte die Telekom mit MyWallet eine eigene Lösun. Deshalb betrifft die Frage nach den Erfolgsaussichten von Apple Pay nicht nur die Kreditwirtschaft direkt, sondern auch viele andere deutsche Unternehmen, wenn jetzt die Weichen für die Bezahlsysteme der Zukunft gestellt werden.
"Deutsche Banken und Sparkassen waren sich in der Vergangenheit selten einig", skizziert Ulrich Dietz, Vorstandsvorsitzender der Stuttgarter GFT Group, die auf LT-Lösungen für den Finanzsektor spezialisiert ist, den deutschen Markt. Die Folge waren in den Augen von Dietz viele Insellösungen statt einheitlicher Ansätze etwa bei zukunftsweisenden Bezahlsystemen - zum Nachteil der Kunden. Und letztlich hätten sich die Institute selbst benachteiligt, denn aktuell würden sie nicht nur beim Thema Mobile Payment rechts und links überholt.
Deutschland und sein Bargeld
"Warum beispielsweise spielt Bargeld in Deutschland noch solch eine große Rolle?", fragt Dietz weiter, "weil die Deutschen dicke Geldbörsen so lieben? Nein, weil es bislang an attraktiven Alternativen fehlte. Die sind mit Google Wallet und dem NFC-fähigen iPhone 6 nun da." Dietz ist denn auch überzeugt, dass es keine Frage ist, ob sich das kontaktlose Bezahlen auch in Deutschland durchsetzen wird, sondern nur eine Frage der Geschwindigkeit. Allerdings sei es für Geschäftsbanken, Sparkassen und Genossenschaftsbanken noch nicht zu spät: "Sie müssen sich jetzt als starke Einheit aufstellen und so die weitere Entwicklung als Partner von Apple und Co. mitgestalten. Mit Einzellösungen haben sie gegen die Marktmacht von Apple und Google keine Chance", so Dietz.
Auf Basis der hauseigenen Studie "Will Smartphones replace bank branches?" hat man bei GFT Apples Chancen in Sachen Mobile Payment sowie die Auswirkungen auf die deutschen Banken bewertet.
Erfolgsfaktoren für Apple Pay
Auf Grundlage ihrer Analyse stellen die IT-Dienstleister folgende Thesen auf, die in ihren Augen für Apples Markterfolg sprechen:
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Apple weiß, wie man neue Produkte und Dienste begehrenswert macht. Das Unternehmen hat schon mehrfach gezeigt, wie Kundenbedürfnisse geweckt und so das Verhalten ganzer Gesellschaften verändert werden kann.
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Apple hat bereits oft das Gespür für den richtigen Zeitpunkt zum Eintritt in neue Märkte bewiesen und bleibt auch beim Mobile Payment seinem Erfolgsrezept treu, bewährte Technologien und Funktionalitäten intelligent zu mischen: Der NFC-Chip ist keine Innovation - in Kombination mit dem Fingerabdrucksensor, dem Sicherheitschip Secure Element und dem Versprechen, keine Daten bei Bezahlvorgängen zu sammeln, hat das Unternehmen mit Apple Pay aber ein Komfortpaket geschnürt, das für Verbraucher sehr verlockend klingt.
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Hinzu kommen Kooperationen mit Visa, Mastercard und American Express sowie Banken und großen Handelsketten in den USA. Diese Partnerschaften sind enorm wichtig. Was bringt der größte Komfort, wenn niemand eine Zahlung mit dem iPhone 6 akzeptiert?
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GFT hat in früheren Stellungnahmen bereits darauf hingewiesen, dass PIN- und TAN-Lösungen im Mobile Payment auf Dauer keine Chance haben und durch biometrische Verfahren abgelöst werden. Dieser Schritt steht nun unmittelbar bevor. Der Fingerabdruck-Scan wird zum vorherrschenden Verfahren. Spracherkennung wird an Bedeutung gewinnen. Der Iris-Scan bleibt vorerst auf Spezialanwendungen beschränkt.
Was gegen Apple spricht
Auf der anderen Seite gibt es auch etliche Punkte, die wohl Apples Markterfolg erschweren werden.
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So wird sich Apple ernster Konkurrenz erwehren müssen. Google hat mit Google Wallet deutlich früher Ambitionen im Mobile-Payment-Markt angemeldet. Es ist zu erwarten, dass Google nun auch mit biometrischen Lösungen rasch nachzieht. Das ist zwar schlecht für Apple, dieser Wettbewerb wird allerdings die Verbreitung von Mobile Payment insgesamt beschleunigen.
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Apple kooperiert mit Visa, Mastercard und American Express und setzt auf das bestehende Kreditkarten-System. In Deutschland ist die Kreditkartennutzung aber gering. 101 Millionen ausgegebene Girokarten stehen in Deutschland 22 Millionen Kreditkarten gegenüber, so ‚Die deutsche Kreditwirtschaft‘ (Interessenvertretung der fünf kreditwirtschaftlichen Spitzenverbände). Nur 5,4 Prozent der Zahlungen im deutschen Einzelhandel erfolgten 2013 laut dem EHI Retail Institute mit Kreditkarten, die Girokarte ist mit 36 Prozent weitaus populärer.
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In Deutschland besteht ein starkes Bedürfnis an Datenschutz. Deutsche Banken genießen in dieser Hinsicht deutlich mehr Vertrauen bei den Verbrauchern als US-Konzerne - trotz des Versprechens von Apple, keine Transaktionsdaten sammeln zu wollen.
Handlungsoptionen der deutschen Kreditwirtschaft
Für die deutsche Kreditwirtschaft ergeben sich aus obiger Analyse nach Ansicht von GFT nun mehrere Handlungsoptionen, um auf das Vorpreschen von Apple zu reagieren:
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Mit der Markteinführung des iPhone 6 und Apple Pay muss die gesamte deutsche Kreditwirtschaft ihre Positionen zu Mobile Payment auf den Prüfstand stellen.
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Die deutsche Kreditwirtschaft muss sich entscheiden, ob sie Apple und Google als Konkurrenten auf dem Markt für mobile Zahlungssysteme sieht oder auch Kooperationen als möglich erachtet. In den USA geht der Trend klar in Richtung Kooperation. Neben den großen Kreditkartenunternehmen sind auch JP Morgan Chase, Citigroup, Capital One und Bank of America sowie verschiedene große Handelsketten bei der Apple-Lösung mit an Bord, weitere werden bald folgen. Schon zur Einführung kann Apple Pay an 220.000 Akzeptanzstellen genutzt werden. Zum Vergleich: In Deutschland gibt es aktuell gerade einmal 40.000 NFC-fähige Point of Sales (PoS).
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Für die deutsche Kreditwirtschaft öffnet sich jetzt ein Zeitfenster, das Girokartensystem als Basis für deutsches Mobile Payment in Kooperation mit Apple, Google und anderen zu platzieren. Apple hat sich nicht dazu geäußert, wann Apple Pay in Deutschland verfügbar sein wird. Das Unternehmen wird die Zeit aber nutzen, um auch hierzulande starke Partner zu gewinnen.
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Eine solche Kooperation setzt ein gemeinsames Vorgehen der gesamten deutschen Kreditwirtschaft voraus. Geschäftsbanken, Sparkassen oder Genossenschaftsbanken sind mit ihren Insellösungen allein für Apple und Google nicht attraktiv genug.
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Eine Kooperation mit Apple und/oder Google muss keineswegs bedeuten, dass die deutschen Banken eigene Entwicklungen für das Mobile Payment einstellen. Aber auch hier muss ein gemeinsamer Standard für die gesamte deutsche Kreditwirtschaft das Ziel sein.
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Neben einer Lösung für den Massenmarkt kann sich die deutsche Kreditwirtschaft beispielsweise mit Speziallösungen für besondere Sicherheitsbedürfnisse positionieren. Wird beispielsweise die NFC-Smartphone-Lösung mit einem separaten TAN-Generator gekoppelt, sind Man-in-the-Middle-Attacken ausgeschlossen.
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Die deutschen Banken sollten sich nicht nur auf Technologien konzentrieren, sondern Alleinstellungsmerkmale und Innovationen in ihrem eigenen Kompetenzbereich identifizieren. So könnte beispielsweise das Mobile Payment ein Bestandteil des sogenannten Personal Finance Management werden, das die finanzielle Situation der Kunden ganzheitlich angeht.
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Das deutsche Kreditgewerbe kann einen gemeinsamen Standard für das Mobile Payment auf Smartphones zum Startschuss für eine Denkfabrik nutzen, die weitere zukunftsweisende Mobile-Payment-Lösungen andenkt. NFC-Chips und Bedienelemente könnten auch in Wearables - zum Beispiel Uhren oder Datenbrillen - integriert werden.
Fazit
Der Zug ist für die deutsche Kreditwirtschaft in Sachen Mobile Payment noch nicht abgefahren - er kommt aber jetzt ins Rollen und wird schnell Fahrt aufnehmen. Apple, Google & Co. heizen mit ihrer Marktmacht die Veränderung bei den Bezahlsystemen nachhaltig an. Banken und Sparkassen müssen sich als Einheit positionieren, um die Richtung des Zuges mitbestimmen zu können. Die Voraussetzungen, ein wichtiger Spieler in der anstehenden Neuordnung zu sein, sind für die deutsche Kreditwirtschaft wegen des etablierten Girokartensystems zweifelsohne vorhanden. Sie muss aber jetzt handeln und Entscheidungen treffen, um lukrative Geschäftsfelder noch rechtzeitig selbst besetzen zu können.