Zwischen Ende November 2011 und Anfang Januar 2012 hat sich die Zahl von erwachsenen Tablet-Besitzern in den USA nahezu verdoppelt. Das hat eine Umfrage des "Pew Internet & American Life Projects" ergeben. Damit stieg der Anteil von Tablet-Besitzern an der Gesamtbevölkerung von zehn auf 19 Prozent an. Dazu kommt ein ebenfalls signifikanter Anstieg bei den sogenannten E-Readern wie dem Kindle von Amazon oder dem Sony eBook.
Apple wird mit seinem iPad diesen Markt auch weiter dominieren, schätzt das US-Beratungs- Analystenhaus Saugatuck Technology. Der Marktanteil werde bis Ende des Jahres voraussichtlich noch immer über 60 Prozent liegen und sich auch nicht spürbar verringern.
Saugatuck-Analyst Alex Bakker glaubt dennoch, dass es 2012 einen Wendepunkt im Tablet-Markt geben wird, an dem die nächsten Entwicklungsschritte sichtbar werden. Verantwortlich dafür ist offenbar wieder Apple: "Das iPad 3 wird kommen", schreibt Bakker. Spekulanten rechnen mit einer Veröffentlichung schon im März dieses Jahres. Bakker vermutet, dass Apple vor allem an den Fähigkeiten für Business- und Unternehmensanwendungen schrauben wird, ohne im Detail auszuführen, was er damit meint.
RIM wird nur wenig zur Wende beitragen
RIM, kürzlich mit neuem, deutschen Chef "reloaded", wird zu dieser Trendwende auch ein wenig beitragen: Es steht das lange überfällige Update für das beim ersten Mal grandios gescheiterte Playbook bevor. Dann wird das RIM-Tablet auch E-Mail und Kalenderfunktionen bieten - immerhin.
Und auch Microsoft war nicht untätig. Der Saugatuck-Analyst rechnet im Gegenteil damit, dass es schon bald ein Tablet mit Windows 8 geben werde, mit dem Microsoft es schafft, Enterprise- und SMB-Anwendungen mit dem mobilen Markt zu verzahnen.
Android: zu viele Varianten
Wachsender Beliebtheit werden sich auch E-Reader wie Kindle und Nook erfreuen. Auf Anwender im Business hat das allerdings kaum Auswirkung, weil es sich um reine Consumer-Geräte ohne Business-Funktionen handelt. Auch Android werde es weiter geben, schreibt der Analyst. Allerdings sagt er dem freien Betriebssystem Schwierigkeiten voraus: Zu viele Varianten und mangelnde Kontrolle der Hardware-Spezifikationen stünden einem durchschlagenden Erfolg im Weg.
Der Grund für die anhaltende Apple-Dominanz sieht der Analyst im sehr spät gestarteten Wettbewerb im Tablet-Markt. Apple habe mit dem iPad so starke Duftmarken bei Design, Betriebssystem und Herstellung gesetzt, dass andere nicht mithalten konnten. Viele Anbieter hätten eher reflexartig, als erfolgreich Alternativen auf den Markt geworfen, um an Apples Erfolg anknüpfen zu können.
Auch wenn ein vielfältiger Markt immer gut für die Kunden ist, weil es Preise drückt und das Angebot erweitert: Ein echtes Bedürfnis bei Konsumenten und Business-Kunden hätten die Apple-Alternativen ebenfalls nicht befriedigt, konstatiert Bakker.
Wie man es nicht macht: HP TouchPad und RIM Playbook
Stattdessen habe die schwierige Marktsituation gegen Apple dazu geführt, dass eine Reihe von inkompletten und unpopulären Geräten auf den Markt geworfen worden seien. Bakker nennt das nur wenige Wochen nach der Markteinführung ebenfalls grandios gescheiterte TouchPad von HP sowie RIMs Playbook als Beispiel, das beim Start nicht einmal die wichtigsten Basisfunktionen vorweisen konnte.
Der zweite erfolgskritische Faktor bei Apple - besonders in dem an Bedeutung stetig zunehmenden Consumer-Markt - sei das weit entwickelte Ökosystem von Content und Apps, das Apple quasi erfunden und eingeführt hat. Die iTunes/App Store-Plattform des Marktführers, die Apple mittlerweile nicht nur für iPad und iPhone, sondern auch für seine Computer bietet, biete einen sehr einfachen Zugang zu modernen Anwendungen aller Art, schreibt Alex Bakker.
Zahl der Business-Apps für iPads steigt
Entgegen den ersten Prognosen, dass sich das iPad vor allem zum Konsum von Medieninhalten eigne, habe die Plattform kreative Programmierer aus der ganzen Welt ermutigt, Anwendungen sowohl fürs Business als auch für private Nutzer zu entwickeln.
Mittlerweile haben auch andere dieses Modell für sich entdeckt. Amazon und Barnes&Noble könnten mit ihren E-Readern auf immerhin zwei Fronten durchaus mit Apple konkurrieren, schreibt der Analyst von Saugatuck: beim Preis und bei den Inhalten.
Die Kritik des Saugatuck-Analysten an Android schlägt sich auch in den Absatzerwartungen nieder: Alle von Saugatuck vernommenen Zeichen deuteten darauf hin, dass Android-Tablets in den Unternehmen weiter deutlich hinter Apple liegen würden. Zwar gebe es relativ viele Anbieter solcher Android-Tablets. Allerdings seien viele davon angesichts der niedrigen Einzelstückzahlen in den Unternehmen längst wieder vom Markt verschwunden.
HP, RIM, Dell - keine Konkurrenz für Apple
HP, RIM, Dell: Alle wären in der Lage gewesen, Apple bei den Tablets die Stirn zu bieten, meint Saugatuck-Analyst Bakker. Aber alle hätten stattdessen enttäuschende Zahlen eingefahren. Der Grund: Weder bei der Usability noch bei der Software oder bei den Inhalten konnten die Mitbewerber irgendwelche Unterschiede geltend machen. Mehr als ein "Me-too"-Produkt sei dabei nicht drin gewesen. Das Ergebnis: Niemand dieser drei Anbieter konnte genug Entwickler und Content Provider für ihre Geräte gewinnen, um Apple gefährden zu können.
Dennoch werde das Jahr 2012 mehr Vielfalt im Markt bieten als früher, weil Apple und Amazon beide an der Weiterentwicklung ihrer Ökosysteme aus Anwendungen und Inhalt arbeiten. Das iPad 3 werde wieder technische Maßstäbe für High-End-Tablets anderer Hersteller setzen, schätzt Bakker unverdrossen.
Zweifel an RIM - Überraschung Microsoft
Am Erfolg von RIM zweifelt der Analyst dagegen: Es werde keine signifikant höheren Verkaufszahlen geben. Die wiederholten Verzögerungen bei den Soft- und Hardware-Releases hätten das Vertrauen in die eigene Entwicklergemeinschaft herabgesetzt. Der Gipfel des Misstrauens: Das neue OS für Tablets bewirbt RIM unter anderem damit, dass es in der Lage sei, Android-Apps laufen zu lassen. Mittlerweile ist der Vorsprung von iOS und Android weiter angewachsen, so dass auch eine Umkehr von dieser Haltung keinen Erfolg garantieren würde. Zudem müsse RIM gegen die insgesamt schrumpfende Bedeutung des Unternehmens im Firmenmarkt ankämpfen. RIM sei erfolgreich gewesen, weil man es den IT-Abteilungen leicht gemacht habe, die Blackberrys zu administrieren. Mittlerweile böten aber auch Lösungsanbieter für Android- und iOS-Geräte ähnliche Funktionalitäten an.
Schließlich mache das Aufkommen von SaaS aus der Cloud eine ausschließlich auf Blackberry-Technologie beruhende mobile Infrastruktur immer unattraktiver. Über SaaS sei eine "Geräte-agnostische" Verwaltung möglich, so Alex Bakker.
Die größte Überraschung: Microsoft
Die größte Überraschung des Jahres traut der Analyst Microsoft mit Windows 8-Tablets zu. Wenn Microsoft in der Lage ist, ein Betriebssystem zu präsentieren, dass auch auf Geräten mit wenig Strom läuft, gleichzeitig aber kompatibel mit anderen Windows-Systemen und -Anwendungen ist, dann könne Microsoft das erste Unternehmen sein, dass ein eigenes Ökosystem für Inhalte und Anwendungen seiner mobilen Geräte gar nicht benötigt. Es gibt ja schon ein seit Jahrzehnten erprobtes System von Anwendungen, die dann auch auf mobilen Endgeräten laufen würden. Bakker zitiert in diesem Zusammenhang die seinerzeit engagiert vorgetragenen Worte des Microsoft-Chefs Steve Ballmer: "Developers! Developers! Developers!"
Solange die vielen Entwickler auch weiter Microsoft die Stange halten, sei es möglich, dass die Windows-Company tatsächlich auch in den Unternehmen mehr als nur einen Fuß in die Tür setzen könnte. Für den Erfolg von Microsoft könnte auch das Versprechen stehen, über alle unterschiedlichen Gerätegattungen (Desktop, Laptop, Smartphone und Tablet) ein Betriebssystem anzubieten.