Die Herausforderungen an Finanzdienstleister in Deutschland sind hoch und führen die bestehenden IT-Landschaften oft an ihre Grenzen. Immer flexibler, kosteneffizienter und innovativer müssen Banken und Versicherungen arbeiten und sind daher stark von einer funktionierenden IT abhängig.
Fast jedes zweite Banken- oder Versicherungsunternehmen setzt bereits auf externe Dienstleister, wenn es um die Pflege, Weiterentwicklung und den Betrieb von Anwendungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette geht (Application Lifecycle Services). Das zeigt eine neue Studie der Beratungsunternehmen Capgemini und IDC.
Die drei wichtigsten geschäftlichen Herausforderungen in den nächsten 12 bis 24 Monaten sind für 56 Prozent der befragten Banken und Versicherungen Kostensenkungen. Es folgen "Wachstum vorantreiben" (42 Prozent), Harmonisierung von Geschäftsprozessen (38 Prozent) und Optimierung des Vertriebs (35 Prozent). Auch die IT-Abteilungen sollen einen immer größeren Beitrag zum Geschäftserfolg leisten. Dabei stehen die vielfach veralteten Anwendungslandschaften häufig grundlegenden Umstrukturierungen im Wege.
Begegnen wollen die Unternehmen diesen Herausforderungen zu 51 Prozent mit einer IT-gestützten Optimierung und Automatisierung von Geschäftsprozessen. Aber auch die Senkung der IT-Kosten (44 Prozent) und die schnellere Umsetzung von neuen Anforderungen der Geschäftsbereiche (43 Prozent) sowie die Konsolidierung der IT-Landschaft (40 Prozent) spielen eine wichtige Rolle im strategischen Gesamtkonzept.
Als wichtiger Lösungsansatz wird der Einsatz von externen ALS-Providern gesehen. "Professionelle ALS-Dienstleister können die IT-Landschaft konsolidieren, modernisieren und pflegen sowie Geschäftsprozesse für die Finanzinstitute optimieren und wettbewerbsrelevante Innovationen entwickeln", erläutert Matthias Kraus, Research Analyst bei IDC, bei der Vorstellung der Ergebnisse Anfang Oktober auf dem Capgemini Kundenforum in Kloster Eberbach/Rheingau.
Was sich fast zu schön anhört, um wahr zu sein, ist für 43 Prozent der in der Studie befragten Unternehmen bereits Realität. Sie nutzen Application Lifecycle Services, weitere 8 Prozent planen eine Einführung oder arbeiten bereits daran. Andererseits hat sich circa ein Drittel der IT-Verantwortlichen bisher noch gar nicht mit dem Thema beschäftigt.
ALS in Konto- und Zahlungsverkehr verbreitet
Zu den Bereichen, in denen Banker heute Als nutzen oder sich einen Einsatz in naher Zukunft vorstellen können, gehört an erster Stelle der Konto- und Zahlungsverkehr mit insgesamt 66 Prozent. Ebenfalls interessant sind die Dienstleistungen für das Wertpapiergeschäft. Für 41 Prozent sind ALS hier bereits heute einsetzbar, für weitere 15 Prozent auch in naher Zukunft.
Das größte Potenzial für den Einsatz "in naher Zukunft" sehen Banken in Portalen (Direktgeschäft) sowie im Kundenmanagement, also CRM-Applikationen. "Vorerst nicht" in Betracht kommen die Bereiche Risikomanagement und Kreditgeschäft.
Versicherungen zeigen sich der Studie zufolge deutlich zurückhaltender. Sie sehen den Einsatz von ALS am ehesten in den Bereichen Human Resources und in der Kooperation mit Partnern.
Potenzial für Auslagerung von Applikationen
Outsourcing ist kein neues Thema für Finanzdienstleister. Externe Dienstleister werden insbesondere in Anspruch genommen im Betrieb von Rechenzentren, in der Sprach- und Datenkommunikation sowie bei Applikationen für Core-Prozesse (Bank-/Versicherungsanwendungen). Doch noch ist Potenzial insbesondere für die Auslagerung von Applikationen an externe Dienstleister: 40,9 Prozent der ALS-erfahrenen Studienteilnehmer lagern weniger als 20 Prozent ihrer Anwendungen aus. Bei 22,7 Prozent der Befragten sind es zwischen 21 und 50 Prozent.
Mit ALS Anwendungslandschaften modernisieren und standardisieren
Neben Kostensenkungen, der Entlastung der IT-Ressourcen und einer höheren Service-Level-Verfügbarkeit sind vor allem die Modernisierung und Standardisierung der Applikationslandschaft wichtige Gründe für den Einsatz von ALS.
Tatsächlich steuern 80 Prozent der befragten Banken und Versicherungen nach eigenen Angaben ihre IT eher zentral, so dass die einzelnen Geschäftsbereiche kaum Spielraum für eigene IT-Entscheidungen haben. Der Einsatz von Standard- und Individual-Applikationen hält sich dabei die Waage.
Als besonders wichtig schätzen die befragten Entscheider folgende Elemente von ALS ein: Release and Change Management erhält 1,7 Punkte (auf einer Skala von 1 bis 4, 1=sehr wichtig), Applikationsbetrieb/Hosting 1,9 sowie Testmanagement 2,0 Punkte. Die einzelnen Bewertungen lagen bei dieser Frage insgesamt relativ eng zusammen. Dieses Ergebnis bestätige den ganzheitlichen Ansatz von ALS, sagte IDC Research Analyst Kraus. Keiner der einzelnen Bausteine von ALS dürfe vernachlässigt werden.
Vorbehalte gegen Outsourcing und Outtasking
Allerdings gibt es auch Bedenken gegen die Nutzung von Application Lifecycle Services. Sie ähneln den auch immer wieder geäußerten Argumenten gegen Outsourcing allgemein. Das Know-how solle im Haus bleiben, geben 50 Prozent der Befragten an. Die Gefahr der Abhängigkeit vom Dienstleister sehen 47 Prozent als besorgniserregend. Die Applikationen seien insgesamt zu individuell programmiert, um sie auslagern zu können, sagen 37 Prozent. Sieben Prozent geben gar an, dass Outsourcing und Outtasking der IT-Strategie des Hauses widersprechen.
"Hier müssen wir noch viel Aufklärungsarbeit leisten", erklärt Dr. Olaf-Rüdiger Hasse, Leiter Application Lifecycle Services bei Capgemini in Deutschland. "Es gibt durchaus messbare Kriterien für ALS, die die Zusammenarbeit zwischen Auftraggeber und Dienstleister optimieren sowie den geschäftlichen Mehrwert deutlicher aufzeigen."
Interessant ist auch, dass ein gutes Fünftel der Befragten in der Einführung von ALS auch die Chance sieht, dem wachsenden Fachkräftemangel zu begegnen. Durch die Auslagerung der anwendungsbezogenen Dienstleistungen sehen sie die Möglichkeit, Top-Fachkräfte mit speziellen Skills und aktuellem Know-how einzubinden. Denn immer kürzere Innovationszyklen erfordern zunehmend spezialisierte personelle Ressourcen. Die - kostspielige - Vorhaltung dieser Fachkräfte im eigenen Haus entfällt somit.
ALS-Erfolg messen
Bleibt die Frage, wie der Erfolg von Application Lifecycle Services gemessen werden kann? Die Studienteilnehmer sehen dies so: Für 57 Prozent hat die regelmäßige Überprüfung der Erfüllung von Service Level Agreements (SLAs) Priorität. Erzielte Kostensenkungen folgen mit 37 Prozent der Antworten auf Platz zwei. Als weitere Kriterien werden die Umsetzungsgeschwindigkeit der Anforderungen genannt (32 Prozent) sowie die Erfüllung von Compliance-Anforderungen und anderen gesetzlichen Vorgaben (30 Prozent).
"Bisher messen Banken und Versicherungen den Erfolg von ALS vor allem anhand typischer IT-Kennzahlen wie Service-Level-Vereinbarungen oder erzielten Kostensenkungen", erklärt ALS-Experte Hasse. "Die tatsächlichen Durchlaufzeiten von Geschäftsprozessen werden hingegen erst von einem Fünftel der Banken erfasst. Wenn die Unternehmen ALS-Provider künftig bereits im Vorfeld der Prozessentwicklung einbeziehen und ihnen die Verantwortung End-to-end statt für einzelne Bausteine übergeben, können die Vorteile von ALS voll ausgeschöpft werden. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass das Vertrauen in die Dienstleister steigt."
Worauf Sie bei der Auswahl eines ALS-Anbieters achten sollten
Bei der Auswahl eines Dienstleisters für Application Lifecycle Services sollten Unternehmen aus Sicht von IDC darauf achten, dass dieser Branchen-Know-how, eine Gesamtlösungskompetenz und Erfahrung in der Prozessoptimierung nachweisen kann.
Zum Pflicht-Portefeuille eines ALS-Dienstleisters gehörten Implementierungs-/Integrations-Know-how, Know how und Erfahrung im Bereich Customizing sowie Kompetenz bei der Modernisierung und Konsolidierung von Applikationslandschaften.
Angebote für den Betrieb und das Hosting von Applikation sowie Hosting oder Cloud Services spielen bislang weder auf Angebots- noch auf Nachfrageseite eine Rolle.
Die komplette ALS-Branchen-Studie 2011 können Sie hier downloaden:
Weiterführende Informationen: