Das Fraunhofer-Institut Fokus hat zusammen mit der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement eine Konferenz über Software für die Kindertagesbetreuung organisiert. CIO.de fragte, was dabei herausgekommen ist.
Seit Herbst 2008 gilt die gesetzliche Regelung für einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab Vollendung des ersten Lebensjahres. Die Kommunen müssen die Einhaltung sicherstellen. Sowohl für die Suche als auch für die Vergabe und Verwaltung von Plätzen für eine Kindertagesbetreuung (Kita) gibt es IT-Anwendungen.
CIO.de: Sie haben gerade die Veranstaltung "Von IT-Fachverfahren zu Kita-Apps" durchgeführt. Wie kam Fraunhofer FOKUS dazu?
Lutz Nentwig: Seit vielen Jahren unterstützen wir Verwaltungen bei der Einführung von IT-Fachverfahren und der Modernisierung im Bereich Jugendwesen und Bildung. Wir haben schon verschiedene Kommunen beraten und hatten gemeinsam mit der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt) die Idee, die Community zum Austausch zusammen zu holen. Bisher gab es dafür keinen Raum.
Holger Kurrek: Jedes Bundesland muss diese Probleme für sich lösen. Der Bund setzt nur die Rahmenbedingungen, die Umsetzung ist Ländersache. Die Länder können die Aufgabe an die Landkreise oder Kommunen delegieren.
CIO.de: Wie viele Städte und Gemeinden setzen denn Programme für die Vergabe und Verwaltung der Kindergartenplätze ein?
Holger Kurrek: Das war ein Grund, diese Veranstaltung durchzuführen. So eine Übersicht ist schwierig, da die Aufgaben so unterschiedlich sind. Wir hatten bei der Veranstaltung eine Lösung für ein komplettes Bundesland, Mecklenburg-Vorpommern, dabei. Wir hatten Lösungen für Landkreise und Lösungen von einzelnen Kommunen.
Eltern aus dem Umland in Metropolregionen überlegen, ob sie ihren Kitaplatz am Arbeits- oder am Wohnort suchen. Da gibt es dann Probleme mit der Zuständigkeit, die Eltern suchen lange. Das kann man auch mit Software nicht grundsätzlich lösen. Das ist ein organisatorisches Problem. Ehe man eine IT-Lösung einführen kann, müssen zu Beginn die Geschäftsprozesse abgestimmt werden.
Komplexe Prozesse und private Kitas
CIO.de: Da liegt vieles im Argen?
Holger Kurrek: Das sind komplexe Prozesse, weil viele Kitas privatisiert sind, die Kommune kann nur mittelbar steuernd eingreifen. Die Leistungserbringung erfolgt durch die Kitas von öffentlichen oder privaten Trägern. Das Land muss genügend Plätze sichern, in dem es die Träger ermutigt, Kitas aufzubauen.
Lutz Nentwig: Wir unterstützen die Kommunen bei der Aufnahme der Geschäftsprozesse und leiten daraus die technischen Anforderungen ab und wie man mit IT diese Prozesse zwischen Eltern, Trägern, Verwaltung und Jugendamt unterstützen kann.
CIO.de: Wie viele Anbieter kamen denn zu der Veranstaltung?
Lutz Nentwig: Wir wollten keine Vertriebsveranstaltung machen, sondern Erfahrungen aus den Kommunen sammeln. Die Kommunen haben entweder ein Produkt eingesetzt, sie arbeiten mit einem kommunalen IT-Dienstleister mit einer Eigenentwicklung zusammen oder sie lassen entwickeln. Wir hatten Anfragen von zehn Herstellern, sieben verschiedene Lösungen wurden präsentiert. Es gibt eine große Vielfalt in diesem Bereich. Die Lösungen unterscheiden sich sehr stark voneinander.
CIO.de: Gibt es Empfehlungen von Ihrer Seite?
Holger Kurrek: Es gilt, den Geschäftsprozess aufgrund des rechtlichen Rahmens zu analysieren und zu optimieren. Wichtig ist, sich mit den Trägern abzustimmen, der Datenaustausch zwischen Trägern und der Kommune muss funktionieren. Es muss ein Informationsportal für die Eltern geben.
Trotz Apps bleibt das persönliche Gespräch
Lutz Nentwig: Man braucht eine hochwertige Suche nach Kitaplätzen. Wo ist welche Kita, welche besondere Ausrichtung hat sie, welche Gruppengröße, wie viele Erzieher gibt es, wie weit ist der Weg zur Kita? Und es sollte die Möglichkeit zur Kontaktaufnahme geben. Die Kitas wollen ein persönliches Gespräch mit den Eltern und dem Kind, um zu prüfen, ob das Kind auch in die vorhandenen Gruppen und zum Erziehungskonzept passt. Man kann also sein Kind nicht mit einem Klick in einer Kita anmelden.
Holger Kurrek: Die Kosten und der Anteil der Eltern müssen bestimmt werden, die Eltern können dann über die Software den Vertrag abschließen. Wichtig ist, dass die Kitas erfahren, wenn sich Eltern bei mehreren Kitas angemeldet haben und woanders den Vertrag abschließen, um blockierte Plätze durch Dubletten zu verhindern. Das Erkennen von Mehrfachanmeldungen ist für die Planung der Kommunen wichtig. So gibt es planungssichere Daten.
CIO.de: Schaffen sich immer mehr Kommunen Kita-Software an?
Lutz Nentwig: Ja. Und der Trend geht zum One-Stop-Government. Ich brauche einen zentralen Zugangspunkt, ein Portal. Im Moment gibt es viele verschiedene Angebote. Das muss alles zusammen geführt werden, damit die Eltern suchen können. Dahinter müssen die Vormerkprozesse kommen, bis hin zur endgültigen Anmeldung und zur Vertragsregistrierung.
CIO.de: Wem helfen Sie als Fraunhofer FOKUS?
Holger Kurrek: Sowohl den Kommunen, Landkreisen, Bundesländern als auch den Herstellern der Software. Wir forschen zurzeit vor allem an der Vernetzung der Systeme - auch über Ländergrenzen hinweg. Das ist gerade in Metropolregionen wichtig. Die Daten müssen beim Austausch besonders geschützt werden. Wir helfen bei der Optimierung der Anwendungsfälle, bei der Architekturplanung und der Konzeption der Systeme einschließlich der verschiedenen Schnittstellen.
CIO.de: Können Sie einzelne Kommunen hervorheben?
Holger Kurrek: Das ist schwierig, der Überblick war interessant. Die Kollegen im Kreis Lippe haben sich sehr auf die Elternbeiträge konzentriert und diese über einen Portal-Ansatz ins E-Government integriert. Die Kollegen aus Düsseldorf und Aachen hatten ihren Schwerpunkt auf der Kita-Vormerkung. Da konnte man schön sehen, wie die Zusammenarbeit mit den Trägern organsiert werden kann.
Einen ganz anderen Ansatz hat Mecklenburg-Vorpommern. Da soll es eine zentrale, landesweite Lösung geben. Dort gibt es viele kleine Kommunen, die dadurch unterstützt werden sollen. In Berlin gibt es die Zweistufigkeit vom Land und den Bezirken. Hier gibt es einen Kita-Gutschein, der den staatlichen Zuschuss zum Kitaplatz regelt. Aber, man kann zusammenfassend sagen, alle diese Kommunen, die bei uns waren, sind ganz vorne mit dabei.