Apps scheinen der neue Standard zu werden, nicht nur, aber vor allem auf mobilen Endgeräten. Apple hat jüngst auch für seine Bürorechner iMac und für seine portablen Macbooks einen App-Store gestartet, über den immer mehr Anwendungen für Mac OS X vertrieben werden.
In diesem Jahr, prognostizieren die Analysten von Gartner, werden etwa 17,7 Milliarden Apps heruntergeladen und irgendwo auf der Welt auf irgendein mobiles Endgerät installiert werden. Das sind alleine schon mal 117 Prozent im Vergleich zu den Vorjahreszahlen, und sowohl die absoluten wie die relativen Werte beeindrucken angesichts entweder stagnierender oder allenfalls leicht steigender Verkaufszahlen anderswo in der IT. Eindruck macht auch eine weitere Schätzung: Bis 2014, so Gartner, werden insgesamt 185 Milliarden mobile Anwendungen verkauft worden sein. "Die App-Party", jubelt das Nachrichtenportal Areamobile, "ist also noch lange nicht zu Ende".
Dafür spricht auch eine Untersuchung von Kelton Research im Auftrag von Sybase von Anfang des Jahres. Demnach wollen gleich 90 Prozent der 250 befragten Manager noch in diesem Jahr neue mobile Applikationen implementieren. Knapp die Hälfte (44 Prozent) gehen von einer Zahl zwischen fünf und 19 Apps aus, die auf die mobilen Endgeräte ihrer Mitarbeiter wandern. Jeder Fünfte wird eigenem Bekunden zufolge gar 20 oder mehr Anwendungen einführen.
Aber kaum geht die Party richtig los, respektive weiter, mehren sich Stimmen, die den Partygästen ein wenig die gute Laune verderben könnten. So zitiert etwa der Blogger Gunnarsohn einen Geschäftsführer namens Björn Behrendt mit den Worten "Der App-Hype ist bald vorbei. Das Blatt wird sich in Richtung browserbasierter Anwendungen wenden." Diese kritische Stimme muss allerdings außer Konkurrenz gewertet werden, denn sie stammt aus einer Zeit, in der es überhaupt noch keinen richtigen Hype gab, aus dem Mai 2010.
Aktuell ist eine andere Stimme: Frank Heuer, Analyst der Experton-Group, macht sich im Gespräch mit CIO.de Gedanken darüber, ob browser-basierte Anwendungen den proprietären Apps demnächst den Garaus machen. Zu einer eindeutigen Antwort kann er sich indes nicht durchringen, auch wenn Web-Apps leicht im Vorteil zu sein scheinen.
Vor- und Nachteile auf beiden Seiten
"Jede Art von Plattform - ob Cloud oder App - hat ihre Stärken und Schwächen", meint Heuer sybillinisch. Wenn man nicht auf ein Backend im Rechenzentrum oder der Cloud zugreifen müsse, um arbeiten zu können, dann seien Apps im Vorteil, weil sie nicht von einer Internetanbindung abhängig sind. Verbindungsabbrüche oder mangelnde Verfügbarkeit und Performance von Internetverbindungen etwa im ländlichen Raum oder bei Bahnfahrten und Flügen seien dann kein Problem.
Andererseits sind browserbasierte Anwendungen immer dann vorne, wenn Datenaustausch und Kommunikation für die Arbeit nötig sind. Zudem ist auch die Entwicklung von webbasierten Applikationen einfacher, denn man muss sie nicht für sieben oder acht verschiedene Plattformen anfertigen, sondern nur für eine. Das Vorhalten von Anwendungsintelligenz im Rechenzentrum hat einen weiteren Vorteil: Pflege, Wartung und das Update dieser Applikationen ist sehr viel einfacher.
Mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede
Zudem sprechen auch Sicherheitsaspekte vordergründig für die Browser-Variante: Verlorene oder gestohlene Geräte bedeuten keine verlorenen Daten mehr, denn die befinden sich gar nicht auf dem Gerät. Das allerdings, schränkt Heuer zu Recht ein, könne über proprietäre Apps genau so gut geregelt sein.
Überhaupt gibt es bei genauem Hinsehen eher signifikante Gemeinsamkeiten, wo auf den ersten Blick Unterschiede scheinen: So kann man Apps zugute halten, dass sie konsequent die Vorteile moderner mobiler Geräte ausnutzen. Sie lassen sich ohne Medienbruch mit Maus und Tastatur ganz einfach mit den Fingern steuern. Man drückt, zieht oder wischt dort, wo die Augen hinschauen. Diese revolutionär neue, intuitive und daher einfache Art, Computer zu bedienen, ist allerdings kein Privileg der Apps; auch der Safari-Browser von iPhone und iPad lässt sich mit solchen Gesten steuern.
Apps scheinen überdies das Arbeiten auch deswegen zu vereinfachen, weil sie im Vergleich zu ihren großen Geschwistern in der Funktionalität stark eingeschränkt sind. So kann man zum Beispiel mit der iPad-Textverarbeitung Pages zwar Texte erfassen und korrigieren. Komplexe Funktionen wie Layouts oder Serienbriefe lassen sich damit aber kaum oder gar nicht erledigen. Das ist in Ordnung, denn wer braucht solche Befehle, wenn er im Zug sitzt oder beim Kunden die neusten Zahlen präsentieren möchte?
Trend zu bedarfsgerechten Anwendungen
Aber selbst in der Einfachheit der Handhabung sind Apps nicht exklusiv. "Es gibt durchaus einen Trend, Anwendungen bedarfsgerechter zu machen", meint Experton-Analyst Heuer und bezieht das explizit auch auf webbasierte Applikationen. So sei es etwa eine Stärke von Cloud Computing, "immer nur die Bestandteile oder Programme zu nutzen und zu zahlen, die man gerade braucht". Nichts anderes meint im Grunde der bereits gut eingeführte Begriff von Software-as-a-Service, ohne damit eine konkrete Erscheinungsform von Software zu bezeichnen.
Abgespeckte, auf bestimmte Funktionen beschränkte Anwendungen simplifizieren übrigens nicht die Prozesse, die hinter diesen Apps stehen, sondern modularisieren sie lediglich. Auch das ist wichtig für die Beurteilung von mobilen Anwendungen. Apps können das, was die Anwender beim mobilen Arbeiten wirklich brauchen, mehr nicht. Und das ist in Ordnung, denn ein gutes Pferd springt eben nicht höher, als es muss.
Funktional überfrachtete Anwendungen verschwinden
Vielleicht sorgen Apps künftig gemeinsam mit webbasierten Anwendungen dafür, dass funktional überfrachtete Suiten mit tausenden von Befehlen vom Arbeitsplatz verschwinden. Die Reduktion auf das Wesentliche, die Apps und Webanwendungen vormachen, ist auch eine Chance für Unternehmen: Sie kaufen keine Monstersuiten mehr, von denen - im bildlichen Sinne - große Teile im Keller verstauben, sondern nur noch das, was sie wirklich brauchen. Das, nicht die Frage ob proprietär oder browserbasiert, scheint das eigentliche Thema zu sein: Inwieweit werden sich Anwendungen künftig einfacher bedienen lassen. Diesbezüglich machen beide Spielarten berechtigte Hoffnung.