Agile Methoden erfordern starkes gegenseitiges Vertrauen aller Beteiligten. Vertrauen entsteht aber erst durch persönlichen Kontakt. Forrester gibt Ratschläge, was bei der Arbeit in geografisch verteilten Teams zu beachten ist.
Microsoft, IBM und Yahoo stellen das Konzept Remote wieder in Frage, ohne es ganz abschaffen zu wollen
Remote senkt nur bedingt Kosten
4 Ratschläge von Forrester fürs Arbeiten in verteilten agilen Teams
Ein Befragter sagte: "No technology can replace human interaction."
Agile Methoden wie Scrum, Kanban und DevOps funktionieren am besten, wenn die Teams in einem einzigen Raum sitzen. Das stellt der US-Marktforscher Forrester fest. In der Studie "Get the most out of distributed agile teams" erörtert Forrester, was Unternehmen tun müssen, damit Agile auch in geografisch verteilten Teams funktioniert.
Die Studie basiert auf Gesprächen mit Entscheidern aus Unternehmen wie Adidas, Honda und Microsoft. Es handelt sich nicht um eine quantitative Befragung, sondern um eine qualitative Analyse. Forrester bringt die erwartete Kostenersparnis durch das Arbeiten in verteilten Teams ins Gespräch. Die befragten Manager beurteilen diesen Punkt mit ihren jetzigen Erfahrungen differenziert. Sie erkennen die Vorteile an, wenn Projekte quasi weltweit durchgängig bearbeitet werden. Sie sehen aber auch Nachteile.
Vertrauen und persönlicher Kontakt zwingend notwendig
Das hängt wiederum mit weichen Faktoren zusammen. Die Befragten betonen, wie stark agile Methoden gegenseitiges Vertrauen aller Beteiligten erfordern. Wirkliches Vertrauen entsteht erst durch den persönlichen Face-to-face-Kontakt. Zwar lassen sich Körpersprache und Stimmlage eines Team-Mitgliedes über ausgereifte Videoconferencing-Lösungen vermitteln. Aber erst, wenn man seine Kollegen physisch kennengelernt hat, fängt man an, sich wirklich auf sie zu verlassen, so die Meinung der Befragten.
15 Probleme beim Projektmanagement
1. Unklare Arbeitslast Bryan Fagman vom Anbieter Micro Focus sagt, dass viele Projekte an einem nicht klar umrissenen Arbeitsaufwand scheitern. Schleichen sich hier Unschärfen ein, leidet das ganze Projekt. Im schlimmsten Fall bleibt undefiniert, wann es überhaupt abgeschlossen ist. Fagman mahnt deshalb an, Ziele im Dialog mit den Kunden klar zu benennen.
2. Undefinierte Erwartungen Alle Beteiligten müssen von Beginn an wissen, welche Anforderungen ein Projekt stellt und welche Erwartungen zu erfüllen sind – sonst droht ein Fiasko. Tim Garcia, CEO des Providers Apptricity, nennt zwei entscheidende Dinge, die alle Team-Mitglieder vorab wissen sollten: was getan wird und wie man weiß, wann das Projekt abgeschlossen ist. „Ohne eine dokumentierte Vereinbarung, die Antworten auf diese beiden Fragen liefert, ist ein Projekt von Anfang an in Gefahr“, sagt Garcia.
3. Fehlende Management-Unterstützung Die Unterstützung aus der Firmenspitze sollte unbedingt gesichert sein. Befindet man sich dahingehend mit der Chef-Etage nicht in Einklang, mindert das die Erfolgsaussichten beträchtlich, meint Brad Clark vom Provider Daptiv.
4. Methodik nach Schema F Im Projekt-Management wird gemeinhin mit standardisierten Schlüsselaufgaben und Leistungen gearbeitet. Darin lauert nach Einschätzung von Robert Longley, Consultant beim Beratungshaus Intuaction, aber auch eine Gefahr. Die Standard-Ansätze seien meist auf Projekte einer bestimmten Größe ausgerichtet. Sie passen möglicherweise nicht mehr, wenn man sich an größere Projekte als in der Vergangenheit wagt.
5. Überlastete Mitarbeiter „Team-Mitglieder sind keine Maschinen“, sagt Dan Schoenbaum, CEO der Projekt-Management-Firma Teambox. Projekte können auch daran scheitern, dass Mitarbeiter mit Arbeit überfrachtet werden. Vermeiden lässt sich das, indem man sich vorab ein klares Bild über die Stärken der Team-Mitglieder macht und auf eine sinnvolle Verteilung der Aufgaben achtet.
6. Ungeteiltes Herrschaftswissen Projekte leben davon, dass Informationen nicht monopolisiert, sondern miteinander geteilt werden. Das geschieht oft dann nicht, wenn Ergebnisse erst nach langer Anlaufzeit geliefert werden müssen. Tim Garcia von Apptricity rät deshalb dazu, Projekt in kurze Phasen einzuteilen. An deren Ende sollte es jeweils Resultate geben, mit denen das ganze Team weiterarbeiten kann.
7. Unklare Entscheidungsfindung Im Verlauf eines Projektes sind Änderungen der ursprünglichen Roadmap oft unvermeidbar. Es sollte beim Change Management aber klar dokumentiert werden, wer wann was geändert hat und wie die neue Marschrichtung aussieht.
8. Fehlende Software Exel-Spreadsheets nötigen Projekt-Manager zu manuellen Korrekturen und führen oft zu Problemen bei der Status-Aktualisierung. Insofern ist es befreiend, mit Project Management Software zu arbeiten, die für automatische Updates sorgt und von lästigen manuellen Berichten entlastet. Dazu rät Brian Ahearne, CEO des Anbieters Evolphin Software.
9. Gefahr des Ausuferns Change Requests sind alltäglich im Projekt-Leben, aber sie haben leider oft einen unerfreulichen Nebeneffekt: den Hang, Fristen und Budget-Rahmen immer weiter auszudehnen und auf Dauer zu Demotivation und Frust auf allen Seiten zu führen. Um dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten, sind neben klaren Zielvorgaben auch tägliches Monitoring und ein definierter Prozess für gewünschte Veränderungen sinnvoll. Das empfiehlt in jedem Fall Sandeep Anand, der beim Software-Entwicklungshaus Nagarro für Project Governance verantwortlich ist.
10. Nicht "Nein" sagen können Im Sinne des Unternehmens sei es manchmal nötig, Anfragen abzulehnen, sagt Markus Remark vom Provider TOA Technologies. Gut sei es deshalb zu wissen, wie man "nein" sagt. Am besten habe man für solche Fälle auch gleich eine konstruktive alternative Lösung parat.
11. Mangelnder Zusammenhalt Projektarbeit ist Team-Arbeit. In der Praxis gerieren sich manche Projekt-Teams aber wie in Eifersüchteleien gefangene Sportmannschaften ohne Erfolg, beobachtet Berater Gordon Veniard. Der Fokus auf das eigentliche Ziel gehe verloren. Stattdessen beschuldigen sich Grüppchen gegenseitig, für Probleme und schlechte Leistungen verantwortlich zu sein. Um das zu verhindern, ist Führung durch den Projekt-Manager gefragt. Und der sollte es verstehen, sein Team mitzunehmen und in Entscheidungen einzubinden. Ohne Kommunikation sei das Desaster programmiert, so Hilary Atkinson vom Provider Force 3.
12. Vergessener Arbeitsalltag Hilary Atkinson hat nach noch einen weiteren Kommunikationstipp parat: Projekt-Manager sollten nicht vergessen, ihre alltäglichen Aufgaben zu erledigen. Wer als Verantwortlicher keine Meeting-Termine verkündet, Status-Berichte vergisst und E-Mails unbeantwortet lässt, riskiert unnötige Verzögerungen.
13. Zu häufige Meetings Meetings, in denen der Status Quo besprochen wird, können nerven – vor allem dann, wenn sie zu oft stattfinden oder zu lange dauern. Wichtige Informationen lassen sich durch Collaboration Tools häufig besser an die Team-Mitglieder bringen, meint Liz Pearce, CEO des Providers LiquidPlanner. Ihr Tipps: Meeting auf die Entscheidungsfindung beschränken. In ihrem Unternehmen gebe es lediglich zweimal in der Woche ein Treffen, um neue Aufgaben zu verteilen und Prioritäten zu definieren.
14. Gut genug ist nicht immer gut Sergio Loewenberg vom IT-Beratungshaus Neoris macht Nachlässigkeiten in der Qualitätssicherung als Problem aus. Es sei günstiger, Fehler zu vermeiden anstatt Geld und Zeit ins Ausmerzen ihrer negativen Folgen stecken zu müssen. Wer auf hohe Qualitäts-Standards achte, vermeide späteres Nacharbeiten und die Gefahr eines schlechten Rufes.
15. Nicht aus Fehlern lernen Liz Pearce mahnt außerdem an, mit Hilfe entsprechender Tools eine mehrstündige Analyse nach Ende des Projektes durchzuführen. Nur Teams, die sich des ständigen Lernens verschreiben, seien dazu in der Lage, die Fehler der Vergangenheit in der Zukunft zu vermeiden.
15 Fehler beim Projektmanagement Es gibt unzählige Wege, ein IT-Projekt an die Wand zu fahren. Unsere amerikanische Schwesterpublikation CIO.com hat 15 davon gesammelt – und verrät dankenswerterweise auch, wie man die Probleme beheben kann. Diese Tipps sind in der Bilderstrecke zu finden.
Außerdem beobachten die Manager, dass tagtäglich in der Zusammenarbeit viele kleine Verständnisfragen auftauchen. Diese lassen sich am schnellsten und besten beantworten, wenn der Mitarbeiter kurz bei seinem Kollegen vorbeischaut, statt eine Nachricht zu tippen und auf Antwort zu warten.
Das heißt, dass sich alle Teammitglieder in regelmäßigen Abständen - beispielsweise alle drei Monate - persönlich in einem Raum versammeln sollten. Daraus entstehen Reisekosten.
Microsoft, IBM und Yahoo zweifeln an Remote-Modell
Microsoft, IBM und Yahoo zum Beispiel stellen das Modell Remote aus diesen Gründen wieder in Frage. Dabei geht es nicht um ein Entweder-Oder, sondern darum, wann welches am besten geeignet ist. Wird ein Präsenz-Team entwickelt, investieren die Firmen in neue Büro-Konzepte mit wenig Wänden, flexiblen Arbeitsplätzen und unterschiedlichen Zonen (etwa Ruhezonen für konzentriertes Arbeiten Einzelner und kommunikativen Ecken für Besprechungen).
4 Ratschläge fürs Arbeiten in verteilten agilen Teams
Allen Managern, mit denen Forrester gesprochen hat, ist klar, dass heute kein global operierendes Unternehmen mehr auf geografisch verteilte Teams verzichten kann. Viele strategische Projekte müssen gemeinsam gestemmt werden. Die Analysten geben Entscheidern vier Ratschläge:
1. Zuerst an das verteilte Team denken
Führungskräfte mit Verantwortung für alle Teams - die präsenten wie die verteilten - müssen immer zuerst durch die Brille des verteilten Teams sehen. Das ist mit hohem Aufwand verbunden, betont Forrester. Jede wichtige Information, jede Entscheidung, jede Veränderung, die sich im persönlichen Gespräch mit dem Team vor Ort ergeben hat, muss an die verteilten Kollegen weitergegeben werden. Das wird für Entscheider oft heißen, Dinge doppelt und dreifach zu erzählen.
2. Alles dokumentieren und kommunizieren
Führungskräfte müssen das Risiko von "TMI" eingehen, das Kürzel steht für "too much information". Sie brauchen formale Standards dafür, wer wann mit wem über was spricht. Besser ein Standup-Meeting zu viel als zu wenig, so die Losung von Forrester.
3. Zeitzonen und Erreichbarkeit managen
Jedes Mitglied muss unabhängig von seinem Standort wissen, wie spät es für die globalen Kollegen ist. Dass jedes Projekt rund um die Uhr bearbeitet wird, heißt nicht, dass alle Kollegen ständig erreichbar sein müssen. Jedes Team kann einen oder zwei Mitglieder bestimmen, die nach Feierabend für einen begrenzten Zeitraum Anfragen beantworten.
4. Jedes Team braucht einen Leiter
Jeder Standort sollte einen Kollegen bestimmen, der "den Hut aufhat". Wer das ist, hängt weniger von formalen Kriterien als vielmehr von der persönlichen Erfahrung und der Beliebtheit im Team ab. Natürlich kann diese Rolle auch rotieren.
Einer der Manager, mit denen Forrester für diese Studie gesprochen hat, sagte: "No technology can replace human interaction."