Rechtssicherheit und Compliance

Archivierung ohne Sanktionsangst

07.05.2010 von Sascha Alexander
Die Vorgaben zur Aufbewahrung von Dokumenten gleichen einem schwer zu durchquerenden Dickicht. Wie Firmen bei der Archivierung von Dokumenten auf der rechtlich sicheren Seite bleiben, hat unsere Schwesterpublikation CFOWorld auf Grundlage einer aktuellen Studie umfassend dargestellt.

Paragrafen und Gerichtsurteile lassen immer Spielräume zur Interpretation. Genau deshalb bleiben oft Unsicherheiten, wenn Fachabteilungen sich mit Compliance-Fragen im Einzelnen beschäftigen. Das fängt an bei den Fristen zur Aufbewahrung und endet bei den Sanktionen, die im Falle von Verstößen drohen.

Um hier Klarheit und eine größere Rechtssicherheit zu schaffen, hat der Verband Organisations- und Informationssysteme e. V. (VOI) versucht, anhand der aktuellen Rechtssprechung die gesetzlichen Anforderungen an die Archivierung in ausgewählten europäischen Ländern zu erläutern. Heraus kam die Studie "Legal Requirements for Document Management in Europe“, welche die Vorgaben für Frankreich, Großbritannien, Italien, Österreich, Schweiz und Spanien kompakt auflistet. Der VOI vertritt die Mehrheit der Anbieter von Systemen für Enterprise Content Management und Dokumenten in Deutschland.

Steuerrecht und Handelsrecht gestatten über § 147 Absatz 2 AO, § 257 Absatz 3 HGB im Grundsatz, die Aufbewahrung von Unterlagen auf einem Bild- oder anderen Datenträger, wenn dies in Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GOB) entspricht. Bezogen auf das Steuerrecht gilt, dass die Wiedergabe oder die Daten mit den empfangenen Handels- und Geschäftsbriefen und den Buchungsbelegen bildlich und mit den anderen Unterlagen inhaltlich übereinstimmen müssen, wenn sie lesbar gemacht werden.

Soweit die entsprechenden Unterlagen mit Hilfe eines Datenverarbeitungssystems erstellt worden sind, besteht auf der Grundlage des § 147 Absatz 6 AO, ein elektronisches Zugriffs- und Auswertungsrecht für den Betriebsprüfer. Hier verlangt das Steuerrecht, dass die Daten über die Aufbewahrungsfrist jederzeit verfügbar sind, unverzüglich lesbar gemacht werden können und maschinell auswertbar sind.

GDPdU: Für das Datenzugriffsrecht (GDPdU) gilt der Grundsatz, dass originär digitale Unterlagen auf maschinell verwertbaren Datenträgern zu archivieren sind. Diese dürfen mithin nicht ausschließlich in ausgedruckter Form aufbewahrt werden, sondern sind auf Medien zu archivieren, die eine maschinelle Auswertung zulassen.

Rechnungen müssen 10 Jahre aufgehoben werden

Abgabenordnung: Maßgeblich für die steuerlichen Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten in Deutschland ist die Abgabenordnung (AO). Entsprechend § 147 Abs. 1 AO sind Bücher und Aufzeichnungen, Inventare, Jahresabschlüsse, Lageberichte, die Eröffnungsbilanz sowie die zu ihrem Verständnis erforderlichen Arbeitsanweisungen und sonstigen Organisationsunterlagen sowie Buchungsbelege 6 Jahre aufzubewahren.

Für empfangenen Handels- oder Geschäftsbriefe, Wiedergaben der abgesandten Handels- oder Geschäftsbriefe sowie sonstige Unterlagen, soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind, gilt eine 10-jährige Aufbewahrungspflicht. Für Rechnungen sieht das Umsatzsteuergesetz eine eigenständige Aufbewahrungsvorschrift vor (§ 14 b UStG). Demnach hat der Unternehmer ein Doppel der Rechnung sowie alle Rechnungen, die er erhalten oder die ein Leistungsempfänger oder ein Dritter in dessen Namen für dessen Rechnung ausgestellt hat, 10 Jahre aufzubewahren.

Steuerrelevante Mitteilungen: Bei der Qualifizierung steuerlich relevanter Daten sind insbesondere E-Mails und deren Abgrenzung in der Diskussion. Gerade hier stellt sich die entscheidende Frage, ob die elektronische Post steuerrelevante Informationen zum Gegenstand hat. Auch Mitteilungen, die auf elektronischem Weg übermittelt werden, können Steuerrelevanz besitzen und damit zum sachlichen Umfang einer Außenprüfung rechnen. Aus steuerlicher Sicht sind E-mails aufbewahrungspflichtig, wenn sie Aufzeichnungen oder Geschäftsbriefe darstellen bzw. sonstige steuerlich relevante Informationen enthalten und damit für die steuerliche Sachverhaltsermittlung von Bedeutung sind.

Auf der Grundlage der Grundsätzen ordnungsmäßiger DV-gestützter Buchführungssysteme (GoBS) ist die elektronische Post durch Übertragung der Inhalts- und Formatierungsdaten auf einem Datenträger zu archivieren und mit einem unveränderbaren Index zu versehen, unter welchem sie bearbeitet und verwaltet wird.

Einen Sonderfall stellen elektronische Rechnungen (Electronic Invoicing) dar, die auf der Grundlage des § 14 Absatz 3 UStG insbesondere einer qualifiziert elektronischen Signatur bedürfen. Die elektronische Version enthält in diesen Fällen gegenüber dem ausgedruckten Beleg eine Mehrinformation, für die entsprechende Aufbewahrungs- und Prüfbarkeitsvorschriften zur Anwendung kommen.

Elektronische Rechnung der Originalrechnung gleichgestellt

Insoweit werden an die elektronische Rechnung neben den ohnehin bestehenden umfangreichen Rechnungsanforderungen des Umsatzsteuergesetzes erhöhte Anforderungen gestellt, welche bei Missachtung dazu führen, dass die übermittelten Dokumente nicht als Rechnungen gelten und der Vorsteuerabzug gefährdet ist. Daneben existieren spezifische Prüfungsvoraussetzungen nach den GDPdU, welche eine elektronische Aufbewahrung zwingend voraussetzen.

Immer mehr Unternehmen gehen aus Effizienz- und Kostenüberlegungen dazu über, ihre papierbasierten Dokumente einzuscannen und anschließend zu vernichten. So muss insbesondere für Zwecke des Vorsteuerabzugs, welcher auf der Grundlage des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG den Besitz einer nach §§ 14, 14a UStG ausgestellten Rechnung verlangt, sichergestellt sein, dass das elektronische Pendant eine dem Original gleichgestellte und hinsichtlich der damit verbundenen Rechtsverbindlichkeit identische Rolle einnimmt.

Papierrechnungen: Von besonderem Interesse ist hier das BMF-Schreiben vom 29.1.2004, welches explizit zu den Voraussetzungen der Vernichtung von Originalbelegen aus umsatzsteuerlicher Sicht Stellung nimmt. Zusammengefasst gilt: eine Papierrechnung kann unter Wahrung des Vorsteuerabzugs grundsätzlich eingescannt und anschließend vernichtet werden, wenn das Erfassungs- und Archivierungsverfahren den GoBS entspricht.

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag der CIO-Schwesterpublikation CFOWorld. Kontakt und Anfragen zur VOI-Studie: Stefan Groß, Steuerberater, Certified Information System Auditor (CISA), Peters, Schönberger & Partner GbR, Schackstr. 2, D-80539 München, E-mail: s.gross@ psp.eu;Dr. Nils C. Hallermann, Rechtsanwalt, E-mail: n.hallermann@psp.eu. Disclaimer: Die dargestellten Ausführungen sind ohne Gewähr und sollen Ihnen die Probleme in groben Zügen überblicksweise und ohne Anspruch auf Vollständigkeit und Detailgenauigkeit näher bringen. Die vorliegenden Ausführungen sind nicht geeignet, Einzelheiten der jeweiligen gesetzlichen Regelungen und alle Aspekte der angesprochenen Themen zu beleuchten und ersetzt nicht die rechtliche und steuerliche Beratung im Einzelfall. Vor geschäftlichen Entscheidungen setzen Sie sich bitte mit Ihrem Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwalt in Verbindung. Die gesetzlichen Regelungen können sich seit Erscheinen dieses Textes geändert haben.