Die Mitteilung, dass die Gores Group und Siemens mit Atos einen Käufer für ihr Joint-Venture Unify gefunden haben, traf die UCC- und IT-Services-Szene wie ein Paukenschlag. Wie berichtet, plant Atos, den Spezialisten für Unified Communications für 340 Millionen Euro in bar zu akquirieren. Zusätzlich übernimmt der französische IT-Dienstleister 200 Millionen Euro an Pensionsverpflichtungen und 50 Millionen Euro Schulden von Unify.
Zeitgleich verkündete Atos, man habe die im Juli 2011 mit Siemens unterzeichnete IT-Vereinbarung über sieben Jahre verlängert und das vereinbarte Volumen um 3,23 Milliarden Euro auf 8,73 Milliarden Euro, erhöht. Zusätzlich zu Projekten in den Bereichen Managed Services, Application Management und Systems Integration kam nun die Digitalisierung der Geschäftsbereiche von Siemens, einschließlich der Bereiche Cloud Computing, Industrial Data Analytics und Cybersicherheit als Leistung dazu. Darüber hinaus wollen Atos und Siemens weitere Möglichkeiten der Zusammenarbeit prüfen, um die Digitalisierungsstrategie voranzutreiben und damit die Grundlagen für Industrie 4.0 zu legen.
Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass Siemens an dem aus seiner Kommunikationssparte hervorgegangenen Unternehmen, bis 2013 noch Siemens Enterprise Communications (SEN) genannt, 49 Prozent der Anteile besitzt, die restlichen 51 Prozent hält die US-Investment-Gesellschaft Gores Group.
Mehr politisch als strategisch getrieben?
Wenn man diese beiden Punkte zusammenbringt, ist der Gedanke nicht weit hergeholt, dass die Unify-Übernahme primär vom Interesse an der strategischen Partnerschaft mit Siemens angetrieben wurde" erklärten die PAC-Analysten Dr. Andreas Stiehler und Nicole Dufft in einem Blog-Beitrag. Es sei schließlich kein Geheimnis, dass die Perspektive von Unify im schrumpfenden Markt für Unified Communications & Collaboration (UCC) - nun ja - unsicher ist.
Obwohl die Unify-Lösungen generell als hochwertig wahrgenommen würden, seien Microsoft und Cisco starke Wettbewerber mit besseren Perspektiven, den UCC- oder Digital-Workplace-Markt mittelfristig zu dominieren. Und während Unify mit Circuit einen vielversprechenden Cloud-Dienst entwickelt habe, sei es unklar, ob die Lösung schnell genug Fahrt aufnehmen kann, um das Schrumpfen im Kerngeschäft aufzufangen.
Was für Atos herausspringt
Aus Sicht von Atos scheinen Ausgaben in Höhe von 0,55 Milliarden Euro ganz vertretbar, wenn man damit einen Deal in Höhe von 8,75 Milliarden Dollar sichern könne, so PAC-Analyst Stiehler. Zumal Unify ein paar interessante Assets biete: Zunächst sei Unify nicht nur ein Hersteller, sondern betreibe auch ein riesiges Servicegeschäft rund um UCC, das besonders in Deutschland stark ist. Falls es Atos gelinge, das Servicegeschäft - ähnlich wie bei SBS/SIS - zu restrukturieren und zu integrieren, gebe es eine gute Chance, seine Position im deutschen Markt für IT-Infrastrukturservices rund um das Thema Digital Workplace deutlich zu verbessern.
Als zweiten Punkt könne Atos Circuit als Bestandteil bei Workplace Transformation Projekten einsetzen - möglicherweise sogar in Verbindung mit dem Collaboration-Dienst BlueKiwi. Zumal Circuit ja auch perfekt zu Atos Projekt Zero E-Mail zu passen scheint, so Stiehler. Schlechter steht es um die Fertigung von UCC-Equipment - hier rechnet PAC mit keinem weiteren Wachstum, eventuell könnte dieser Teil von Unify sogar abgegeben werden.
Atos als fehlender Servicepartner
Aus Sicht von IDC-Analyst Michael Vorisek bietet die Allianz zusätzliche Perspektiven für Unify. Der Spezialist für UCC sieht zwei Hauptvorteile bei Atos, nämlich die Expertise in bestimmten vertikalen Märkten sowie die Möglichkeit, hybride Deployments zu unterstützen. Hybride Deployments werden wichtig, weil die Unternehmen im Unified-Communications-Bereich nur schrittweise zu reinen Cloud-Lösungen migrieren.
Daher bedürften sie der Integation von Cloud- und On-Premise-Lösungen, die häufig noch von verschiedenen Herstellern stammen. Hier kämen den Münchnern mit Atos die Servicekompetenz und der Zugriff auf die Kunden zugute. Der Mangel an einem geeigneten Partner im eigenen Portfolio sei nicht zuletzt auch für Siemens ein gutes Argument gewesen, Unify loszuwerden, fügt Vorisek hinzu.
Atos wiederum habe in der Vergangenheit bereits Appetit zu wachsen gezeigt. Hier helfe Unify, indes es dazu beiträgt, die weltweite Abdeckung zu verbessern und neue Service-Plattformen bereitzustellen. So stärke Unify insbesondere im US und Emea-Geschäft das Managed-Services-Business. Es bleibt doch fraglich, wie Atos plant, Unifys beträchtliches On-Premise-Business weiter zu entwickeln.
Was die Integration bestehender Lösungen betrifft, hält es Vorisek für möglich, dass die Franzosen die Collaboration-Features von BlueKiwi mit Circuits Realtime-Kommunikation bündeln. Er rechnet aber nicht damit, dass die Marke Unify durch einen solchen Best of breed bereits in den nächsten Jahren vom Markt verschwinden wird.