Audi-Chef Rupert Stadler gerät nach neuen Erkenntnissen über Abgasmanipulationen bei der VW-Tochter zunehmend in die Kritik. In der VW-Spitze sei man verärgert über Stadler, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Freitag aus dem Umfeld des Aufsichtsrats. Stadler müsse im Aufsichtsrat Stellung nehmen. Der "Spiegel" zitierte einen Vertreter der Arbeitnehmerseite im VW-Aufsichtsrat mit den Worten: "Wir werden über diesen Vorgang mit Herrn Stadler im Aufsichtsrat zu reden haben."
Bundesverkehrminister Alexander Dobrindt (CSU) hatte am Donnerstag bekannt gegeben, dass Audi eine "unzulässige Abgas-Software" in den Oberklasse-Modellen Audi A8 und A7 mit V6- und V8-Dieselmotoren verwendet habe. Damit weitete sich der Abgas-Skandal beim VW-Konzern erneut aus.
In Aufsichtsratskreisen hieß es gegenüber der dpa, natürlich müsse über das Thema gesprochen werden. "Eine ständige Kritik an Einzelpersonen hilft aber auch nicht weiter."
VW-Aufsichtsrat glaubt Stadler
Stadler steht wegen seiner Rolle bei der Aufarbeitung des Abgas-Skandals bereits länger in der Kritik. Dennoch war sein Vertrag vor kurzem erst um weitere fünf Jahre verlängert worden. Der "Spiegel" schrieb, die VW-Aufsichtsräte hätten den Versicherungen Stadlers geglaubt, dass Audi den Abgasskandal sauber aufgeklärt habe.
Der Audi-Chef kritisierte am Freitag Bundesverkehrsminister Dobrindt: "Dass Herr Dobrindt allein vorprescht, hat mich persönlich sehr enttäuscht", sagte Stadler der Branchen- und Wirtschaftszeitung "Automobilwoche". "Wir sind alle zwei Wochen beim Kraftfahrtbundesamt und erstatten Bericht. Bei 24000 Autos in Europa haben wir Auffälligkeiten gefunden. Diese Informationen haben wir den Behörden mitgeteilt. Dies und das weitere Vorgehen wollten wir gemeinsam kommunizieren", sagte Stadler. Dass die Behörden illegale Software "entdeckt" hätten, sei das falsche Wort. "Wir selbst drehen jedes Steinchen um."
Dobrindts Alleingang
Laut Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR wurde am Freitag auch eine firmeninterne Videobotschaft Stadlers verbreitet. "Die Politik stellt da gerade manches anders dar und hat uns mit ihrem Alleingang an die Medien überrascht", sagte der Audi-Chef dem Bericht zufolge in dem Beitrag. "Vielleicht wirft der Wahlkampf schon seine ersten Schatten."
Im Herbst 2015 war der VW-Abgasskandal ans Licht gekommen, die Affäre hat ihren Ursprung in den USA. Daraufhin waren Nachprüfungen bei Autoherstellern eingeleitet worden. Stadler hatte erst im März gesagt, bei Audi alles auf den Prüfstand zu stellen.
Audis ausgeklügelte Lenkwinkelerkennung
Bei den nun bekannt gewordenen Fällen handelt sich um eine sogenannte Lenkwinkelerkennung in den Fahrzeugen. Diese sorgt dafür, dass die Autos im normalen Fahrbetrieb auf der Straße deutlich mehr Stickoxide (NOx) ausstoßen als auf dem Prüfstand und die Grenzwerte überschreiten. Stickoxide gelten als gesundheitsschädlich.
Audi will mit dem Rückruf der rund 24000 betroffenen Fahrzeuge voraussichtlich im Juli beginnen, wie das Unternehmen erklärt hatte. Insgesamt 14000 dieser Autos sind in Deutschland zugelassen, der Rest in anderen europäischen Ländern. Der Bund will nun weitere Fahrzeuge des VW-Konzerns mit ähnlichen Motoren untersuchen lassen.
Unterdessen weitete die Münchner Staatsanwaltschaft ihre Betrugsermittlungen gegen Audi aus, wie ein Sprecher am Freitag sagte. Dabei geht es nun auch um Fahrzeugverkäufe in Deutschland und Europa, nicht nur wie bisher in den USA. Mitte März hatte die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Betruges und der strafbaren Werbung bei Audi eingeleitet. Dabei ging es zunächst um Abgas-Manipulationen in den USA. Das Verfahren läuft weiter gegen Unbekannt.
Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) kommentierte die neue Entwicklung mit den Worten: "Ich erwarte von allen Autoherstellern, dass sie sich endlich ehrlich machen." Die deutschen Hersteller sollten ihre technologische Kompetenz in die Entwicklung von umweltfreundlicheren Fahrzeugen stecken und nicht "auf Tricksereien richten". Die Deutsche Umwelthilfe forderte, allen betroffenen Fahrzeugen die Typzulassung zu entziehen. (dpa/rs)