Mattias Ulbrich hat seine ersten drei Monate als Audi-CIO absolviert. Für ihn war die Aufwärmrunde keine Sightseeing-Tour. Schon in den ersten 30 Tagen werden die Weichen für eine erfolgreiche Zukunft gestellt.
Die ersten 100 Tage in einer neuen Führungsposition sind nicht dazu gedacht, sich als Pauschaltourist von den Eindrücken des neuen Arbeitsumfelds berieseln zu lassen. "Sie müssen die Zeitspanne sauber strukturieren, damit Sie nicht in einen reaktiven Modus fallen", sagt Mattias Ulbrich, der im Februar 2012 seine Aufgabe als neuer CIO von Audi in Ingolstadt aufgenommen hat. In der dritten Februarwoche trat der Manager vor seine insgesamt 750 IT-Mitarbeiter, um sich und die inhaltlichen Schwerpunkte persönlich vorzustellen. Drei Monate später präsentierte er seine strategische Planung vor dem Audi-Vorstand. Für die Zeit dazwischen hatte sich Ulbrich einen Ablaufplan formuliert: "Erfolg haben Sie nur, wenn Sie auch eigene Prioritäten setzen und das Zeit-Management daran ausrichten."
Ulbrich erlebt die Phase der ersten 100 Tage nicht zum ersten Mal in seiner Karriere. Sein Vorteil: Er ist kein Unbekannter in der Audi-IT. "Ich kann auf ein Netzwerk bauen, das ich in den vergangenen 15 Jahren geknüpft habe", sagt er. Schon als Account-Manager bei HP war er Mitte der 1990er-Jahre für Audi zuständig, bevor er direkt zur Marke mit den vier Ringen wechselte - "die normale Management-Laufbahn": Verantwortlicher für IT und Produktions-IT am Standort Neckarsulm, dann CIO in Spanien bei der Konzernmarke Seat mit fachlicher Berichtslinie zu Audi, schließlich Wolfsburg. Hier kontrollierte Ulbrich IT-Services wie Rechenzentrum und Infrastruktur, zuletzt leitete er die weltweiten Produktionssysteme des Konzerns in Europa, Nordamerika, Südamerika und Asien. "Nach fünf Jahren bei Audi, drei bei Seat und sechs bei VW hat mein Netzwerk viele Knoten", sagt er rückblickend.
Schnell loslegen
Zudem musste Ulbrich bei Audi keinen Karren aus dem Dreck ziehen. Sein neuer Arbeitgeber steht wirtschaftlich solide da, und Vorgänger Klaus Straub, der zum Konkurrenten BMW wechselte, war 2011 vom CIO-Magazin zum "CIO der Dekade" gekürt worden. Trotzdem war für den neuen IT-Chef kein Leerlauf angesagt: "Als CIO haben Sie nicht wirklich 100 Tage Zeit, denn Sie müssen alle Projekte rasch überprüfen und Quick Wins anstreben." Spätestens nach 30 Tagen, so Ulbrichs Erfahrung, sollten die ersten Weichen gestellt und Ziele gesetzt werden. "An der Schnittstelle von IT und Automotive müssen Sie schneller reagieren."
Trotz der von ihm erwarteten Geschwindigkeit weiß Ulbrich aber auch: "Anfangs sollte man zuhören." Vorgefertigte Meinungen und Lösungsansätze seien tabu, ebenso Entscheidungen im stillen Kämmerlein. Er habe zu Beginn viele Gespräche mit Vorständen und Management-Kollegen in den Fachbereichen geführt, um zu verstehen, wo die IT steht, was die wichtigsten Themen sind und wo die Prioritäten gesetzt werden müssen. "Das haben wir dann gemeinsam im Führungsteam der IT und mit den Fachbereichen erarbeitet." Erst im engen Schulterschluss könnten die Potenziale der IT erschlossen werden, sagt Ulbrich. "Neue Technologien ohne die Abstimmung mit dem Fachbereich bringen keinen Nutzen."
Sven Lorenz Der langjährige Porsche-CIO Sven Lorenz ist Konzern-CPO bei Volkswagen. Bei der Kür zum CIO des Jahres 2006 schaffte es Sven Lorenz auf den zweiten Platz.
Falko Morlock Seit 1. September 2023 ist Falko Morlock CIO des schwäbischen Maschinen- und Anlagenbauers Dürr AG.
Alexander Buresch Alexander Buresch ist seit Januar 2020 CIO des bayerischen Automobilkonzerns. Ein Foto des Managers hat BMW bislang noch nicht veröffentlicht. Der Wirtschaftswissenschaftler ist seit mehr als 20 Jahren für BMW tätig und war zuletzt Vice President Corporate Strategy and Planning.
Hauke Stars Seit Februar 2022 ist Hauke Stars IT-Vorständin und Chief Information Officer bei Volkswagen.
Katrin Lehmann Als CIO der Mercedes-Benz Group AG und der Mercedes-Benz AG verantwortet Katrin Lehmann die globale IT für alle Geschäftsbereiche, Marken und Märkte und berichtet direkt an den CEO.
Jürgen Sturm Jürgen Sturm ist seit Januar 2015 Informatikleiter beim Automobilzulieferer ZF Friedrichshafen. Sturm ist promovierter Ingenieur und kommt von der BSH Bosch und Siemens Hausgeräte GmbH. Sturm war vor seiner BSH-Zeit zwischen 1999 und 2003 Bereichsleiter Organisation, Prozesse und Informationssysteme bei der Grundig AG.
Volker Schwarz Der langjährige Rheinmetall-CIO Volker Schwarz ist seit Januar 2024 CIO beim Automobilzulieferer GKN Automotive.
Frank Loydl CIO der Audi AG und damit Nachfolger des bisherigen CIO Mattias Ulbrich ist seit Februar 2018 Frank Loydl. Seit 2016 verantwortete er im Konzern die Software-Entwicklung. Ab 2009 war er bei T-Systems das Delivery Management für den Kunden Volkswagen AG zuständig. Diese Aufgabe übernahm Loydl 2013 schließlich direkt für den Automobilkonzern.
Martin Hofmann Martin Hofmann tritt zum 1. Mai 2023 seinen neuen Posten als CTO und CIO bei Volta Trucks an. Zuvor war er drei Jahre als Senior Vice President bei Salesforce und über 19 Jahre bei Volkswagen, dort zuletzt als Group CIO.
Alexander Eisl Der ehemalige MAN-Manager Alexander Eisl hat am 1. Oktober 2022 die Nachfolge von Skoda-CIO Klaus Blüm angetreten, der zu VW gewechselt ist.
Michael Hilzinger Michael Hilzinger ist seit Juli 2019 CIO beim Bremsen-Spezialisten Knorr-Bremse in München. Er war zuvor Group CIO beim Stahlhändler Klöckner in Duisburg.
Petra Clemens Seit Oktober 2024 leitet Petra Clemens die IT von Cariad, der Software-Tochter von Volkswagen. Sie kommt vom Eisenbahnlogistiker VTG.
Markus Bentele Markus Bentele ist seit Januar 2017 Vice President Information Technology (VP)/Group CIO beim Automobilzulieferer Mahle International GmbH in Stuttgart. Zuvor war Bentele Corporate CIO der Rheinmetall AG.
Christian Ley Christian Ley leitet seit 2006 den Bereich Informationssysteme Brose Gruppe. In dieser Funktion verantwortet er den Ausbau der IT-Lösungen im Kontext der Unternehmensstrategie. Ley begann 1995 als Diplom Betriebswirt (FH) als Trainee in der Brose Gruppe und wechselte anschließend als DV-Koordinator in die zentrale Anwendungsentwicklung. Dort übernahm er 1999 die Teamleitung für PPS- und QM-Systeme und anschließend die Leitung der Zentralabteilung „logistische Anwendungssysteme“. In dieser Funktion war er bis 2006 weltweit für zahlreiche SAP-Implementierungsprojekte verantwortlich.
André Wehner Am 1. Juni 2021 hat André Wehner den CIO-Posten bei MAN Truck & Bus übernommen. Als IT-Chef verantwortet Wehner die weltweite IT des Nutzfahrzeugherstellers. Dazu zählen auch Produktionswerke, Logistikzentren und die eigenen Landesvertriebsgesellschaften. Sein Vorgänger Stephan Fingerling geht als Geschäftsführer zur Group IT Services GmbH, der IT-Tochter der Volkswagen Gruppe. Vor seinem Wechsel zum Münchner Nutzfahrzeughersteller war Wehner CDO bei Skoda Auto. In der neu geschaffenen Stelle kümmerte er sich dort seit 2016 um Unternehmensentwicklung und Digitalisierung.
Maik Krüger Am 1. April trat Maik Krüger die Position des CIO bei Dräxlmaier an. Der studierte Wirtschaftsinformatiker war jahrelang in führenden IT-Positionen bei BMW tätig.
Sebastian Stoll Seit 1. Juni 2021 ist Sebastian Stoll CIO und Group Vice President IT der FEV Gruppe. Er hat den Posten von Andreas Engels übernommen, der beim Kölner Compliance-Startup Kerberos eingestiegen ist. Stoll berichtet an CFO Jürgen Koopsingraven. Neben der Einführung von SAP S/4 Hana will Stoll die IT in die Cloud verlagern und die Security verbessern.
Saskia Kohlhaas Saskia Kohlhaas ist seit November 2021 Senior Vice President Information Technology beim Engineering-Dienstleister der Automobilindustrie IAV.
Thomas Külpp Seit August 2017 ist Thomas Külpp neuer CIO beim Autobauer Opel Automobile GmbH in Rüsselsheim. Zuvor war er bei Opel Director Sales & Marketing. Külpp hat Maschinenbau an der University of Applied Sciences in Wiesbaden studiert und als Diplom-Ingenieur abgeschlossen. Er arbeitet bereits seit 27 Jahren in verschiedenen Positionen bei Opel.
Marcus Claesson Marcus Claesson ist CIO bei Daimler Truck. Er berichtet an den Vorstand für Finanzen und Controlling, Jochen Goetz. Darüber hinaus verantwortet Marcus Claesson die Connectivity Services innerhalb der Daimler Truck AG. Er ist seit 2017 im Unternehmen. Zuvor war Claesson CIO bei Electrolux AB.
Uwe Kühne Uwe Kühne ist seit 2017 CIO bei GF Casting Solutions, einer Division des Georg Fischer Konzerns. Er fing 2004 bei der Georg Fischer Automobilguss GmbH als Systemanalytiker an und war zuletzt bis Ende 2016 als Head IT Operational Services bei GF Automotive für die Erbringung zentraler IT Infrastrukturleistungen verantwortlich. Auf seiner Agenda stehen die strategische Neuausrichtung der zentralen IT-Organisation, die Vorbereitung auf SAP S4/HANA, die Verlagerung zentraler IT Dienste in die Cloud sowie die Verbindung zwischen klassischer IT und Automations-Bereichen („i4.0“). GF Casting Solutions ist eine von drei Divisionen der Georg Fischer AG, ein börsennotiertes Unternehmen mit Hauptsitz in Schaffhausen, Schweiz. Das 1802 gegründete Industrieunternehmen betreibt in 33 Ländern 131 Gesellschaften, davon 51 Produktionsstätten.
Felix Willing Felix Willing ist seit Januar 2018 Leiter des Bereichs Information Management beim Automobilzulieferer Hella GmbH & Co. KGaA im nordrhein-westfälischen Lippstadt. In dieser Position fungiert er zugleich als CIO für den globalen Hella Konzern. Zuletzt war er CIO beim Windturbinenbauer Nordex Acciona Windpower AG in Hamburg.
Bernd Süßmann Bernd Süßmann ist seit September 2018 Head of Corporate IT bei der SAS Automotive in Karlsruhe, einem Joint Venture zwischen Continental and Faurecia. Er trägt dort die Gesamtverantwortung für die IT, führt dabei 80 Mitarbeiter und berichtet an den CFO des Unternehmens, Ekkehard Klautke.
Bernhard Pluhatsch Bernhard Pluhatsch ist seit Oktober 2018 neuer Head of IT, Transmission Systems bei Magna Powertrain Transmission Systems (MPT TS) in Untergruppenbach bei Heilbronn. Er kommt von der Nürnberger Leoni AG, wo er von 2002 bis 2018 Vice President IT Infrastruktur war.
Michael Simon Michael Simon (56) ist seit 1. Juli 2019 der Leiter Zentral IT und CIO der Volkswagen Retail Group. Er berichtet an die Geschäftsführung. Zuvor war der studierte Informatiker seit 2015 Leiter IT bei der Weiss Umwelttechnik GmbH. Insgesamt bringt er Erfahrung aus drei Jahrzehnten als Fach- und Führungskraft in der IT mit, unter anderem bei der Salzgitter AG Group.
Simon Blankenstein Seit Oktober 2022 verantwortet Blankenstein als CIO die IT der Huf Group. Er berichtet an CFO Rainer Heupel. Zu seinen wichtigsten Aufgaben gehört der weltweite Rollout von SAP S/4 HANA.
Tommy Andreasen Nach der Fusion von MAN Diesel und MAN Turbo wurde Tommy Andreasen, vorher CIO von MAN Diesel, Anfang 2010 CIO der neu geschaffenen MAN Diesel & Turbo Gruppe. In den vergangenen 20 Jahren übernahm Tommy Andreasen innerhalb der MAN Diesel Gruppe verschiedene Management Positionen, schwerpunktmäßig im Bereich Finanzen und Controlling. Im Jahr 2000 wurde er Head of Information Technology bei MAN Diesel in Dänemark und entwickelte und führte eine neue IT-Strategie ein. 2006 wurde er dann CIO des gesamten MAN Diesel Konzerns.
Beispiel Vertrieb: "An einer Stelle im Serviceprozess des Handels gab es viele Systembrüche, und der Ablauf dauerte zu lange." IT und Fachbereich hätten die Situation analysiert und die Folgen bewertet - "vor Ort, nicht in irgendeinem Konferenzraum". Schließlich wüssten die Mitarbeiter in der Regel selbst, an welchen Stellen es nicht rund läuft. Innerhalb von vier Wochen wurde eine Liste mit Optimierungsmaßnahmen aufgestellt, die derzeit noch umgesetzt werden. Kaum Vorlauf hatten auch zwei andere Themen - der Kauf des Motorradherstellers Ducati sowie ein Messetermin: "Die Integration von Ducati hat mich vom ersten Tag an beschäftigt", erinnert sich Ulbrich. Und auf der CeBIT 2012 sollte der erneuerte A3 samt Facebook-Verbindung dem Publikum vorgestellt werden. "Solche Chancen können Sie nicht verstreichen lassen, nur weil Sie noch keine 100 Tage im Amt sind."
In der Management-Literatur stehen schnelle Erfolge - "Quick Wins" - gelegentlich für ein Anzeichen von Aktionismus, mit dem der Neue seine Tatkraft demonstrieren will. Ulbrich hingegen hält Quick Wins für einen wichtigen Erfolgsfaktor: "Sie zeigen umgehend Verbesserungen und wirken sich positiv auf die Motivation aus." Mit gemeinsamen Erfolgen könne die IT dahingehend Vertrauen aufbauen, dass sie nicht nur Probleme erfassen kann, sondern auch lösungsorientiert an Themen herangeht. "Und Vertrauen ist entscheidend für eine gute Zusammenarbeit."
Ungefiltertes im Biergarten
Das gilt auch für die IT an sich - viele Veranstaltungen und Meetings, kurze Wege sowie ein CIO, den die Mitarbeiter nicht nur aus der Fachpresse kennen. Daneben lädt Ulbrich zu sogenannten Kamingesprächen ein: Zwölf Mitarbeiter aus allen Bereichen der IT gehen mit dem CIO in den Biergarten oder "in einen Raum mit Kamin", aber stets nach Dienst und außerhalb des Werksgeländes. "So viele gute und ungefilterte Informationen wie hier würde ich sonst nie bekommen", sagt Ulbrich. Ein Ergebnis dieses Bottom-up-Ansatzes sei die Einführung einer Software für Mobile-Device-Management gewesen, "wobei der Impuls von den Mitarbeitern selbst gekommen ist". Diese können jetzt etwa den Kalender auf iPhones und iPads deutlich einfacher nutzen als zuvor.
Zudem trifft sich die IT regelmäßig in Jahresklausuren - etwa im Altmühltal, um Abstand vom Tagesgeschäft zu gewinnen. "So können wir aus einem anderen Blickwinkel auf unsere Themen schauen und die Strategie weiterentwickeln", sagt Ulbrich. Ein Ziel sei es, dass sich die IT-Mitarbeiter ein neues Denkmuster einprägen: "Wir dürfen nicht von der Technologie ausgehen, sondern müssen die Bedürfnisse der Anwender verstehen, um sie für neue IT-Anwendungen zu begeistern."
Dennoch bleibt die IT-Infrastruktur trotz der Annäherung ans Business ein wesentlicher Erfolgsfaktor. So errichtet Audi derzeit ein Rechenzentrum in Ingolstadt. "Die Leistung der Mitarbeiter, die unsere Server 24 Stunden am Tag in Betrieb halten, ist genauso wichtig wie die Abwehr im Fußball." Angegriffen wird hingegen in anderen Feldern: "Wir wollen IT-intern das Projekt- und Architektur-Management deutlich stärken", betont Ulbrich. IT-Sicherheit als Schwerpunktthema sei bereits adressiert worden, ebenso die Internationalisierung und die In-Car-IT "Audi connect", ein wichtiges Differenzierungsmerkmal im Wettbewerb.
Drei-Jahres-Plan ist in Arbeit
Ist der CIO-Wechsel also auch eine Chance für die IT-Organisation, Blockaden zu lösen und Vorgehensweisen zu hinterfragen? "Diese Fähigkeit sollte ohnehin jedes Unternehmen haben", gibt sich Ulbrich zurückhaltend. Schließlich würden sich Rahmenbedingungen permanent ändern. Trotzdem definiert er derzeit einen Drei-Jahres-Plan zusammen mit den Fachbereichen. "Wenn Sie die Zeit nicht aktiv gestalten, wird die Zeit für Sie gestaltet." Das gilt sowohl für drei Jahre als auch für 100 Tage.