Schwerpunkt E-Business: Versandhandel bei Neckermann

Auf allen Kanälen

07.07.2003
Viele Unternehmen scheuen eine Multi-Channel-Strategie - den Handel über möglichst viele Vertriebskanäle. Das Frankfurter Versandhaus Neckermann verkauft seine Waren bereits seit 1995 online und startet fortlaufend neue elektronische Vertriebswege - etwa über PDA oder digitales Fernsehen. 15 Prozent trug der E-Commerce 2002 zum Umsatz bei; der Break Even gelang bereits 2000.

Beim Online-shopping läuft es wie im richtigen Leben: Nach dem sonntäglichen Einkaufsbummel warten die Onlinekäufer bis zu den gewohnten Ladenöffnungszeiten, obwohl sie im Web rund um die Uhr bestellen könnten. "Die meisten ordern am Wochenanfang", sagt Markus Krechting, Direktor Neue Medien beim Versandhauskonzern Neckermann. Auch Onlinekunden fällt es offenbar schwer, sich von alten Denkmustern zu lösen.

Neckermann startete bereits 1995 mit dem Verkauf von Waren über das Web. Inzwischen sind mit der Multi-Channel-Strategie neue Verkaufswege hinzugekommen. So können die Kunden heute mehr als 100000 Artikel auch per SMS (seit Oktober 2001), PDA (seit Ende 2001) und I-Mode-Handy (September 2002) bestellen. Künftig sollen sie auf Basis der Multimedia-Home-Plattform zudem über das digitale Fernsehen shoppen können; ein weltweit erstes Pilotprojekt in dieser Richtung hat Neckermann zusammen mit Sony und Seven One Intermedia, einer Tochter von Pro Sieben Sat.1 Media, bereits auf der Cebit 2002 vorgestellt. "Wir müssen die Kunden dort erreichen, wo sie sich gerade aufhalten und ihnen den Bestellvorgang so einfach wie möglich machen. Hat der Kunde sich einmal bei uns registriert, kann er mit seiner persönlichen Kundennummer in allen Vertriebskanälen beliebig einkaufen", sagt Krechting.

Zwar ist der I-Mode-Umsatz noch sehr gering, doch Krechting setzt weiter auf die neue Übertragungstechnik, weil er sie für zukunftsträchtig hält und schon früh Erfahrungen sammeln will. Kaum mehr Bestellungen gibt es via PDA. Kunden nutzten das Gerät vor allem, um sich offline darauf geladene Web-Angebote anzusehen. Die WAP-Technologie hingegen erscheint Neckermann nicht als vertriebstauglich; sie wird deshalb nicht angeboten - eine richtige Entscheidung, wie sich zeigt. Ebenso halten sich die Frankfurter bei UMTS und WLAN noch zurück. "Niemand kann heute seriös einschätzen, was sich durchsetzen wird", gibt Krechting zu bedenken.

Ziel: 20 Prozent Umsatz mit E-Commerce

Allein im vergangenen Jahr gewann Neckermann.de mit der Mehrkanalstrategie 40 Prozent Neukunden für den Neckermann-Versand. Die Umsätze lagen im Jahr 2000 bei 107 Millionen Euro und führten damit zum Break Even. Nach 190 Millionen Euro 2001 stieg der Umsatz 2002 nochmals um rund 50 Prozent auf 280 Millionen Euro. "2002 lag der Anteil des E-Commerce am gesamten Versandumsatz bei gut 10 Prozent. Langfristig wollen wir 20 Prozent erreichen", gibt Krechting das Ziel vor.

Allerdings spricht nach Krechtings Meinung nicht nur die historische Entwicklung bei Neckermann für die Eigenlösung; Standardplattformen müssten immer noch angepasst werden. "Keine mir bekannte Standard-plattform bietet ausreichende Personalisierung, sodass stets noch Individualsysteme aufgesetzt werden müssen." Das treibe den Preis für die ohnehin schon recht teuren Shopping-Plattformen weiter in die Höhe. "Für uns stellt sich das Kosten-Nutzen-Verhältnis mit der Eigenentwicklung gut dar", freut sich Krechting.

Sämtliche gesammelten Kundendaten fließen auf den Host von Itellium. Die IT-Dienstleistungsgesellschaft wurde 2000 gegründet, ein Jahr nach der Fusion von Karstadt und Quelle. Sie betreibt den zentralen Host und den Neckermann.de vorgeschalteten Application Server, auf dem weitere Softwarelogiken liegen. Die Anfang des vergangenen Jahres ins Leben gerufene Konzerntochter Karstadt-Quelle Information Services (KQIS) wiederum wertet die Kundendaten von Neckermann, Karstadt und Quelle aus.

Kundendaten sofort verfügbar

Allerdings nicht alle Kundendaten, wie Krechting, der sich etwas schwer tut, wenn es um den Umgang mit sensiblen Transaktions- und Verhaltensdaten geht, immer wieder betont. "Wir sammeln nur Daten, die Kunden bei ihrer Registrierung eingeben. Bis heute haben wir noch keine Cookies verwendet."

Mehr als zwei Prozent der Surfer kaufen

Alles zusammen führt zur entscheidenden Conversion-Rate, dem Verhältnis der Besuchszahl zur Zahl der Bestellungen. In den USA liegt diese Rate bei etwa zwei Prozent. "Die Erfolgsfaktoren für eine deutlich hohe Conversion-Rate sind mit der sensibelste Punkt im E-Commerce-Wettbewerb. Die Kunst ist es, den Wert zu erhöhen; eine Verdoppelung wäre schon ein Riesenerfolg", so Krechting, der durchblicken lässt, dass die Wandlungsrate bei Neckermann.de klar über vier Prozent liegt.

Dieser Wert allein überzeugt indes noch keinen Finanzvorstand; realistisch berechnete Umsätze zählen. "Für Neckermann.de planen wir Umsätze auf Tages- und Wochenbasis. Auf dieser Grundlage stellen wir beispielsweise für Sonderaktionen ausreichend Waren ins Lager oder Servicekapazitäten im Customer Care Center bereit. Nur dann können wir Umsätze genauer planen", so Krechting.

Bevor die Umsätze verbucht werden können, müssen die Kunden bezahlen. Die sekundenschnelle Onlinebonitätsprüfung entscheidet darüber, ob jemand per Rechnung bezahlen darf oder nur per Nachnahme. "Die Kunst ist es, etwa Daten der Kreditauskunft Schufa mit Informationen wie der Adresse zusammenzuführen und daraus abzuleiten, ob der Kunde zahlungskräftig ist", sagt Krechting.

Die elektronische Abrechnung über Kreditkarte bietet Neckermann nicht an. Interne Befragungen haben gezeigt, dass aufgrund von Sicherheitsbedenken nur wenige Kunden diese Zahlungsart nutzen würden. Außerdem sei bislang unklar, ob beim Ausfall des Kartenbetreibers der Betreiber oder der Kunde für die ausstehenden Kosten aufkommen müsse. "Die elektronische Zahlung nehmen die meisten unserer Kunden heute noch nicht als ausreichend sicheren Weg wahr", weiß Krechting. Onlinekäufer scheinen sich auch von den klassischen Bezahlsystemen nur schwer lösen zu können.