Die CIOs sahen sich einer Extremsituation ausgesetzt: JP Morgan hat den Konkurrenten Bear Stearns in einer Notsituation für lächerliche zehn Dollar pro Aktie übernommen. Die Teilnehmer sollten in der Rolle des CIO von Bear Stearns dem CFO von JP Morgan die Leistungsfähigkeit ihrer IT darstellen. Ziel war es, dass der CIO der unterlegenen Bank den Lead bei der anstehenden Integration bekommen sollte.
In diesem Jahr trafen sich die Mitglieder des CIO-Circle in Hamburg zu ihrer fünften Jahrestagung. Mehr als 100 CIOs reisten zum diesjährigen Treffen an. Die Zahl der Mitglieder stieg im vergangenen Jahr um 100 weitere CIOs und beläuft sich mittlerweile auf 729. Das Netzwerk hatte sich im Oktober 2002 gegründet und dient dem offenen und vertrauensvollen Austausch von IT-Managern. Nach wie vor können nur CIOs Mitglied werden, und zwar kostenlos. Dagegen bleiben IT-Anbieter und IT-Dienstleister sowie Berater und IT-Spezialisten unterhalb der CIO-Ebene außen vor (mehr Informationen unter www.cio-circle.de).
So ging es auch tatsächlich sehr offen in den Arbeitskreisen zu, als die Teilnehmer über ihre Rolle im Banken-Merger diskutierten. Zugegeben, es handelte sich um ein völlig unrealistisches Szenario. Das erwies sich in der Abschlussdiskussion, wo CIOs über ihre Erfahrungen bei Übernehmen berichteten.
Meist ist alles schon vorentschieden
Bei Mergern entscheidet das Management des Käufers frühzeitig, wie es vorgehen will. Die IT-Abteilungen werden dann vor vollendete Tatschen gestellt. Der CIO des übernommenen Unternehmens kann machen, was er will, er muss sich den Entscheidungen fügen. Die IT des übernommenen Unternehmens wird integriert. In seltenen Fällen kann sie einige Teile retten wie ein SAP-System oder - noch seltener - selbstständig weiterarbeiten. Letzterer Fall kann eintreten, wenn die Geschäftsprozesse zu unterschiedlich sind.
Die wichtige Erkenntnis aus dem Fallbeispiel war: Der CIO muss diese Spielchen des Managements erkennen, durchschauen und selbst sein Spiel gestalten. Das heißt: Er muss jederzeit auf Merger-Situationen vorbereitet sein. Dafür sollte er alle relevanten Kennzahlen stets aus der Schublade ziehen können, um den Nutzen der IT und ihren Wertbeitrag für den Unternehmens-erfolg in anschaulicher und verständlicher Form nachweisen zu können. Mit der Vorbereitung und Erkenntnis lebt es sich dann auch entspannter als CIO.
CIO Rainer Janßen von der Münchener Rückversicherung warnte allerdings in seiner Keynote zur Eröffnung der Jahrestagung vor allzu großer Zahlengläubigkeit. In seiner Rede stellte er die Rolle des Kaufmanns der des Ingenieurs gegenüber. Den Ingenieur, also den Informatiker, beschrieb er als jemanden, der das beste Produkt schaffen will. Die Kosten dafür spielen für ihn eine geringe Rolle. Den Kaufmann, oder besser Betriebswirt, charakterisierte er als Homo Oeconomicus, der alles rational nach Zahlen entscheidet, um ein Produkt möglichst günstig herzustellen.
IT ist schwer zu begreifen
Doch nur auf Kosten zu schauen schadet dem Geschäft wie Beispiele aus der Industrie belegen. Nach rigorosen Sparprogrammen litt bei manchem Autohersteller die Qualität der Wagen. Doch auch das andere Extrem, schlägt fehl: Ingenieurs-gesteuerte Firmen bauen schon mal Autos von höchster Qualität, die sich aber nicht rechnen. Immerhin kann man im Gegensatz zur IT ein Auto noch sehen und anfassen. Bei der IT wird´s schwierig: Die Kosten der IT-Komplexität lassen sich nur schwer anschaulich darstellen.
Um nun die IT gegenüber dem Management fassbar und verständlich zu erklären, greifen CIOs auf eine Reihe von Methoden zurück. Janßen arbeitete dabei den Nutzen und vor allem die Grenzen von Benchmarking, Leistungsverrechnung, RoI und Kennzahlen (KPI) heraus. Sein Ergebnis: Wenn CIOs diese Methoden zu akribisch betreiben und nach Perfektion streben, wird ihnen das nichts bringen. Denn nicht alles lässt sich in Zahlen fassen, und manches wirke gar kontraproduktiv: Wenn man jeden Anruf beim User Helpdesk bepreist, wird der Homo Oeconomicus letztlich sagen: Die Mitarbeiter sollen weniger dort anrufen, dann sparen wir Geld. Allerdings werden dann auch weniger Probleme gelöst, das Business leidet, und das unproduktive Hey-Joe-Prinzip kehrt wieder zurück.
Sein Fazit: Die IT allein kann nicht ihren Nutzen für das Unternehmen erzeugen, sie braucht dafür das Business. Also muss sich der IT-Chef frühzeitig bei IT-Projekten um Rückendeckung vom Management kümmern. Dafür braucht ein CIO am besten ein Alter Ego im Management, mit dem er gut kann, der die IT-Anliegen versteht und unterstützt.