Mobile Wallets sind derzeit ein heiß diskutiertes Thema. Mit großem Zukunftspotenzial versehen, scheinen die Lösungen aber noch nicht bei den Endanwendern angekommen zu sein. Das Angebot hält sich in Grenzen, und die Marktdurchdringung in Deutschland ist bescheiden. Der vielzitierte "Krieg der Mobile Wallets" scheint sich, wenn überhaupt, nur hinter den Kulissen abzuspielen. Welche Gründe dafür gibt es?
Eines der grundlegenden Probleme ist das völlig unterschiedliche Verständnis der einzelnen Marktteilnehmer davon, was eine Mobile Wallet überhaupt ist. Der Begriff wird gerne verwendet für mobile und elektronische Bezahlverfahren, manchmal auch gekoppelt mit einem Guthabenkonto (Stored-Value-Account). Damit wird eine Mobile Wallet aber auf den Anwendungsfall Bezahlung eingeschränkt, im schlimmsten Fall sogar nur auf das Bezahlverfahren eines einzelnen Anbieters.
Dies entspricht aber nicht der ursprünglichen Idee und dem eigentlichen Mehrwert der Mobile Wallet - der Ablösung der gesamten physischen Brieftasche mit all ihren Inhalten. Um dem gerecht zu werden, muss eine Mobile Wallet nämlich mehr leisten, als nur ein einziges Bezahlverfahren anzubieten: Sie muss den kompletten Inhalt der Brieftasche ersetzen - Kreditkarte, girocard (EC-Karte), Zugtickets, Personalausweis, Führerschein, Bahncard, Coupons, Punktekarten, Mitarbeiterausweise und am besten auch noch Autoschlüssel, Hotel- und Haustürschlüssel. Es geht also weniger darum, einen neuen (Bezahl-) Dienst einzuführen, sondern die schon bestehenden Anwendungen zu digitalisieren und dadurch die physische Brieftasche abzulösen. Natürlich eröffnen sich über die interaktive Schnittstelle Smartphone dann auch ganz neue Anwendungsmöglichkeiten für diese Dienste.
Eine neue Infrastruktur muss aufgebaut werden
Im Kern ist jeder Dienst in unserer Brieftasche für den Nachweis unserer Identität oder eines Besitztums gedacht. Diese Information wird auf Papier oder Karten abgelegt, entsprechend der Kritikalität abgesichert, und kann gegenüber einer Gegenstelle wie einem Kartenlesegerät authentisiert werden. Um diese Informationen in einer Mobile Wallet entsprechend abzulegen, bedarf es also einer sicheren Ablage und der Möglichkeit, die Authentifizierung zu einer Gegenstelle durchführen zu können.
Für komplexere Dienste mit hohen Sicherheitsanforderungen, wie zum Beispiel Bezahlkarten oder den Personalausweis, bedarf es dazu der sogenannten Kartenemulation mit dem Smartphone. Smartphones benötigen dafür spezielle Hardwarekomponenten wie NFC (Kommunikationsschnittstelle zu Lesegeräten) und ein Secure-Element (Smartcard-Chip). Auch die Lesegeräte müssen in der Lage sein, Karten kontaktlos auszulesen, denn ein Smartphone kann nicht wie eine Karte in ein Lesegerät geschoben werden.
Technisch können diese Voraussetzungen heute schon umgesetzt werden. Ein Großteil der neu auf den Markt kommenden Smartphones ist auch entsprechend ausgerüstet, derzeit mit Ausnahme des iPhones. Hier hat sich in den vergangenen Jahren sehr viel getan. Die große Hürde im Markt ist an anderer Stelle zu finden: die Infrastruktur an Akzeptanzstellen und Lesegeräten. Diese ist derzeit noch nicht umgestellt, ebenso wie Standardisierungen und regulatorische Rahmenbedingungen einiger Teilbereiche, wie beispielsweise für den Personalausweis.
Diese Umstellungen sind komplex und umfangreich. Im Gegensatz zu vielen anderen Innovationen im Bereich Smartphone besteht bei der Mobile Wallet eine starke Abhängigkeit von externer Infrastruktur und komplexen wirtschaftlichen Ökosystemen. Doch das Potenzial der Mobile Wallet wurde von vielen Marktteilnehmern erkannt, die Vorbereitungen für die Umstellung und Erweiterung der Infrastrukturen finden bereits hinter den Kulissen statt.
Die Einführung von Mobile Wallets ist anspruchsvoll und bedarf eines langen Atems. Die Einführung am Markt wird daher schrittweise erfolgen, beginnend bei Bezahlkarten und mit sukzessiver Erweiterung des Diensteangebotes. Die volle Ablösung der Brieftasche wird wohl noch einige Jahre dauern, aber die Weichen dafür werden derzeit schon gestellt. Der Endkunde wird noch etwas Geduld benötigen, für mögliche Anbieter von Wallet-Diensten heißt es aber jetzt schon zu handeln.