Es klingt verlockend. Ein berufserfahrenes Team aus hochqualifizierten IT-Mitarbeitern wechselt gemeinsam die Firma. Lange Einarbeitungsphasen entfallen, denn man kennt und schätzt sich untereinander seit vielen Jahren. Bisher konzentrierten sich Headhunter meistens darauf, einzelne Führungskräfte anzusprechen, zu überzeugen und schließlich abzuwerben. Gerade wenn das Unternehmen ein neues Technikthema etablieren wollte, mussten anschließend die Arbeitskräfte für das neue Team gefunden und an Bord geholt werden. Eine Garantie, dass diese Gruppe reibungslos zusammenarbeitete, gab es trotzdem nicht.
Viel einfacher scheint es, der Konkurrenz gleich eine Führungskraft mitsamt Team abzujagen. Jörg Schneider, Geschäftsführer von Profcon, entdeckte vor zwei Jahren diesen Trend für seine Personalberatung und sicherte sich gleich die passende Web-Adresse Teamhunting dazu. "Ein Kunde hat mich auf die Idee gebracht", gibt der Headhunter und studierte Wirtschaftsmathematiker aus Liederbach im Taunus zu. Auf diese Weise fand er eine Nische, die gute Geschäfte versprach.
Die Idee ist allerdings schon älter. Drohte eine Insolenz oder stand der Verkauf eines Unternehmens an, suchten sich oftmals ganze Arbeitsgruppen in Eigeninitiative einen neuen Arbeitgeber. Auch bei Guido Ahle, Geschäftsführer der Management- und IT-Beratung Acando in Hamburg, klopften schon ganze Teams an die Firmentür: "Für uns ist das nichts Neues. Seit zehn Jahren übernehmen wir immer wieder aus unterschiedlichen Gründen ganze Teams."
Nicht immer war ein Personalberater involviert, mancher Projektleiter bot die eigene Arbeitskraft und die seiner Mitarbeiter gleich als Paket an. Das Procedere bleibt jedoch das gleiche. Mit jedem Einzelnen muss individuell ein Arbeitsvertrag ausgehandelt werden. Deshalb freut sich Ahle, wenn "ein externer Personalberater den Prozess managt".
Investment in die Zukunft
Auch wenn für den Hamburger Manager die Vorteile klar auf der Hand liegen, verschweigt er nicht, dass es viel Zeit kostet, die Kollegen zu integrieren. Nicht immer wartet ein Projekt auf die Neuen und so kann es dauern, bis ein neues Team auch produktiv arbeitet. "Es ist ein Investment in die Zukunft, Aufträge können oft erst akquiriert werden, wenn das neue Team an Bord ist und seine Kompetenzen im Kundenkontakt einbringt", erläutert der Acando-Manager. Für Unternehmen auf Wachstumskurs eröffnet Team-Hunting einen neuen Recruiting-Weg: "Reibungsverluste gibt es immer, doch wir hatten noch keine kompletten Fehlschläge, auch wenn es am Anfang nicht immer hundertprozentig passt."
Auch Kai-Oliver Schäfer, Vice President Business Information Management von Capgemini, übernimmt seit 2005 immer wieder ganze Teams und integriert sie ins Unternehmen. Gerade die IT-Beraterbranche scheint ideal für das Team-Hunting zu sein. "Inhaltliche Lücken lassen sich schnell schließen. Außerdem ist es von Vorteil, wenn sich die neuen Mitarbeiter schon kennen", so Schäfer. Teams vom Kunden abzuwerben sei allerdings tabu, versichert der Manager.
Headhunter Schneider braucht etwa ein halbes Jahr, bis er den Wechsel ganzer Arbeitsgruppen unter Dach und Fach hat. Denn die Akquise ganzer Teams verlangt besonders großes Fingerspitzengefühl. Angesprochen wird wie im klassischen Headhunting zunächst die Führungskraft. In diesen Gesprächen geht es oft auch um die Frage, ob es Mitarbeiter gibt, die der Teamleiter gerne mit in die neue Firma nehmen will. Verneint der Angesprochene, wird Schneider hellhörig. "Wenn die Führungskraft niemanden aus seinem Team mit in das neue Unternehmen nehmen möchte, bin ich skeptisch. Das könnte heißen, dass er unbeliebt ist und die Kollegen froh sind, wenn er weg ist." Der Headhunter fragt zwar nach den Gründen, doch meistens streicht er solche Kandidaten von seiner Liste.
Nennt der Angesprochene dagegen einige Namen, muss der Personalberater den Kontakt herstellen, denn so lange die Führungskraft noch einen Arbeitsvertrag hat, darf sie die eigenen Mitarbeiter nicht aktiv abwerben. "Durchschnittlich wechseln fünf bis zehn Spezialisten mit dem Chef den Job. Meistens lässt sich das Auswahlverfahren bis zum Vertragsabschluss in sechs Monaten managen", erläutert Schneider. Mancher aus dem Team wittert auch für sich die Chance, in der bisherigen Firma aufzusteigen und schlägt einen Wechsel aus. Sicher gibt es auch den ein oder anderen Mitarbeiter, den die Führungskraft gerne zurücklässt und dessen Namen er nicht nennt, auch wenn das keiner der Gesprächspartner ausdrücklich bestätigen wollte.
In der IT-Beratung, im Management und im Vertrieb funktioniere das Geschäftsmodell Team-Hunting besonders gut, ist Schneiders Erfahrung. Allerdings gibt es Obergrenzen bezüglich der Teamgröße. So scheiterte die Vermittlung einer 30-köpfigen Mannschaft, wie Schneider berichtet. Zu verschieden seien die Wünsche jedes Einzelnen gewesen: "Bei Gruppen von fünf bis zehn Personen funktioniert es am Besten."
Einmal im Team, immer im Team?
Das Auswahlverfahren der Kandidaten in den Zielfirmen unterscheidet sich nicht vom herkömmlichen Prozedere. "Wir haben unsere Qualitätsstandards und die müssen alle erfüllen", meint Capgemini-Mann Schäfer aus Stuttgart dazu. Klare Vorgaben und glaubwürdige Gespräche mit den Bewerbern helfen seiner Meinung nach im Auswahlprozess. Dagegen erteilt er überzogenen Gehaltsforderungen der Neuen eine Absage.
Wer bei Capgemini als Team beginnt, hat keine Garantie, dass diese Arbeitskonstellation dauerhaft erhalten bleibt - auch das werde angesprochen. Schäfer betont zwar, dass die neuen Kollegen in die Unternehmenskultur integriert werden, doch er versucht, Ängste zu zerstreuen: "Wir haben Respekt vor dem Individuum und unsere Kultur lässt Vielfalt in den Persönlichkeiten zu."
Gerade weil in der IT-Branche für manche Themen die Spezialisten fehlen, entwickelt sich Team-Hunting zum lukrativen Marktsegment für Personalberater. "Wir haben in der IT-Beratung einen Arbeitnehmermarkt. Die Leute kennen ihren Marktwert; sie erhalten mindestens einmal pro Woche eine Anfrage über Xing oder andere Netzwerke", weiß Acando-Chef Ahle. Die gute Lage am Arbeitsmarkt erhöhe die Wechselbereitschaft, gleichzeitig sei das Risiko zu scheitern gering. Doch der Manager kennt auch die andere Seite, denn er hat auch schon Teams verloren.
Die Wechselbereitschaft von qualifizierten Mitarbeitern macht es Headhuntern leichter, potenzielle Kandidaten zu finden. Schließlich zählten auch alte Tugenden wie Loyalität nicht mehr besonders viel, wie mancher Firmenchef klagt. Mit dem neuen Kräfteverhältnis und der gestiegenen Nachfrage löste sich auch ein anderes Dogma der IT-Branche in Wohlgefallen auf. Junge Fachkräfte galten viele Jahre als die begehrtesten Bewerber, doch das ändert sich nach Ansicht der Manager Ahle und Schäfer zumindest in der IT-Beratung. "Berufserfahrung ist wichtig. Das Alter der Teammitglieder, mit denen wir in Kontakt kommen, liegt oft bei Ende 40 bis Anfang 50", sagt Capgemini-Mann Schäfer.
Nachteile des Team-Huntings scheint es zumindest für das aufnehmende Unternehmen keine zu geben. Wer dagegen eine komplette Arbeitsgruppe verliert, sieht es anders. Einen wirklichen Schutz gegen solche Abwerbeaktionen von Headhuntern gibt es kaum. Ein Nachteil birgt das Team-Hunting möglicherweise doch, nämlich das Honorar des Vermittlers, doch das wollte niemand der Gesprächspartner bestätigen oder wirklich dementieren.
Die Arbeitswelt im Jahr 2020
Wie die Arbeit- und Lebenswirklichkeit im Jahr 2020 aussehen könnte, darüber dachten die beiden US-Amerikanerinnen Jeanne Meister und Karie Willyerd nach. Wie in US-amerikanischen Business-Bücher oft üblich, verpacken sie ihre Ideen in eine kleine Geschichte mit fiktiven Protagonisten. Manches, was sich dort noch wie eine Idee für die ferne Zukunft liest, ist im Alltag angekommen. Doch von solchen Zugeständnissen einmal abgesehen, diskutieren die Autorinnen die Zukunftstrends und Herausforderungen für den US-amerikanischen Arbeitsmarkt.
Nicht alles lässt sich auf Europa oder Deutschland übertragen, doch die großen Linien ähneln sich. Vom demografischen Wandel über mobiles Arbeiten, soziale Netzwerke und Web 2.0 deckt das Buch das ganze Spektrum ab. Auch das Thema "Team-Hunting" taucht dort als Trend auf.
(Quelle: Computerwoche)