Windows 8, Tablets und Smartphones

Aus CIO-Sicht ist der PC alles andere als passé

30.07.2013 von Karin Quack
IT-Chefs wie Andreas Nolte von der Allianz und Thomas Schott von Rehau begrüßen die Endgerätevielfalt und die Möglichkeiten der Desktop-Virtualisierung. Aber auf ihren PC oder Laptop wollen sie deswegen noch lange nicht verzichten.

Windows 8 ist es egal, auf welchem Gerät es läuft. Mit einem solchen Statement wirft Microsoft Fragen auf. Beispielsweise die nach der Zukunft des PC.

In den 80er Jahren als Client-Revolution in der Informationstechnik gefeiert, ist der stationäre PC - wie auch sein mobiler Bruder, der Laptop - heute für viele ein Auslaufmodell: Anwender, die nicht nur vom Unternehmensschreibtisch aus arbeiten, nutzen lieber leichtere Geräte, mit denen sie unterwegs auf Unternehmensanwendungen zugreifen können. Gleichzeitig werden die voll ausgestatteten Kleinrechner in den Büros im Rahmen der Desktop-Virtualisierung oft durch Thin Clients ersetzt. Hat der PC also seine Schuldigkeit getan?

"Auf absehbare Zeit kann ich mir nicht vorstellen, auf meinen Laptop zu verzichten", sagt Andreas Nolte, CIO der Allianz Deutschland. Selbstverständlich hat der IT-Manager ein Tablet und ein Smartphone zur Verfügung. Aber um Präsentationen zu erstellen, Excel-Kalkulationen anzufertigen oder Access-Operationen auszuführen, braucht er doch ein Gerät mit ausreichender eigener Rechen-Power. Und da sein Notebook nicht mehr als zwei Kilogramm wiegt, nimmt er es auch überall hin mit.

Allianz: Noch keine Akzeptanz für eine reine Online-Lösung

Den Außendienstlern des Versicherungskonzerns geht es offenbar ähnlich: "Für eine reine Online-Lösung gibt es da noch keine Akzeptanz", hat der IT-Verantwortliche herausgefunden. Schon allein deshalb, weil die Netzabdeckung in ländlichen Gebieten teilweise nicht ausreicht. Zwei verschiedene Geräte mitzunehmen will die Allianz den Verkäufern aber auch nicht zumuten. Deshalb bleibt es in diesem Bereich fürs Erste bei der Ausstattung mit möglichst leichten und leistungsfähigen Laptops.

Dr. Andreas Nolte, Allianz: "Auf absehbare Zeit kann ich mir nicht vorstellen, auf meinen Laptop zu verzichten".
Foto: Allianz

Im Innendienst, den "Betriebsgebieten", wie Nolte sie nennt, fährt die Allianz eine andere Strategie. Dort hat sie einen Großteil der Anwendungen bereits virtualisiert, und zwar auf der Basis von "V-Blocks", die von Cisco, EMC und VMware gemeinsam vermarktet werden. Jeder dieser etwa neun Meter breiten und zwei Meter hohen Blocks kann etwa 4000 Anwender bedienen.

Vier dieser Blocks werden derzeit bei der Allianz installiert. Bis zum Ende des Jahres sollen 10.000 Innendienstmitarbeiter darauf zugreifen können. Dazu erhalten sie Thin Clients, auf denen lediglich die Client-Software von Citrix läuft: "Die Logik ist dieselbe wie vor 25 Jahren bei den 3270-Terminals", erläutert Nolte: "Das Gerät ist quasi nur das TV-Gerät, die Sendung kommt vom Server."


Vorteil 2: Mehrere Bildschirme
Tablets haben genau einen Bildschirm. Und der spiegelt in den meisten Fällen auch noch. Außer bei Windows-8-Tablets ist es auch nicht möglich, einen externen Monitor anzuschließen und das Tablet-Betriebssystem sowie zugehörige Apps auf mehrere Bildschirme zu verteilen. Bisweilen lassen sich Tablets als externe Monitore am PC verwenden - was auch immer der Sinn dahinter sein soll.<br><br> Ganz anders ist die Situation bei einem ausgewachsenen PC. Hier lässt sich das vorgängig beschriebene Multitasking-Feuerwerk auf mehr als einen Bildschirm verteilen. Der Anwender arbeitet mit mehreren geöffneten Browser-Fenstern, während er die Ergebnisse aus der Excel-Tabelle im rechten Bildschirm in die Powerpoint-Präsentation auf dem linken Bildschirm zieht. Das Foto für die Präsentation liegt bereits im Ordner auf dem dritten Bildschirm bereit und wartet auf Bearbeitung.
Vorteil 4: Multimediaaufbereitung
Bilder bearbeiten, Videos schneiden und Audio-Tracks zusammenstellen: Klar gibt es hierfür auf dem iPad eine Touch-Version von iPhoto, iMovie und Garageband oder auf der Android-Seite das Movie Studio.<br><br> Um aber richtig bei der Bearbeitung von Multimedia-Inhalten Gas geben zu können, müssen schon echte Anwendungen her. Wir sprechen hier von Photoshop, Final Cut Pro und weiteren professionellen Content-Tools. Nur diese verfügen über Funktionen und über die Präzisionswerkzeuge, welche den Profi oder ernsthaften Amateur vom Tabletfingerkleckser abhebt. Hier machen die Bedienung per Maus und ein großer Bildschirm eindeutig ein besseres Bild.
Vorteil 5: Arbeiten an Mammutrechenblättern
Das Arbeiten mit umfangreichen Excel-Tabellen ist schon am PC kein Honigschlecken. Aber soll man sich wirklich das Leben so schwer machen, indem man Daten und Formeln in die Zellen mit dem Finger eingibt sowie sich mit den eigenen Griffeln durch zig Reihen und Zeilen von Zahlen wühlt? Nur Masochisten beantworten diese Frage mit 'ja'.<br><br> Ähnliches gilt auch für Texte. Die wenigsten von uns sind Romanciers. Dennoch dürfte es vorkommen, dass hin und wieder ein längerer Text ansteht. Wehe dem, der diesen über die berührungsempfindliche Software-Tastatur auf dem Tablet verfassen muss. Selbst mit den Bluetooth-Tastatürchen ist die Eingabe längerer Passagen nicht gemütlich. Froh, wer in einer solchen Situation eine ausgewachsene PC-Tastatur vor sich hat - mit Zahlenblock und Steuerpfeilen, versteht sich.
Das wahre Gaming-Erlebnis
Es gibt einen Grund, warum Angry Birds als das Tablet-Game gilt: Auf den Flachrechnern lassen sich nun mal keine Spiele betreiben, die in Sachen Grafik über den Stand eines Mario-Brothers-Game aus den 1990er Jahren hinausgeht. Für rechenintensive 3D-Grafiken, anspruchsvolle Physik-Engines, Horden von Spielern und alle anderen Design-Elemente, die nur mit Desktop-CPU und dedizierten Grafikkarten wirklich rund laufen, braucht es ausgewachsene PC.<br><br> Immerhin: Die Tablet-Generation mit einem überarbeiteten Haswell-Chip soll eine bessere Grafikleistung auch für Gamer bringen. Aber ob das reicht, um Crysis 3 in der höchsten Stufe zu spielen, darf mit Fug und Recht bezweifelt werden.
Vorteil 8: Statement gegen die Wegwerfmentalität
Man würde es nicht für möglich halten: Aber im Vergleich zu Tablets sind PC wahre Öko-Leuchttürme in unserer Wegwerfgesellschaft. Geht eine Komponente kaputt, kann man sie ausbauen und ersetzen und muss nicht das ganze Gerät auf die Müllhalde kippen. Auch Upgraden lassen sich die Geräte. Teile, die mit den jüngsten Applikationen nicht mehr standhalten können, lassen sich durch potentere Nachfolger ersetzen. Sogar Laptops lassen sich erweitern, zumindest in einem gewissen Rahmen.<br><br> Bei Tablets ist diesbezüglich nicht viel auszurichten. Selbst wenn man die Abdeckung aufbricht und die Innereien offenlegt, bräuchte es einige Hackerkünste, um tatsächlich eine Komponente auszutauschen. Von einer Erweiterung wollen wir aus Platzmangel gar nicht erst sprechen.
Vorteil 9: Fehlende Portabilität
Was zunächst als Nachteil gehandelt wird, kehr sich - genauer betrachtet - zum Vorteil. Die mangelnde Mobilität von Desktop-PC - und dazu gehören auch die übergrossen Notebooks, gegenüber Tablets. Haben Sie schon einmal gehört, dass jemand seinen Desktop-PC im Taxi vergessen hat? Auch wurden bisher nur wenig PCs versehentlich durch Unachtsamkeit zerstört oder von einem Auto überrollt.<br><br> Tablets werden nicht nur geklaut und im Flughafen bei der Sicherheitskontrolle zurückgelassen, ihr Bildschirm geht auch öfters in die Brüche, gerade weil die Dinger so leicht, klein und mobil sind.
Vorteil 10: Einfach mal abschalten
Auch der letzte Punkt ist im Grunde ein Vorteil der mangelnden Mobilität von PCs. Der Rechner lässt sich nicht so einfach mitnehmen, weder auf den Spaziergang, auf die Biketour noch an den Strand. Schlecht ist das keinesfalls.<br><br> Zwar bindet einen der PC an den eigenen Arbeitsplatz, sei dieser im Büro oder zuhause. Dafür kann man die Kiste auch einfach einmal stehen lassen und sich ungestört den schönen Dingen des Lebens hingeben. Sei es, um mit Freunden ungestört zusammenzusein, oder um einfach einmal allein sich den eigenen Gedanken hinzugeben. Gerätelose Quality Time eben.

Mit dem Rollout der von Dell/Wyse stammenden Geräte wurde im Mai dieses Jahres begonnen. "Das läuft ziemlich stabil, abgesehen von den üblichen Anfangsschwierigkeiten", sagt Nolte: "Und was mich darüber hinaus erstaunt hat, ist das verbesserte Anwortzeitverhalten; der Netz-Traffic ist um 30 bis 40 Prozent geringer, weil nur die Deltas der Darstellung hin- und hergeschoben werden." Last, but not least seien die kleinen Boxen mit angeschlossenem Monitor auch noch relativ robust: "Sie haben keine mechanischen Teile, ermöglichen also längere Laufzeiten", erläutert der Allianz-CIO.

Die Hälfte der Innendienstler hat schon Zero Clients

Etwa die Hälfte der Innendienstler erhalten solche Thin Clients, auch "Zero Clients" genannt. Die anderen behalten erst einmal ihre Fat Clients. Derzeit migriert die Allianz ihre PCs in einem großen Projekt auf Windows 7. Inwieweit sich die PC-Nutzer später auch der Thin-Client-Lösung anschließen sollen, ist noch offen.

Führungskräfte bekommen selbstverständlich neben dem Smartphone auch ein iPad, wenn sie das wünschen. Und damit können sie sich dank eines ausgefeilten Sicherheitskonzepts auch von überall her in das Unternehmensnetz einklinken. Dazu benötigen sie ein CitrixPlug-in sowie eine Secure ID und ein RSA Token.

Die Geräte, die sie dafür nutzen, sind bis auf ganz wenige Ausnahmen Firmeneigentum. Den Trend zu Bring your own Device (ByoD) betrachte Nolte "mit Interesse, aber abwartend". Bevor sich die Allianz dem anschließe, müssten noch einige technische Fragen geklärt werden.

Rehau: Neue Endgeräte-Strategie im kommenden Herbst

Auch Thomas Schott will den Fat Client noch nicht abschreiben. "Der PC ist tot - lang lebe der PC", fasst der CIO der auf Kunststoffverarbeitung spezialisierten Rehau-Gruppe seine Einschätzung des Endgerätemarkts zusammen. Das bedeute aber keineswegs, dass man sich an die Fat Clients klammern würde.

Vielmehr gibt es einen mit zwei Dutzend Testanwendern relativ breit angelegten Piloten für die Nutzung von iPads im Außendienst. Daneben läuft ein kleinerer Pilot für den Einsatz von Windows-Tablets innerhalb der IT und der Fertigung - mit Integration in die bestehende Microsoft-Landschaft.

Im dritten Quartal des laufenden Jahres wollen Schott und sein Team eine neue Endgeräte-Strategie formulieren. Die Ergebnisse der Testanwendungen sollen dort einfließen: "Derzeit bewerten wir das Projekt mit iPads und SAP tendenziell positiv", berichtet der CIO: "Die Netzverfügbarkeit reicht aus, zudem gibt es Offline-Funktionen des CRM-Systems, beispielsweise für die Erfassung des Besuchsberichts."

Mit den Windows-Tablets sind die Anwender allerdings noch nicht zufrieden: "Windows 8 läuft auf Tablets eher schlecht", konstatiert Schott. Microsoft habe aber bereits regiert und Windows 8.1 (siehe auch Windows 8.1 Preview - Download und Neuerungen) angekündigt: "Darauf hoffen wir."

Insgesamt beschafft Rehau rund 3000 PCs und 300 Smartphones pro Jahr - wobei Smartphones in Schotts Augen synonym für iPhones stehen. Die ständige Evaluierung des Markts führe immer wieder zum selben Ergebnis, sagt er: "Unsere Entscheidung für Apple finden wir seit drei Jahren jedes Mal bestätigt."

Thomas Schott, Rehau AG: Die Gerätevielfalt wird zunehmen", so das Fazit des Rehau-CIO, "und die neue Welt wird in hohem Maße von der Usability der auf den Geräten verfügbaren Software bestimmt."
Foto: Thomas Schott, REHAU

Dem ByoD-Trend setzt Schott das UyoD-Prinzip entgegen: "Use your own Device" bedeutet, dass der Anwender mit seinem privaten Equipment von zu Hause auf Unternehmensanwendungen zugreifen kann. Die Voraussetzungen dafür hat die Rehau- IT bereits vor einigen Jahren getroffen. Und so gibt es dafür heute bereits mehr als 500 User.

Ob er sich vorstellen könne, die Wahl der Endgeräte auch im Büro freizugeben? - Ja, das kann Schott: "Das wird irgendwann kommen - aber wir werden es nicht um jeden Preis mitmachen." Denn zwei Kriterien gelte es jeweils zu prüfen: Nicht nur die Sicherheit des Systems, sondern auch die Bedienbarkeit des Endgeräts und damit die Effizienz der Arbeit sind in diesem Zusammenhang ein Thema.

Abnehmende Bedeutung des PC als Universalwerkzeug

Unter dieser Prämisse wird sich das iPad im mobilen Vertrieb bei Rehau wohl durchsetzen - auch wenn es in Kombination mit einem PC die Kosten der Client-Beschaffung ein wenig in die Höhe treibt. Aber das zahlt sich am Ende aus. "Der Außendienst spart damit etwa zehn Minuten pro Kundenbesuch ein und ist damit deutlich effizienter", erläutert Schott.

In den Büros hingegen dürfte sich der PC noch eine ganze Zeit lang behaupten. Vor allem aufgrund der langen Regellaufzeit, vulgo: Abschreibung von vier Jahren - gegenüber drei für Laptops und Smartphones - ist er in puncto Kosteneffizienz derzeit unschlagbar.

Allerdings schrumpft seine Bedeutung als "Universalwerkzeug", wie Schott es formuliert. "Die Gerätevielfalt wird zunehmen", so das Fazit des Rehau-CIO, "und die neue Welt wird in hohem Maße von der Usability der auf den Geräten verfügbaren Software bestimmt." Wenn diese Qualität stimme, so sagt er voraus, werde es irgendwann wohl auch große Tablets für die klassischen PC-Arbeitsplätze geben.