Lindt & Sprüngli

Aus dem Netz zum Gaumen

27.09.2006
Lindt & Sprüngli hat mit einem Web-Shop einen Verkaufskanal für Endkunden geschaffen – ein Wagnis, denn erstmals umgeht der Schweizer Schokofabrikant damit den Großhandel. Ohne zahlreiche Partner wäre dies nicht möglich gewesen.

Die Entscheidung fiel den „Maîtres Chocolatiers“ nicht schwer, auch wenn Lindt & Sprüngli noch nie etwas mit dem Internet zu tun hatte. Der Schweizer Schokokonzern wollte ins Internet. Als Schokoladenhersteller mit 1,4 Milliarden Euro Umsatz entschied sich das Unternehmen für einen Online-Geschenkservice und nicht für eine reine Verkaufsplattform. Allerdings war Lindt bis dato auf den Großhandelskanal ausgelegt. Nun sollte der Endkunde ohne Zwischenhändler direkt aus dem Internet seine Schokolade bestellen können. Lindt suchte nach Lösungen, um dem Anspruch, immer eine Spur innovativer zu sein, Rechnung zu tragen und zu einem „Top Player“ für Online- Schokoladengeschenke aufzusteigen. Das „Ja“ für den neuen Internet-Vertriebskanal fiel 2001, und Lindt konnte durch den direkten Verkauf an Konsumenten und die Erschließung des B2B-Marktes durch Firmengeschenke die Marktpräsenz stärken.

Das Ziel der E-Business-Strategie war schließlich nicht nur, Umsatzwachstum generieren. „Wir wollten vorrangig eine Präsenz auch in neuen Kommunikationskanälen schaffen“, sagt der Marketingmanager New Business bei Lindt, Andreas Trümpler, „und in den Markt für Online-Geschenke einsteigen.“ Nicht nur Pralinen und Schokotafeln von Lindt sollten überall verfügbar und zu kaufen sein. Auf der Internet-Seite www.lindt.com soll sich der Ehemann noch schnell vor dem Hochzeitstag die Packung Schokolade bestellen können, die Oma ihren Enkeln vor Ostern die passenden Geschenksortimente aussuchen und Firmen ihre Kunden mit hochwertiger Verpackung und kulinarisch Verführerischem binden können. Darüber hinaus entwickelte der Kilchberger Schokoladenkonzern auch Produktbündel wie Schokolade und eine Musik-CD, die nur über diesen Kanal erhältlich sind.

Startschuss nach 150 Jahren

Das Unternehmen begab sich auf die ihm bis dahin unbekannten Wege der interaktiven Kommunikation. Den Weg ins Internet fand Lindt über Umwege. Bahnbrechend war der so genannte „Big Bang“, das Verschicken eines Schokoladegeschenks an jeden Schweizer Haushalt zum 150. Firmenjubiläum im Jahre 1995. Damit erhielt zum ersten Mal der Endkunde die Schokolade ohne Umwege über den Groß- und Einzelhandel von Lindt selbst. Daraus resultierte 1997 das Lindt´sche„Chocogramm“ zusammen mit der Schweizerischen Post, außerdem die „Pralinés-Post“ zusammen mit der Deutschen Post. Jeder Deutsche und Schweizer konnte in jeder Poststelle mit einer Bestellkarte Schokolade bei Lindt ordern, die ihm dann ins Haus geschickt wurde. Doch dieser Ablauf war zeitaufwändig und teuer, insbesondere da zu diesem Zeitpunkt noch keine Informationssysteme bestanden, die diesen B2C-Distributionsweg unterstützten und vereinfachten.

Dann folgte der Internet-Auftritt unter www.chocogramm.ch. Im Sommer 2001 wurde der Online-Auftritt weltweit auf www.lindt.com umgestellt, und damit wurden die Schokoladegeschenke weltweit online angeboten. Bereits beim Osterwettbewerb 2002 konnte Lindt 12 000 registrierte Teilnehmer verzeichnen. „Heute erreichen wir mit ähnlichen Wettbewerben bis zu 25 000 Teilnehmer, die zu potenziellen Schokoladekunden werden“, ergänzt Trümpler. Doch ohne einen Partner wäre das Online-Geschäft nicht möglich. „Wir wollten möglichst effizient arbeiten und einen Outsourcing- Partner finden, der die Shop-Plattform übernimmt“, sagt Marketing-Experte Trümpler. So übernahm yellowworldals Tochtergesellschaft der Schweizerischen gesamten B2C-Geschäftsfeldes über das Internet und über ein für Lindt betriebenes Call-Center. Der Schokoproduzent bestimmt dabei das im Internet angebotene Sortiment und den Verkaufspreis. Das Angebot gilt weltweit. Es wird jedoch zu zwei Dritteln für den Versand in der Schweiz genutzt, lediglich ein Drittel geht ins restliche Europa.

Der Partner yellowworld stellt für den Internet-Shop die gesamte IT-Logistik zur Verfügung. Unterstützt wird das Bestellen von Schokolade von einer so genannten IPEC, der Integrated Platform E-Commerce (siehe Grafik, Seite 40). Die Kundendaten werden über das „Checkout“ an das System von yellowworld weitergegeben. Dieses prüft die gültige Kreditkarte des Kunden und ob yellowworld liefern kann. Der Kunde bekommt eine Rückmeldung, dass die Schokolade bald verschickt wird. Bestellt ein Kunde über das Call-Center, werden die Daten direkt in die IPEC-Plattform eingegeben.

Die Datenmengen sind somit gering – der Kunde hinterlässt Name, Anschrift und Produktauswahl, auch das Sortiment selbst ist übersichtlich. Deshalb hat Lindt auf eine weitere Integration von Systemen, wie beispielsweise den Stammdatenabgleich, verzichtet. DieIPEC-Plattform wäre also durchaus in der Lage, einen automatisierten Datenaustausch zwischen Yellowworld und dem Logistikpartner Oeschger VPS zu unterstützen, der die Ware auch lagert. Trotzdem hat man sich für eine Kommunikation via E-Mail entschieden. Alle Artikelstammdaten, Aufträge und Bestände werden dann manuell in die jeweiligen Systeme übernommen. Auch Lieferengpässe werden an den Shop-Betreiber gemeldet, der dann eine Information auf der Website anbringen oder, wenn nötig, die Produkte aus dem Katalog herausnehmen kann.

30 000 Bestellungen mussten her

Um den Verkauf über diesen Kanal profitabel zu betreiben, muss ein Umsatzvolumen von etwa einer Million Schweizer Franken (630 000 Euro), entsprechend 30 000 Bestellungen, erreicht werden. Eine Halbtagsstelle reicht zurzeit aus, um den Verkaufsprozess im Internet zu betreuen. Bestellt wird am meisten nach den ein bis drei Werbekampagnen im Jahr zu den üblichen „Schenktagen“ Valentins- und Muttertag sowie zwischen September und Dezember im Vorfeld von Weihnachten.

Sicher haben die Stammväter des Unternehmens auchzu diesen Hauptzeiten die meiste Schokolade verkauft. Doch längst nicht so rasant wie der Verkauf über das Internet Einzug gehalten hat, hat sich aus der kleinen Confiserie an der Zürcher Marktgasse ein weltweites Unternehmen entwickelt. Zwar verkauften der Konditormeister David Sprüngli und sein Sohn Rudolf Mitte des vorletzten Jahrhunderts feste Schokolade sehr erfolgreich und bauten die kleine Konditorei zu einer großen Fabrik aus. Doch ohne Rodolphe Lindt, der die „Conche“ erfand, die Schokolade mit dem „feinen Schmelz“, hätte die Schweizer Schokolade nicht ihren weltweiten Ruf erlangt. Lindts „Schmelzchocolade“ wurde rasch berühmt. Sprüngli nutzte die sich ihm bietende Chance, Lindts Fabrik, Marke und geheimes Herstellungsverfahren zu erwerben, und es entstand 1899 „Lindt & Sprüngli“ mit einer großen Fabrik in Kilchberg bei Zürich.

Partner von Bestellen bis Bezahlen

Heute wäre ohne das Netz an Partnern für Lagerung, Kleinkommissionierung, Zustellung und Zahlungsabwicklung ein schneller und kostengünstiger Aufbau des Online-Geschäftsfeldes nicht möglich. Beteiligt sind deshalb die Schweizerische Post für den Versand und der Finanzservice „PostFinance“ für die Leistungsverrechnung über das Postkonto. Aseantic betreibt im Auftrag von Lindt den Webauftritt mit der Shop-Lösung. Oeschger VPS lagert für yellowworld die Schokolade ein und macht sie versandfertig. Dazu wird bei Lindt mehrmals im Jahr frische Schokolade und das Umverpackungsmaterial für den Versand der Pralinés abgerufen und eingelagert. Die Bestände werden einmal wöchentlich mit yellowworld abgeglichen und eventuell manuell im System von yellowworld oder Oeschger korrigiert – ein ausgetüfteltes Netzwerk.

Der B2C-Markt ist von Lindt mit einem schwierigen Produkt erschlossen. „Die Erwartungen waren zur Anfangszeit des E-Business hoch“, räumt Trümpler ein „und mussten um einiges redimensioniert werden.“ Nur ein minimaler Teil des Gesamtumsatzes entfällt derzeit auf das Internet-Geschäft, doch ist Trümpler zufrieden. Es ist durchaus möglich, einen solchen Absatzkanal wirtschaftlich zu betreiben, ist sich Trümpler sicher: „Das kann man aber nur erreichen, wenn man sich mit anderen e-Partnern vernetzt.“ Trümpler ergänzt: „Auch muss das Risiko mit den Partnern geteilt werden, sonst wird die Zusammenarbeit schwierig. Wenn der Kunde alle seine Bedürfnisse erfüllt sieht, ist der Web-Shop langfristig erfolgreich. Dazu gehören nebst einer attraktiven Produktauswahl in erster Linie auch ein perfekter Kundenservice und ein maßgeschneidertes Angebot an Zusatzdienstleistungen. Gerade in dieser Richtung sind wir derzeit daran, unser Angebot zu verbessern und auszubauen.“