Mainframes sind leistungsfähig, aber teuer. Durch die Workload-abhängigen Lizenzkosten sind die "großen Eisen" nur wirtschaftlich, wenn sie auch ausgelastet arbeiten. Oft stehen die Großrechner historisch bedingt an mehreren Standorten eines Unternehmens. Damit steigen die Kosten etwa für Räume oder Sicherheitsmaßnahmen. Um diesen Aufwand zu senken, hat die Deutsche Börse zwei ihrer Mainframes aus Luxemburg in das zentrale Rechenzentrum nach Frankfurt am Main verlagert.
Vor der Migration betrieb das Unternehmen laut Steffen Thomas Gremm von der Deutschen Börse am Standort Luxemburg zwei Host-Systeme in räumlich getrennten Rechenzentren. Sie bildeten das Rückgrat der Börse-Tochter Clearstream International, einem Abwicklungsunternehmen und Wertpapierverwahrer. Das eine Rechenzentrum unterstützte die produktiven Systeme, im rund 20 Kilometer entfernten zweiten Gebäude liefen Test- und Entwicklungsanlagen. Für das Spiegeln der Daten waren beide Rechenzentren über DWDM (Dense Wavelenght Divison Multiplexing) verbunden. Ein gemeinsames Disk-System mit drei EMC2-Controllern stellte die Daten zur Verfügung. Zusätzlich griff jedes Rechenzentrum auf ein eigenes Platten-Subsystem zu. Ein erheblicher Teil der Informationen lag jedoch nicht auf einem Disk-Speicher: Die Luxemburger Niederlassung betrieb fünf Tape-Libraries auf Robot-Systemen von StorageTek. Rund 8000 Bänder lagerten in Silos.
Diese komplexe Infrastruktur stellte das Projektteam bereits bei der Planung vor einige Schwierigkeiten, erläutert Gremm: "Damals bestand keine geeignete Verbindung zwischen den Rechenzentren Frankfurt und Luxemburg, über die wir die Daten hätten spiegeln können." Eine redundant ausgelegte ATM-Verbindung gewährte lediglich die Kommunikation zwischen den Hosts. Da die Migration den laufenden Betrieb keinesfalls stören durfte, galt es die Frage zu lösen, wie die Frankfurter z/Series über eine Entfernung von rund 300 Kilometern auf die Datenbestände der Luxemburger Tape-Libraries, Disk-Systeme und Silos zugreifen könne. Ein physikalischer Umzug der Bänder kam nicht in Frage: Zum einen wäre der Zeitaufwand nicht vertretbar gewesen, zum anderen setzte Frankfurt ein Tape-System ein, das andere Bandformate benötigte. So blieb nur, die Daten vom alten zum neuen Standort zu übertragen.
Als ob der Anschluss direkt gewesen wäre
Also schuf das Projektteam in einem ersten Schritt eine geeignete Verbindung zwischen den beiden Standorten. Das Herzstück dieser Infrastruktur bilden zwei geleaste Channel-Extensions vom Typ "UltraNet Storage Director" (USD) von CNT, einer in Frankfurt und der andere in Luxemburg. Diese erlauben Mainframes den Zugriff auf entfernte Geräte, als ob sie direkt am Host angeschlossen wären. Ausschlaggebend für die Wahl war laut Gremm, dass die Produkte alle eingesetzten Protokolle wie beispielsweise ESCON, SRDF oder Bus&Tag unterstützen.
Im Rechenzentrum übergab der USD die Daten an das vorhandene ATM-Netz zwischen Frankfurt und Luxemburg. Dabei griffen die beiden Luxemburger Zentren gemeinsam auf einen USD zu. Die Verbindung des Frankfurter Hosts zu den Speichersystemen in Luxemburg erfolgte werktags mit einer Übertragungsrate von 100 MBit/s. Am Wochenende stand die doppelte Bandbreite zur Verfügung. "Ohne die USDs hätten wir das Projekt kaum so umsetzen können", glaubt Gremm. Zumindest wären erheblich höhere Kosten entstanden, da sie für jedes Speichersystem eine eigene Infrastruktur hätten bauen müssen. Unter Umständen hätte man sogar den produktiven Betrieb vorübergehend einstellen müssen. "Mit der Lösung konnten wir die Daten von Disk, Tape und den Barr-Systemen gleichzeitig über ein System übertragen."
In dieser Konfiguration, die rund zwei Monate bestand, migrierte das Projektteam zunächst die 7,5 Terabyte Daten der Luxemburger Disk-Systeme ins Rechenzentrum Frankfurt. Zugleich testeten sie sorgfältig den kritischen Umzug der 8000 Speicherbänder, da die Daten höchsten Sicherheitsanforderungen unterlagen. Nachdem sich die USDs und das ganze Konzept bewährt hatten, folgte Phase zwei: Das redundante ATM-Netz sollte nun durch ein IP-basierendes WAN (Wide Area Network) ersetzt werden. Da unter IP die Daten einfach zu verschlüsseln sind, entschied sich die Deutsche Börse für dieses Protokoll. Die Umstellung der USDs von ATM auf IP bereitete keinerlei Schwierigkeiten, die Band-Daten konnten gespiegelt werden.
Damit war der heikle Teil der Host-Migration abgeschlossen. Die beiden z/Series-Großrechner in Luxemburg gingen vom Netz, und Frankfurt übernahm den kompletten Betrieb. Gremm: "Anstelle von vier Mainframes haben wir jetzt nur noch zwei - dadurch konnten wir unsere IT Kosten weiter senken."