30 Minuten warten und Langweile, weil das Elektroauto seinen Akku lädt? Bei BMW soll das Laden ab 2023 sogar Spaß machen. In Zusammenarbeit mit dem Schweizer Unternehmen N-Dream, dem Entwickler der Cloud-Spieleplattform AirConsole, will der Münchner Autobauer in seinen Fahrzeugen beim Laden "Casual Gaming" ermöglichen.
Dabei werden die Spiele direkt im Fahrzeug-Entertainment-System ausgeführt. Die AirConsole-Technologie ermöglicht die Bereitstellung von Spielen Over-The-Air (OTA) und deren Steuerung per Smartphone. Aus der Kombination von Smartphone als Controller und dem BMW Curved Display als Bildschirm sowie dem Entertainment-System als Rechenplattform wird das Fahrzeug zur Spielekonsole. Die Kopplung des Smartphones erfolgt dabei durch das Scannen eines QR-Codes.
Autos als Metaverse der Mobility
BMW ist jedoch nicht der einzige Autobauer, der versucht im Fahrzeug virtuelle und reale Welt zu einem Metaverse zu verknüpfen. Gabriel Seiberth, Leiter Industry X Automotive bei Accenture, sieht die Automobilindustrie bereits auf dem Weg zum Metaverse der Meta-Mobility. Gerade die Kombination modernster IT-Technologien wie NFT, Digital Twin, Blockchain - um nur einige zu nennen - würden hier neben dem Gaming zahlreiche neue Anwendungsszenarien eröffnen, wenn etwa die Windschutzscheibe mit Hilfe von HUD-Technologien zum Mega-Bildschirm werde. Vorstellbar sind etwa interaktive Karten mit Werbung als Location-Based-Services, virtuelle Trainings, virtuelle Stadtführungen auf der Urlaubsreise etc.
Doch das ist noch Zukunftsmusik und bis zur Realisierung solcher Anwendungsszenarien wird es wohl noch Jahre dauern. Die ersten Gehversuche Richtung Metaverse sind dagegen deutlich bescheidener. So berichtet etwa die Website TNW (The Next Web), dass Tesla in diesem Jahr in China begann, Mikrofone für seine Fahrzeuge zu verkaufen.
Karaoke beim Fahren
Wozu? Damit die Chinesen während der Fahrt ihre Balladen richtig schmettern können. Denn seit 2019 offeriert der Hersteller nicht nur Spieloptionen, sondern auch Karaoke zum Mitsingen. Die Features können, wie es heißt, über das Lenkrad, durch Berühren des Bildschirms oder mit einem eigenen Controller genutzt werden. Auch wenn Tesla-Besitzer diese inzwischen nur auf dem Beifahrersitz spielen können. Der Hersteller handelte sich nämlich im Dezember 2021 mächtigen Ärger mit der US-amerikanischen National Highway Traffic Safety Administration (NHTSA)ein. Die Behörde hatte Bedenken, dass diese Funktionen den Fahrer zu stark ablenken könnten und damit einen möglichen Verstoß gegen Gesetze darstelle. Daraufhin entfernte Tesla diese Möglichkeit.
Doch von diesem Rückschlag ließ sich Tesla nicht entmutigen. Mittlerweile arbeitet der Autobauer daran, die Gaming-Plattform Steam in seine Fahrzeuge einzubauen. Mit einer Steam-Integration würdenTesla-Besitzern potenziell rund 30.000 Spiele zur Verfügung stehen, die sie direkt in ihre Fahrzeuge streamen könnten, ohne dass Tesla einzelne Spiele portieren müsste. Vorstellbar sind auch Dinge wie Crossplay und das Wiederaufnehmen eines Titels genau dort, wo man ihn auf dem PC verlassen hat. Stellen Sie Folgendes vor: Sie spielen vor der Arbeit ein Spiel auf Ihrem Computer, steigen in Ihr Auto und machen genau dort weiter, wo Sie aufgehört haben.
VR auf dem Rücksitz
Zumindest Spaß auf dem Rücksitz verspricht das zu Audi gehörende Münchner Startup Holoride. Die Münchner haben eine auf VR-Headsets-basierende Lösung entwickelt, die physische Echtzeit-Feedback des fahrenden Autos verarbeitet. Die Technologie empfängt also Eingaben aus der realen Welt und überträgt sie ins Spiel. Das bedeutet, dass man sieht und fühlt, wenn das Fahrzeug beschleunigt, bremst oder abbiegt. In Kooperation mit Disney hat Holoride bereits ein VR-Spielerlebnis basierend auf dem Marvel-Titel "Guardians of the Galaxy" und dem Charakter Rocket Raccoon fürs Auto umgesetzt. Laut Holoride sollen erste VR-Anwendungen noch im Herbst 2022 in ausgewählten Audi-Modellen verfügbar sein - allerdings auf die Rücksitze beschränkt.
In-Car-Office
Noch steckt der Markt allerdings in den Kinderschuhen. Richtig in Schwung kommen dürfte er erst, wenn die Fahrzeuge wirklich autonom fahren können. Bislang hat lediglich Mercedes-Benz eine offizielle Zulassung für das bedingte autonome Fahren auf Autobahnen gemäß Level 3 auf Basis der UN-Richtlinie R157. Und der Blick auf den Stuttgarter Autobauer wirft noch eine andere interessante Frage auf: Wird das Auto als der vielzitierte "third place" wirklich zur Zockerbude, oder wird es das mobile Office? So setzt Mercedes-Benz weniger stark auf Gaming, sondern mehr auf In-Car-Office-Tools. Über die Headunit können Nachrichten und E-Mails abgerufen und geschrieben werden. Oder der User wählt sich telefonisch in Meetings ein.
Noch scheiden sich die Geister daran, ob die User das Auto wirklich als entfernten Arbeitsplatz nutzen wollen, oder als Ort der Entspannung mit Spielen. Doch, egal wie diese Entscheidung ausfällt, eines zeigen die jüngsten Entwicklungen deutlich: Die Reise des Autos ins Metaverse hat begonnen.