Digitalisierung und Analytics

Autobauer verschlafen den Big-Data-Trend

12.12.2016 von Wolfgang Herrmann
Datenschutz-Auflagen, fehlendes Personal und interne Datensilos sorgen dafür, dass Automobilbauer und Zulieferer die Potenziale von Big Data und Analytics nicht ausschöpfen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Beratungsunternehmens BearingPoint.

Für die Studie befragte BearingPoint 120 Entscheider aus großen Automobilkonzernen und Tier-1-Zulieferern in Europa. Zwei Drittel der Teilnehmer stammen aus Automobilkonzernen. Das Thema Big Data und Analytics sei zwar in den Unternehmen angekommen, berichtet das Beratungshaus. 94 Prozent der Befragten hielten es für relevant. In vollem Umfang setzen jedoch lediglich sieben Prozent entsprechende Systeme ein. Weitere 24 Prozent haben laut eigenen Angaben zumindest in einigen Bereichen Big-Data- und Analytics-Techniken implementiert.

BearingPoint: Big Data in der Automobilbranche
Big Data Status in der Automobilbranche
Für 94 Prozent der Befragten ist Big Data & Analytics im Unternehmen bereits relevant.
Anwendungsfelder
Die Unternehmen haben Big Data & Analytics wahrgenommen und sehen es größtenteils als ein „must have“ in der Automobilindustrie.
Datenaustausch
Im Moment fehlt es an einem bereichsübergreifenden und geregelten Datenaustausch entlang der automobilen Wertschöpfungskette.
Technische Voraussetzungen
Laut der Mehrheit der Befragten sind die technischen Voraussetzungen für Big Data & Analytics ansatzweise gegeben.
Stellenwert Datenaustausch
Für den effizienten Nutzen von Big Data & Analytics muss ein geregelter Datenaustausch über alle Bereiche hinweg stattfinden.
Budget für Big Data
Die Investitionen für Big Data & Analytics werden in den kommenden Jahren deutlich steigen.
Big Data Potenziale
Ohne die entsprechende Verknüpfung der Bereiche kann das Potenzial von Big Data & Analytics nicht ausreichend ausgeschöpft werden.
Kundendaten aus dem Web
Big Data & Analytics spielt eine immer stärker werdende Rolle bei der Generierung und Auswertung von Kundendaten aus dem Web.
Big Data in der Produktion
Im Bereich der digitalen Produktion sind noch viele Big-Data- und Analytics-Potenziale ungenutzt.
Die größten Herausforderungen

"Durch die zunehmende Digitalisierung der Automobilindustrie wächst auch die Bedeutung von Big Data und Analytics", kommentiert Matthias Loebich, Leiter des Bereichs Automotive bei BearingPoint, die Ergebnisse. "Die Megatrends Industrie 4.0 und Connected Cars treiben das Thema schnell voran." Zwar sei es erfreulich, dass die Mehrheit der Unternehmen die großen Chancen erkannt habe und immer mehr in einschlägige Entwicklungen investiere. Dennoch stecke das Thema "noch in den Kinderschuhen", die Potenziale müssten stärker ausgeschöpft werden.

Anwendungsfelder für Big Data und Analytics

Erfolgversprechende Anwendungsfelder sehen die befragten Entscheider vor allem in der Analyse von Kundeninformationen, der Auswertung von Fahrzeugdaten sowie in der Vorhersage von Service- und Produkttrends. Mit den bisher getroffenen Maßnahmen haben 25 Prozent der Umfrageteilnehmer eigenen Angaben zufolge bereits die Effizienz in der Vertriebs- und Betriebsplanung sowie im Entscheidungsprozess verbessert; 22 Prozent sehen Fortschritte in den Kunden- und Lieferantenbeziehungen.

Die Unternehmen haben Big Data & Analytics wahrgenommen und sehen es größtenteils als ein "must have" in der Automobilindustrie.
Foto: BearingPoint

Eine wachsende Rolle werden Big-Data- und Analytics-Systeme künftig beim Generieren und Auswerten von Kundendaten aus dem Web spielen, berichtet BearingPoint weiter. So gaben 92 Prozent der Befragten an, dass Kundendaten derzeit noch nicht intensiv genug ausgewertet würden. Zugleich erwarten sie, dass sich die Relevanz solcher Daten aus dem Web beim Erkennen von Kundenbedürfnissen und im Produktentstehungsprozess innerhalb von fünf Jahren verdoppeln wird.

Ungenutzte Potenziale sind auch in der Produktion der Autobauer und -zulieferer erkennbar. So sind in den meisten Unternehmen die Produktionsanlagen noch nicht in der Lage, Sensor? und Maschinendaten nach bislang unentdeckten Fehlermustern abzusuchen. In den kommenden fünf Jahren erwarten die Befragten zudem einen Anstieg um 230 Prozent in der systematischen Zusammenführung von Sensor? und Maschinendaten. Probleme ließen sich mit solchen Maßnahmen frühzeitig erkennen, was wiederum Ausfallzeiten und damit Kosten reduzieren könne.

In der digitalen Produktion sind noch viele Big-Data- und Analytics?Potenziale ungenutzt.
Foto: BearingPoint

Technische Voraussetzungen nur ansatzweise gegeben

Die technischen Voraussetzungen für einen breiten Einsatz von Big-Data- und Analytics-Lösungen sind derzeit zumindest ansatzweise gegeben, so ein weiteres Ergebnis. Cloud-Plattformen etwa und Big-Data-Lakes stellen demnach keine großen Hürden mehr dar. Nachholbedarf gebe es dagegen bei der Verarbeitung der Daten, dem Datenmanagement und beim automatisierten Import- und Export von Datenflüssen. Mehr als die Hälfte der Interviewten hält die technischen Voraussetzungen im eigenen Unternehmen für ausbaufähig.

Laut der Mehrheit der Befragten sind die technischen Voraussetzungen für Big Data & Analytics ansatzweise gegeben.
Foto: BearingPoint

Die größten Hürden: Datenschutz, Skills, Datensilos

Gefragt nach den größten Herausforderungen, nannten 50 Prozent der Teilnehmer Datenschutz und Datensicherheit. Aus Sicht von BearingPoint handelt es dabei um ein branchenübergreifendes Problem, da die Unternehmen sowohl gesetzliche als auch interne sowie vertragliche Regelungen beachten müssten. Eine weitere Hürde für den Ausbau und das Implementieren von Big-Data- und Analytics-Anwendungen sehen 44 Prozent der Befragten in der fehlenden Expertise. Nur 13 Prozent gehen davon aus, dass in ihrem Unternehmen das notwendige Know-how vorhanden ist. Ein Großteil der Teilnehmer erklärte dazu, auf dem Arbeitsmarkt sei kein qualifiziertes Personal verfügbar. Allerdings berichtete auch mehr als die Hälfte, dass im eigenen Unternehmen gar nicht ausreichend Stellen für solche Experten vorgehalten würden.

Die größten Herausforderungen bei der Einführung von Big-Data- und Analytics-Lösungen.
Foto: BearingPoint

Das drittgrößte Hindernis dreht sich um die berüchtigten Datensilos, die sich in vielen Unternehmen gebildet haben. In vielen Fällen fehlt es an einem übergreifenden Datenaustausch entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Den Angaben zufolge werden derzeit nur 35 Prozent der erhobenen Daten bereichsübergreifend ausgetauscht. Innerhalb von fünf Jahren rechnen die Entscheider mit einem Anstieg auf 75 Prozent. Für eine Mehrheit der Befragten liegt die Lösung in einem bereichsübergreifenden Datenpool.

Im Moment fehlt es an einem bereichsübergreifenden und geregelten Datenaustausch entlang der automobilen Wertschöpfungskette.
Foto: BearingPoint

Handlungsempfehlungen für CIOs und Entscheider

Abgeleitet aus den Studienergebnissen formuliert BearingPoint einige Handlungsempfehlungen, die Unternehmen helfen sollen, die Potenziale von Big-Data- und Analytics-Techniken besser auszuschöpfen: