Das selbstfahrende Auto erlebte 2013 eine nahezu wundersame Verwandlung: Von einer verwegenen, aber kaum praxistauglichen Idee zur nahezu unumstrittenen Vision für die Fortbewegung der nahen Zukunft. Die Autokonzerne arbeiten unter Hochdruck daran, ihre automatischen Fahrzeuge in die Spur zu bringen. Die Liste ist bereits lang: Daimler, Audi, Nissan, Renault, Ford, Toyota, selbst der Elektroauto-Spezialist Tesla, der gerade einmal 20.000 Fahrzeuge pro Jahr produziert. Jüngster Neuzugang: Volvo. Der schwedische Autobauer kündigte Anfang Dezember an, er wolle bis 2017 rund 100 selbstfahrende Fahrzeuge in den Stadtverkehr von Göteborg bringen.
Und Google? Vor mehr als drei Jahren erwischte der Internet-Konzern die gesamte Autobranche auf dem kalten Fuß, als er lässig über einen Zeitungsbericht seine Flotte von selbstfahrenden Toyotas präsentierte. Automanager winkten in öffentlichen Reaktionen ab, ihre heutigen Fortschritte zeigen jedoch, dass hinter den Kulissen ziemlich rasch hektische Aktivität ausgebrochen sein muss.
Google macht weiter. Seine Roboter-Autos legten nach jüngsten verfügbaren Angaben aus dem vergangenen Jahr mehr als eine halbe Million Kilometer auf US-Straßen zurück. Im Sommer erregte ein Technologiereporter für kurze Zeit Aufsehen mit dem Gerücht, Google könne kurzerhand ein komplett eigenes Auto bauen. Die Investition von einer Viertelmilliarde Dollar in das Start-up Uber, das einen Limousinen-Service betreibt, heizte Spekulationen über ein Roboter-Taxi an. Doch weitere Hinweise kamen nicht nach und insgesamt scheint die Autoindustrie die Initiative an sich gerissen zu haben.
Die Konzerne lassen inzwischen die Muskeln spielen. So fuhr im Sommer, kurz vor der Internationalen Automobil-Ausstellung IAA, ein Daimler-Forschungsfahrzeug auf Basis der Mercedes-S-Klasse autonom von Mannheim nach Pforzheim. Und zwar mit Hilfe seriennaher Technik, wie der Konzern betonte. Die Streckenwahl war auf Symbolkraft ausgelegt: Die rund 100 Kilometer lange Route nahm Bertha Benz einst auf der ersten Auto-Fernfahrt. In der S-Klasse kann man inzwischen die Option "Stop&Go Pilot" buchen, die das Fahrzeug in Schrittgeschwindigkeit durch stockenden Verkehr steuert.
Anders als Google können die Autohersteller auf spezialisierte Forschungsabteilungen und die geballte Kompetenz ihrer Zulieferer bauen. In jedem selbstfahrenden Google-Mobil steckt spezielle Technik für schätzungsweise 150.000 Dollar drin, auf dem Dach prangt unübersehbar ein rotierendes Laser-Radar-System. Die Autobauer haben sich dagegen das Ziel gesetzt, die Ausrüstung so unterzubringen, das sie nicht auffällt. "Wir wollen das autonome Fahren mit Serien-Bauteilen realisieren", sagt Christian Senger von der Continental-Forschung. Den Zulieferern wie Conti, Valeo aus Frankreich oder Visteon aus den USA kommt dabei die Schlüssel-Rolle bei der Fahrzeugwelt von Morgen zu.
Bis 2020 werde das selbstfahrende Auto auf der Straße Realität sein, zeigen sich alle Beteiligten überzeugt. Bis dahin müssten allerdings nicht nur technische Probleme ausgebügelt, sondern auch eine grundlegende Frage beantwortet werden: Wer trägt die Verantwortung, wenn ein selbstfahrendes Auto in einen Unfall verwickelt wird? Ist es der in diesem Moment untätige Mensch am Steuer oder der Hersteller? "Das Problem der Haftung ist noch nicht geklärt", räumte Renault- und Nissan-Chef Carlos Ghosn auf der IAA ein. Er und andere Brancheninsider rechnen allerdings damit, dass rechtzeitig eine Lösung gefunden wird.
Und dann bleibt da noch der wichtigste Unsicherheitsfaktor im Straßenverkehr: Der Mensch. Als zentrales Argument für den Einsatz automatischer Fahrzeuge wird von allen Seiten genannt, dass es dank ihnen die Zahl der Verkehrstoten dramatisch gesenkt werden könnte. Die Sensoren sehen im Dunkeln und Nebel, der Computer kennt keine Ablenkung und soll kann blitzschnell Gefahrensituationen durchrechnen.
Doch für die Autobranche kommt es nicht infrage, den Fahrer zu "entmündigen". "Der Mensch am Steuer wird jederzeit die Möglichkeit haben, die Kontrolle zu übernehmen", sagt auch Conti-Entwickler Senger. Für die Wahrscheinlichkeit, dass ein misstrauischer Fahrer oft die Technik aushebeln wird, um am Ende schlechte Entscheidungen zu treffen, gibt es bisher keine Lösung. Schließlich verzapfte ein Google-Roboterwagen seinen bisher einzigen Blechschaden als er von einem Menschen gesteuert wurde. (dpa/rs)