Standardisierung, Prozessintegration, Konsolidierung sind derzeit die großen Themen in der Automobilbranche. Die Firmen versuchen Kosten zu sparen und ihre Innovationsfähigkeit zu verbessern - auch um den Preis, das sie in schwierigen Zeiten mehr Geld für die IT ausgeben: "Der Markt für Software und IT-Services (SITS) in der Autobranche ist weniger stark von der wirtschaftlichen Lage abhängig. Es wird auch antizyklisch investiert“, erklärt Jakov Cavar, Berater beim Marktforscher Pierre Audoin Consultants (PAC).
Trotz eines schwierigen wirtschaftlichen Umfelds steigerte die deutsche Autobranche die Ausgaben für SITS im vergangenen Jahr um sechs Prozent. Die gesamte Prozess- und Fertigungsindustrie, zu der die Automobilhersteller gehören, steigerte ihre SITS-Ausgaben im selben Zeitraum nur um 2,5 Prozent. Wachstumstreiber Nummer eins in der Automobilbranche ist nach wie vor das IT-Outsourcing. Zunehmend rückt aber auch die Zusammenführung von IT und Geschäftsprozessen in den Vordergrund: "Im Projektgeschäft der Automobilbranche sind Branchen-Know how und Prozesswissen in den letzten Jahren wichtiger geworden - zulasten der Technologie-Kompetenz“, berichtet Cavar.
Anbieter positionieren sich neu
Entsprechend haben sich die Anbieter neu ausgerichtet. Der Münchner IT-Dienstleister Highq-IT beispielsweise hat bis vor einigen Jahren sein Geld durch Anwendungsentwicklung für die Automobilbranche verdient. Inzwischen hat sich die Firma neu ausgerichtet und bietet unter anderem die nutzenorientierte Implementierung von SAP-Standard-Software an.
"Ihre IT haben die Unternehmen weitgehend im Griff", berichtet Geschäftsführer Thomas Popp. "Neue Projekte werden nur aufgelegt, wenn ein eindeutiger Nutzen erkennbar ist. Und das kann in der Regel nur durch eine verbesserte Abstimmung von IT und Geschäftsprozessen erreicht werden." Bereiche, in denen die Hersteller mit Hilfe der IT weitere Effizienzreserven heben wollen, sind beispielsweise Optimierungen in der Logistik oder im Produktentstehungsprozess.
So hat beispielsweise VW gemeinsam mit Highq-IT auf Basis der SAP-Plattform Netweaver eine Anwendung zur Technischen Produktbeschreibung (TPB) entwickelt, um die Entwicklungsarbeit in dem weltweit operierenden Konzern weiter zu optimieren. "Jede Änderung bei einem einzelnen Produkt muss global verfolgt und kommuniziert werden", erklärt Otto Joormann, Projektleiter Produktprozesse bei VW.
VW will die globale Zusammenarbeit
TPB läuft über das VW-Intranet, erlaubt Mitarbeitern weltweit permanenten Zugriff auf die Daten und hat außerdem eine Schnittstelle zur SAP-Branchenlösung für die neue Stückliste von Volkswagen (TI-Syncro). TPB gibt auch bestimmte Schritte und Meilensteine für die Entwicklung vor - Prozesse und IT gehen eine enge Verbindung ein. "Das Ziel ist, weltweit einheitliche Systematiken und Strukturen zu schaffen - sowohl für die IT als auch die Prozesse", so Joormann. Mit der neuen Anwendung, erklärt er, sei eine weitere Voraussetzung für eine rund um die Uhr-Entwicklungsarbeit geschaffen worden: "Während wir hier schlafen, arbeiten die Kollegen aus China weiter."
Möglicherweise ist TPB nur die erste einer ganze Reihe Entwicklungen auf Basis der SAP-Netweaver-Plattform. Bisher, so PAC-Berater Cavar, können die bisherigen SAP-Anwendungen längst nicht alle Prozesse der Automobilindustrie abdecken. "Manche Konzerne haben immer noch hunderte Eigenentwicklungen in Betrieb, für die es keine Standard-Anwendung gibt und auch nicht geben wird, weil die Anforderungen zu speziell sind", so Cavar.
SAPs Netweaver-Lösung mit Startschwierigkeiten
SAPs Wechsel zur Plattformstrategie wird das möglicherweise ändern. Wenn das Konzept der Walldorfer aufgeht, wird künftig auch die Konkurrenz Anwendungen auf der Netweaver-Plattform entwickeln. Theoretisch der ideale Kompromiss aus Standardisierung und individuellen Anforderungen. In der Praxis läuft die Implementierung von Anwendungen auf Netweaver-Basis allerdings noch nicht ganz rund: "Bei der Integration mit anderen Anwendungen muss SAP nach wie vor einiges tun“, erklärt VW-Projektleiter Joormann.
Klar ist allerdings auch - die IT alleine kann's nicht richten. Beispiel General Motors: Der weltgrößte Automobil-Hersteller gilt in Sachen IT als vorbildlich. So wird seit Jahren konsequent an EDS ausgelagert. Schon lange gibt es zentralisierte IT-Strukturen - über die einzelnen Marken hinweg. Trotzdem befindet sich der Konzern in einer durchaus bedrohlichen wirtschaftlichen Schieflage. "Die IT kann Innovationen unterstützen und Kostensenkungen bewirken", so PAC-Berater Jakov Cavar. "Managementfehler kann sie nicht ausbügeln."