"Mist, das ist ja besser als vorher." Als Ralf van den Brock diesen Satz zu hören bekam, war die Sache geritzt. Der CIO von Materials Services hatte etwas Neues ausprobieren wollen und brauchte dafür natürlich die Unterstützung seiner Kollegen. Die aber waren skeptisch. Der Tenor: Warum eine routinierte Vorgehensweise auf einmal ändern? Vielleicht war der eingeschlagene Weg manches Mal zu kostspielig, zu zeitaufwendig oder zu umständlich, aber am Ende hat es doch immer funktioniert.
"Sie können nur durch die Praxis überzeugen", sagt van den Brock. Also machte er Geld aus der Forschungskasse locker und wies seine Entwickler an, die nächste Systemänderung doch bitte mit dieser Standardsoftware zu erledigen. Das System "T-Bone" (das steht für Transformation Backbone) von SNP verspricht dem Anwender eine erhebliche Erleichterung bei unterschiedlichen Änderungen in SAP. Für den Anfang wählte van den Brock ein kleines Projekt aus.
Der 39-jährige gelernte Wirtschaftswissenschaftler leitet die IT von Materials Services. Das Unternehmen ist einer von acht Teilbereichen, in die der Mutterkonzern Thyssen Krupp seine Geschäfte im vergangenen Jahr umstrukturierte.
Ganz bescheiden als "Business Area" bezeichnet, verbirgt sich hinter Materials Services ein rund zwölf Milliarden Euro schwerer Konzern, unter anderem spezialisiert auf Distribution und Logistik von Roh- und Werkstoffen, technische Services sowie Anlagen- und Stahlwerksdienstleistungen.
Portfolio mit eigenen Dimensionen
Gut 31.000 Mitarbeiter sind für Materials Services in etwa 40 Ländern und an über 500 Standorten aktiv. Rund 175 Gesellschaften arbeiten unter dem Dach des Konzerns. Portfolio-Management hat hier eigene Dimensionen. Es gehört zur Tagesordnung, schnell mal zu beschließen, das Werk X einer anderen Gesellschaft zuzuordnen, Teile des Geschäfts Y zu verkaufen oder das Unternehmen Z zu akquirieren. Dass die IT diese Beschlüsse systemseitig umzusetzen hat, ist klar, am besten sofort, am allerbesten rückwirkend.
Van den Brock steht mit diesen Anforderungen keineswegs alleine da. Marktbeobachter gehen davon aus, dass sich die Übernahmekarusselle in Zukunft noch schneller drehen werden. Unbestritten ist auch, dass sich Unternehmen immer häufiger umorganisieren, um auf die Veränderungen der globalen Märkte zu reagieren. Was jedoch im Business schnell beschlossen wird, ist für die IT mit einem großen Aufwand verbunden. Hinter dem unspezifischen Begriff Transformation verbirgt sich meist ein dicker Brocken Arbeit, der viel Zeit und Mensch beansprucht, ganz gleich, ob damit Trennung, Verschmelzung, Harmonisierung oder Upgrade des Systems gemeint ist. "Wir CIOs sprechen ja gerne von der Serienfertigung in der IT", sagt van den Brock. "Aber gerade im Umfeld von Transformationen steckt das Thema noch in den Kinderschuhen."
Bis dato werden Transformationen noch mit viel Handarbeit erledigt. Nicht nur mit dem Resultat, dass das Management keineswegs glücklich mit dem Aufwand ist (siehe Grafik "Probleme bei Dauer und Inanspruchnahme der Mitarbeiter"). Ablesen lässt sich das Zuviel an Aufwand auch daran, dass sich hier mittlerweile ein eigener Markt in Milliardengröße aufgetan hat. Laut einer von SAP in Auftrag gegebenen Studie stellte die Boston Consulting Group schon vor drei Jahren fest, dass SAP-Kunden weltweit rund 30 Milliarden Dollar allein für Veränderungen ihrer SAP-Landschaft ausgeben. Den Großteil dieser Summe - zwischen 20 und 25 Milliarden Dollar - benötigt die interne IT. Zehn bis zwölf Milliarden Dollar gehen an externe Dienstleister, und lediglich ein Bruchteil der Summe, nämlich ein bis drei Millionen Dollar, investieren Unternehmen in unterstützende Softwarewerkzeuge.
Die Idee, die der Arbeitsweise von SNP T-Bone zugrunde liegt, besagt, dass jede ERP-Transformation aus vier Grundszenarien beziehungsweise der Kombination daraus besteht: Verschmelzen (Merge), Trennen (Split), Harmonisieren und Upgraden. Für jedes dieser Szenarien hält das Programm eigene Tools bereit. Diese sind mit betriebswirtschaftlichem und technischem Wissen ausgestattet, etwa über die Beschaffenheit von Systemen, über die Aufgabenstellung oder über das Projektvorgehen. Erweitert wurde die Software um Funktionen, die Projektleitern Teile der Koordination und Abstimmung abnehmen - für die Analyse, die Projektplanung, das Controlling oder die Konfliktbehebung.
Die Arbeit mit T-Bone beginnt mit einer genauen Bestandsaufnahme der SAP-Umgebung: Zentral installiert, fragt das System etwa Art und Umfang der vorhandenen Systeme, Module, Datenbanken, Datenbestände oder Tabellen ab. Je nach Ergebnis schlägt das Programm anschließend Prozeduren vor, die individuell eingetaktet werden können. Es listet außerdem Inkonsistenzen als mögliche Fehlerquellen auf.
Mit diesen Informationen ist es möglich, noch vor dem Start des eigentlichen Projektes den zu erwartenden Aufwand in Zeit und Kosten ziemlich genau zu bestimmen. Anschließend beginnen je nach Aufgabe der Abgleich von Daten und Datenstruktur, das Aufsetzen eines Zielsystems, die Übertragung von Datensätzen und Prozessen. T-Bone checkt zudem die SAP-Zugriffsberechtigungen und prüft abschließend mit integrierten Kontroll- und Analysefunktionen, ob die Migration vollständig ist und die Anwendungen sicher laufen. Werden Abweichungen ermittelt, läuft eine automatische Fehlerbehebung an.
"Mein Bestreben ist, das Tool unabhängig von Köpfen und existierendem Know-how einsetzen und die gesammelten Erfahrungen wiederverwenden zu können", betont CIO van den Brock. Möglich macht das ein
kundenspezifisches Transformationsgedächtnis von T-Bone. Es protokolliert alle Schritte während einer Transformation und alle Lösungen, die gefunden wurden. Sämtliche Informationen liegen an nur noch einer Stelle und nicht in unterschiedlichen Datenbanken. Ein Umstand, der auch das Risiko- und Compliance-Management freut, denn Wirtschaftsprüfer erhalten ebenfalls eine klare Sicht auf die Abläufe, unabhängig davon, ob die Software für einen bestimmten Zeitraum gemietet - wie im Fall von Materials Services - oder eine Unternehmenslizenz gekauft wird.
Upgrade ohne lange Unterbrechung
Für van den Brock ist klar, dass er den Einsatz der Software weiter ausbaut. Besonders verlockend ist das Versprechen von SNP, jetzt auch SAP-Upgrades fahren zu können, ohne den Produktivbetrieb lange stoppen zu müssen - Near-Zero-Downtime-Verfahren nennt das Heidelberger Softwarehaus dies. Für van den Brock wäre das ein Traum. Thyssen Krupp Materials Services betreibt eines der weltweit größten SAP-Systeme. Insgesamt hat der Konzern annähernd 6500 ERP-Nutzer.
Jeden Sommer heben van den Brock und sein Team das System auf den neuesten Stand und lösen damit immer wieder einen Kampf um die freie Zeit aus. Nun hofft der CIO, mit T-Bone die bisher rund 40 Stunden Stillstand deutlich zu verringern. Im besten Fall schlägt ihm dann erneut ein wohlmeinendes "Mist" von ganz oben entgegen.