Nein, die Roboter in modernen Unternehmen ähneln nicht Robby, dem Terminator oder anderen Science Fiction-Kreaturen. Darauf weist Cognizant gleich eingangs der Studie "The Robot and I" hin. Vielmehr geht es den Analysten um unscheinbarer agierende Software-Maschinen, die kluge Köpfe und ganze Firmen durch Automatisierung von Routine-Arbeiten noch schlauer machen.
Die Lektion, die es dabei aus Unternehmenssicht zu lernen gilt: Mensch und Maschine sollen im Alltag Tandems bilden. Und beim Umgang mit Ressourcen ist eine Erweiterung des Blicks nötig: Mensch und Maschine sind bis zu einem gewissen Grad austauschbar. Zugespitzt formuliert: Personalabteilungen sollten vorab überlegen, ob sie lieber einen Mitarbeiter aus Fleisch und Blut einstellen oder aber einen Computer.
Überraschende Erkenntnisse
Eine Leitthese der Studie mildert die Ängste ab, die derartige Szenarien auslösen. Der Mensch werde ob der Grenzen künstlicher Intelligenz nicht überflüssig, so die Autoren. Stattdessen mache die zunehmende Automatisierung auch von geschäftlichen Kernprozessen den Weg frei, Potenziale an kreativer Problemlösung zu heben - die genuin menschliche Kernkompetenz, wenn man so will.
Dieser nicht neue Gedanke bildet gewissermaßen den Rahmen für die Studienergebnisse, die auf einer Befragung von 537 europäischen und nordamerikanischen Unternehmen basieren. Gefragt wurde übrigens nicht quer durch alle Branchen, sondern konzentriert bei den Digitalisierungsvorreitern Banken, Versicherungen und HealthCare.
Die 5 "M"
Überraschend und einprägsam ist so manches an den Resultaten. Die Einprägsamkeit der Schlüsselerkenntnisse speist sich dabei aus dem Umstand, dass sie sich im Englischen mit Hilfe des Anfangsbuchstabens "m" darstellen lassen: money, meaning-making, money & meaning, monday morning.
Money: Knapp ein Fünftel der Studienteilnehmer erzielte im vergangenen Jahr durch Automatisierung Kosteneinsparungen in Höhe von mindestens 15 Prozent.
Meaning-making: Durch Automatisierung werden Daten generiert, deren Analyse die Prozessergebnisse nach Cognizant-Einschätzung radikal verbessern kann. Im Vergleich zum gesparten Geld sei dies "ein womöglich viel schwerer wiegender Vorteil", heißt es in der Studie. Immer wieder stellen die Autoren deshalb auch heraus, wie wichtig das Zusammenspiel von Automatisierung und Analytics sei. Von den Befragten erkennen 50 Prozent in der Automatisierung und 44 Prozent in Analytics einen Motor für signifikante Prozessverbesserungen in den kommenden drei bis fünf Jahren.
Money & meaning: "Digitale Wertschöpfungsketten können smarte und datenreiche Prozesse reformieren", so Cognizant. Digitale Technologien der nächsten Generation aus den Bereichen Social, Mobile, Analytics und Cloud (SMAC) ermöglichen es den Firmen, ihre Interaktionen mit Kunden, Zulieferern und Partnern auf völlig neue Füße zu stellen. Die Schattenseite: 52 Prozent sagen, dass genau deshalb Datensicherheit die größte Herausforderung ist und bleiben wird.
Monday morning: Cognizant will damit ausdrücken, dass die Veränderungen bereits im Gange sind. Es gibt bereits Vorreiter, die aus der Automatisierung von Wissensprozessen auf Basis digitaler Strategien schon jetzt Werte generieren.
Ja, das hört sich wie so oft sehr klar und vor allem optimistisch an. Ein bisschen verborgen in der Studie finden sich aber auch Ergebnisse, die die Zukunftseuphorie etwas dämpfen mögen. Offenkundig befindet sich ein großer Teil der befragten Firmen bereits mitten drin in der Automatisierung ihrer horizontalen Prozesse. Und das sogar so sehr, dass sie für die kommenden drei bis fünf Jahr nicht mehr mit größeren Effekten rechnen als sie alleine im vergangenen Jahr erzielt werden konnten.
Signifikante Effekte bei Finance, Lieferkette und Personal
So sagen 17 Prozent der Befragten, dass sie im vergangenen Jahr das Arbeitsvolumen im Bereich Kundenmanagement und Verkäufe durch Automatisierung um mindestens ein Viertel senken konnten. Für die nahe Zukunft prognostizieren exakt so viele Firmen eine vergleichbare Senkung der Personalkosten.
In den Bereichen Lieferkette, Personal und Finance lag der Anteil mit signifikanten Senkungen in den vergangenen zwölf Monaten zwar höher - bei jeweils etwa einem Viertel. Aber auch hier ist laut Studie im Zeithorizont der kommenden fünf Jahre nur mit moderaten Verbesserungen zu rechnen. Am meisten Luft gibt es diesbezüglich bei der Entwicklung neuer Produkte und Services: Hier konnten 16 Prozent bereits zuletzt den Arbeitsaufwand deutlich senken, in drei bis fünf Jahren rechnen hingegen 27 Prozent der Firmen mit einem ähnlichen Effekt.
Die nächste Welle: Effizienz der Geschäftsprozesse steigern
Gleichwohl betont Cognizant, dass Kostensenkung keineswegs der alleinige Treiber der Entwicklung sei. Bei der intelligenten Automatisierung handle es sich um die nächste Welle der Effizienzsteigerung in Geschäftsprozessen, bei der die Senkung der Fehlerraten, ein besseres Management wiederholbarer Aufgaben und eine geschmeidigere Standardisierung des Workflows im Mittelpunkt stehen.
Missverständnisse will Cognizant gar nicht erst aufkommen lassen. Mit Automatisierung sei hier nicht das gemeint, was Führungskräfte bislang darunter verstehen: die Automatisierung nämlich, die durch grundlegende IT-Investitionen etwa in ERP-, CRM- oder BPM-Anwendungen getrieben werde. Die Analysten definieren stattdessen Automatisierung als einen Vorgang, der "etwaige funktionale Aktivitäten beinhaltet, die bisher manuell ausgeführt wurden und durch technologische Plattformen oder Prozessautomatisierungs-Tools wie etwa Robotic Process Automation (RPA) erledigt werden". Kennzeichnend für den neuen Level ist beispielsweise, dass die Maschine mit verschiedenen Applikationen interagiert - und zwar so, wie es auch ein Mensch tun würde.
Fehleinschätzung der Entscheider
Das überraschende Element der Studienergebnisse fassen die Analysten selbst so zusammen: Erstens sei erstaunlich, dass die Befragten den Anteil an automatisiertem Workflow schon jetzt bei 25 bis 40 Prozent sehen. Die vergleichsweise marginalen Steigerungen, die für die nahe Zukunft erwartet werden, deutet Cognizant als Fehleinschätzung der Entscheider darüber, was in den kommenden Jahren an Entwicklung bevorstehe - eben auf dem definierten höheren Level.
Das lässt sich selbstverständlich konkretisieren. Die Autoren erinnern die IT-Entscheider an einen ganzen Rattenschwanz an Prozessschritten, die durch die Kernsysteme bisher eben nicht automatisiert worden seien: zum Beispiel die Verarbeitung von Reklamationen, die Vorbereitung von Audits, die Aufzeichnung von Kundenkontakten oder Verifikationen. Schritt für Schritt, so die Prognose, können auch diese Aufgaben von Robotern übernommen werden, auch wenn sie schnelle Reaktionen oder die Einhaltung rechtlicher Vorgaben erfordern.
Warnung vor simpler Strategie
Gleichwohl warnt Cognizant vor einer Strategie, die simpel auf Automatisierung um ihrer selbst Willen zielt. Dadurch versäume man den Fokus auf das Wesentliche: die Explosion an werthaltigen Daten auf Prozessebene. "An dieser Stelle kommt Analytics ins Spiel", heißt es in der Studie. Deren Bedeutung im digitalen Zeitalter sei immens, weil es wie niemals zuvor Möglichkeiten gebe, aus riesigen Datenbergen Geld zu machen. Wer auf Big Data verzichte, so die Botschaft, sei auf Sicht verloren.
Sobald RPA-Tools künstliche Intelligenz und die Lernfähigkeit von Maschinen nutzen, um zeitkritische Fortschritte zu erzielen, sei die Liste an spielverändernden Beispielen von Process Analytics endlos, heißt es in der Studie. Man denke etwa an dynamische Optimierung von Flotten- und Lieferkapazitäten für Logistiker in Echtzeit, an dynamische und durch Analyse gestützte Preisbildung von Versicherungspolicen oder an die Auswertung sehr großer Mengen an klinischen Daten für optimierte pharmazeutische Studien.
Laut Studie sind diese Ansätze momentan noch weitgehend Zukunftsmusik. Die befragten Führungskräfte limitieren nämlich derzeit den Einsatz von Analytics mehrheitlich auf Prozessoptimierung alleine. Und sie nutzen das Instrument erfolgreich, um die Umsätze in Feldern mit Kundenkontakt zu steigern.
Grenzen der Software-Roboter
Alles in allem spare Automatisierung durch Roboter Geld, verbessere aber auch Genauigkeit und Verlässlichkeit, so Cognizant. Sie habe aber auch Grenzen; manche Dinge können Roboter einfach nicht - Medikationsmanagement etwa, Unterzeichnung von Vereinbarungen, Case Reviews. "Um aus dem Zusammenspiel zwischen Mensch und Maschine wirklich Kapital zu schlagen, müssen Unternehmen Honig aus den resultierenden Daten saugen", schreiben die Autoren. "Und diese Daten sind das Produkt der Automatisierung und der Digitalisierung."
Automatisierte Systeme, die die von ihnen produzierten Daten besser bewerten, voraussagen und interpretieren können, ermöglichten es den Mitarbeitern, mit erhobenen statt gesenkten Häuptern zu arbeiten - sprich mit Intelligenz aus digitalen Prozessen, die ihr eigenes Denken unterstützen. Cognizant nennt als Beispiel dafür das Internet der Dinge: Sensoren, die Nanotechnologie in Kombination mit künstlicher Intelligenz beinhalten, stehen im Begriff, Prozesse mit straffem Datenfluss umfänglich zu digitalisieren und zu automatisieren. "Die Digitalisierung von Teilen einer Industrieprozess-Wertschöpfungskette kann das Wohl eines ganzen Unternehmens beeinflussen", so die Autoren.
Ratschläge für Anwender
Für den Einstieg gibt Cognizant Anwendern einige Empfehlungen. Zu allererst seien zwei Schlüsselüberlegungen anzustellen:
Erstens sei bei der Automatisierung sicherzustellen, dass die geschäftlichen Ergebnisse als primäre Richtschnur für den Erfolg dienen.
Zweitens sollten extrahierte Daten als Treibstoff für exzellente Prozesse betrachtet werden. Cognizant rät hier für den Anfang durchaus dazu, mit kundenbezogenen Daten zu beginnen - der greifbaren Erfolge wegen.
Keine Angst vor Misserfolgen
Weitere Tipps für die Anwender: die Automatisierungsbereitschaft des eigenen Unternehmens testen, das eigene Haus auf Prozessebene analysieren, Mitarbeitern bei der Entwicklung hin zu zukünftigen Arbeitsmodellen helfen, eine "Vision" erschaffen und kommunizieren. Spezifische Prozess-Projekte dienen dem schnellen Lernen - entweder über sichtbare Erfolge oder auch durch ein schnelles Scheitern, das punktuell sehr produktiv sein kann.
Darüber hinaus schlägt Cognizant vor, kleine Tiger-Teams samt Mini-CIO zu installieren. Innerhalb der IT-Abteilungen vermuten die Analysten eine Reihe von Mitarbeitern, die höchst interessiert an der Digitalisierung seien. Diese IT-Profis würden sich begeistert zu Automatisierungs-Experten weiterbilden lassen. Und sie könnten ein "Tiger-Team" für digitale Prozesse bilden - also eine Art Speerspitze der Entwicklung, die über einen neuen Aufbau von Prozessen und Möglichkeiten zum Einsatz neuer Technologien nachdenkt. Der "Mini-CIO" wäre der Leiter dieses Teams.