Welche Fähigkeiten brauchen Erwerbstätige für die sogenannte Arbeitswelt 4.0. Um diese Frage dreht sich die Studie "Skill Shift. Automation and the future of the workforce" des McKinsey Global Institute. Darin sprechen die Analysten vier Empfehlungen an Politik und Wirtschaft aus. Das Stichwort von der Arbeitswelt 4.0 umschreibt den Einfluss von Automatisierung und Künstlicher Intelligenz (KI).
McKinsey systematisiert Erwerbsarbeit anhand von fünf Fertigkeiten: physische und händische Fähigkeiten, einfache kognitive Fähigkeiten, höhere kognitive Fähigkeiten, soziale/emotionale Fähigkeiten und technologische Fähigkeiten. Die Analysten quantifizieren, wie hoch die Verschiebungen dieser Skills in Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Spanien und den USA sein werden.
Anteil körperlicher Arbeit sinkt bis 2030 deutlich
Ergebnis: In der Bundesrepublik wird insbesondere der Anteil körperlicher/händischer Arbeit bis zum Jahr 2030 deutlich zurückgehen. Konkret spricht McKinsey von 22 Prozent Minus, das sei "weitaus größer als in anderen Ländern". Die Ursache dafür liegt in der maschinellen Aufrüstung des verarbeitenden Gewerbes.
Technologische Fähigkeiten und Soft Skills werden wichtiger
Die Analysten rechnen aus, wie viele Arbeitsstunden im Jahr 2016 auf welche Art von Tätigkeiten entfallen sind und wie sich das mutmaßlich bis 2030 verändern wird. In ganzen Zahlen leisteten deutsche Erwerbstätige 2016 folgende Arbeitsstunden: 26 Milliarden mit physischer/händischer Tätigkeit, 20 Milliarden mit höheren kognitiven Fähigkeiten, 15 Milliarden mit einfachen kognitiven Fähigkeiten und 14 Milliarden mit sozialen/emotionalen Fähigkeiten sowie zwölf Milliarden mit technologischen Fähigkeiten.
Dieser Bereich - technologische Fähigkeiten - deckte 2016 damit 14 Prozent der Arbeitszeit ab, bis 2030 wird er auf 19 Prozent steigen. Gemeint sind damit IT-Expertise, Programmier- und Analysekenntnisse und Fähigkeiten in wissenschaftlicher Forschung sowie technischem Design.
Auch die Arbeitszeit für Tätigkeiten, die soziale und emotionale Skills erfordern, wird steigen. Dazu zählt McKinsey Kommunikations- und Verhandlungsgeschick sowie Empathie und Führungsvermögen. 2030 werden solche Tätigkeiten etwa 20 Prozent der Arbeitszeit ausmachen.
Weiterqualifikation künftig sehr wichtig
Soweit die Prognose für die Arbeitswelt 4.0. Die Studie dokumentiert, dass jeder dritte bis vierte von 3.000 befragten Top-Managern negative Auswirkungen dieser Entwicklung befürchtet. Unternehmen könnten Wachstumsziele verfehlen, so die Sorge. Ein Gegenmittel sehen die Befragten in der Weiterqualifikation der Beschäftigten.
4 Aufgaben für Politik und Wirtschaft
Eine Haltung, die McKinsey unterstützt und ausbaut. Die Analysten sehen auch die Politik gefordert. Sie führen folgende vier Punkte an:
1. Neue Rolle der Arbeitsagenturen: Das vormalige Arbeitsamt, die heutige Arbeitsagentur, muss eine aktive Rolle spielen. Statt wie früher lediglich Arbeitslosigkeit zu kompensieren, muss sich die Agentur zum Job-Center entwickeln, das zwischen Arbeitslosen und Unternehmen vermittelt. Deutschland sei hier auf einem guten Weg, attestiert McKinsey.
2. Mehr und besser gesteuerte Ausgaben für die berufliche Weiterqualifikation: Mehr Geld alleine bringt wenig, betont McKinsey. Der Staat muss die öffentlichen Gelder für die Qualifizierung Erwachsener steuern. Als beispielhaft gelten Singapur mit seiner "Skills Future Initiative": Alle Bürger ab 25 Jahren dürfen 400 Dollar für berufliche Fortbildung ausgeben. In Belgien erhalten kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) Bildungsgutscheine für ihre Angestellten. Das Land reagiert damit auf die Tatsache, dass KMUs weit weniger Geld für die Weiterqualifizierung ihrer Belegschaft ausgeben können als Konzerne.
3. Freelancer und Jobwechsler einbeziehen: Wer den Arbeitsplatz wechselt, verliert damit mögliche Ansprüche auf Fortbildung. Wer nicht in Festanstellung arbeitet, hat gar keine. Beides sollte sich ändern, mahnt McKinsey. Der Anspruch sollte an den erwerbstätigen Menschen gekoppelt sein, nicht an den Arbeitsplatz. Unternehmen, die viel mit Freelancern arbeiten, sollten darin unterstützt werden, diese in ihre Trainingsangebote aufzunehmen.
4. Berufs- und Branchenwechsler unterstützen: McKinsey unterstützt den Gedanken der Plattform-Industrie und der Ecosysteme, in die sich Unternehmen künftig einfügen. Damit steigt der Bedarf an Arbeitskräften, die auf der gesamten Plattform oder innerhalb des Ecosystems wechseln können. Das erfordert die entsprechende Qualifizierung.
Anna Wiesinger, Juniorpartnerin bei McKinsey und Co-Autorin der Studie, sagt abschließend: Kernaufgabe der Unternehmen werde es sein, Mitarbeiter schnell genug mit Fähigkeiten für die Zukunft auszustatten. "Das viel zitierte lebenslange Lernen wird immer wichtiger", so Wiesinger.