Seit 2005 hofft die Bundesregierung auf einen Urteilsspruch beim Schiedsgerichtsverfahren gegen die Konsortialpartner von Toll Collect. Es geht um rund sechs Milliarden Euro Schadensersatz und Vertragsstrafe inklusive Zinsen. Ein Ende scheint jetzt absehbar.
Ein wichtiger Grund: Im Jahr 2015 läuft der Mautvertrag aus, der Bund kann den Vertrag verlängern oder ein neues System ausschreiben. Es geht um über fünf Milliarden Euro plus Zinsen, die auf den Bund warten. Doch Schiedgerichtsverfahren dauern lange. Sehr lange.
Grund für die Streitigkeiten ist der Terminverzug um zwei Jahre: Am 31. August 2003 sollte das das neue Mautsystem in Betrieb gehen, doch technische Pannen, Lieferschwierigkeiten, Größenwahn und missglücktes Projektmanagement machten den Projektstart zur immer wieder verschobenen Lachnummer. Das „CIO Magazin“ berichtete damals als erste Publikation. Erst am 1. Januar 2006 wurde das Mauterhebungssystem mit allen Funktionen installiert und in Betrieb genommen.
Nun scheint sich aber das Ende des Verfahrens anzubahnen. Das berichten zumindest „Handelsblatt“ und „Manager Magazin“. Treffen will man sich dazu eine Woche nach der Bundestagwahl, also ab dem 30. September in München, genauer Ort und genauer Zeitpunkt sind geheim. Sechs Tage lang solle verhandelt werden.
Eingeladen hat der ehemalige Richter am Oberlandesgericht München Wolfgang Nitsche (65), der das Amt des Vorsitzenden erst im Dezember 2012 übernommen hat. Sein Vorgänger, der ehemalige Bundesrichter Günter Hirsch, gab das Amt aus gesundheitlichen Gründen auf. Schiedsverfahren seien für die Wirtschaft attraktiv, „weil das Verfahren flexibler sei und sich über mehrere Jahre und Instanzen hinziehe“, hatte er vor Jahren kritisiert.
Der Bund will von den Konsortialpartnern des Mautsystems Toll Collect, Deutsche Telekom (45%) und Daimler Financial Services (45%) sowie Cofiroute (10%), 3,3 Milliarden entgangene Mauteinnahmen sowie Vertragsstrafen von 1,7 Milliarden Euro haben. Die Vertragsstrafen beruhen auf angeblichen Verletzungen des Betreibervertrags (fehlende Zustimmung zu Unterauftragnehmerverträgen, verspätete Bereitstellung der On-Board-Units und Kontrolleinrichtungen).
Gibt es jetzt einen Kompromiss, und wird die Allianz einsteigen?
Im Juni 2006 begann der Bund damit, seine monatlichen Vorauszahlungen der Vergütung an Toll Collect in Höhe mit den Forderungen aufzurechnen. 2004 leitete der Bund juristische Schritte ein. Am 2. August 2005 landete der Streit erstmals bei dem dafür laut Vertrag vorgesehenen Schiedsgericht. Schon im Juni 2008 fand die erste mündliche Verhandlung statt, in der das Schiedsgericht rechtliche Fragen mit den Schiedsparteien erörterte.
Für die Deutsche Telekom und Daimler könnte es, so die langjährige Befürchtung, für den Fall der Fälle teuer werden. Die Konsortialpartner glauben aber immer noch an ihre Unschuld und die Unbegründetheit der Forderungen des Bundes.
Nun scheint sich ein Kompromiss anzubahnen: Der Bund verzichtet auf einen Teil seiner Forderungen und übernimmt dafür die Betreibergesellschaft selbst. Als mögliche neue Betreiber gelten Siemens und die Allianz. Siemens ist laut Handelsblatt in Frankreich an einem ähnlichen System beteiligt. Auch das City-Maut-System in London sowie satellitengestützte Systeme in Seattle und Israel sind von Siemens. Die Allianz wiederum sucht nach guten Anlagemöglichkeiten. Interessiert seien auch die österreichische Firma Kapsch, der italienische Konzern Autostrade und die Telekom-Tochter T-Systems.