Seit mehr als zehn Jahren versucht SAP, im deutschen Bankenmarkt Fuß zu fassen. Michael Strauss, Director Industrie Solutions Banking SAP Deutschland, erklärt, warum seiner Meinung nach die Zeit dafür jetzt reif ist.
Herr Strauss, dass SAP im Mai die Deutsche Bank als Kunden gewinnen konnte, gilt als Durchbruch im Banken-Sektor. Stimmen Sie dem zu?
Strauss: Es ist eher ein weiterer, sehr wichtiger Meilenstein für uns. SAP betreut weltweit bereits einige große Banken, zum Beispiel die Commonwealth Bank of Australia, die südafrikanische Standard Bank und die chinesische China Minsheng Banking Corporation. Das wird im deutschsprachigen Raum wenig wahrgenommen.
Trotzdem: Sie versuchen in Deutschland seit zehn, fünfzehn Jahren, im Bankenmarkt Fuß zu fassen. Bisher scheint das nicht recht gelungen.
Strauss: Was viele ebenfalls nicht wissen, ist, dass wir schon seit vielen Jahren mit fast allen Hypotheken-Banken und Förderbanken in den Kernprozessen arbeiten. Auch die Postbank und Commerzbank sind langjährige Kunden. Ich gebe aber zu, dass wir uns im Bankenmarkt lange ein bisschen zu schlecht verkauft haben. Wir haben zu wenig bekannt gemacht, wie gut wir aufgestellt sind.
Wie sehen denn Ihre konkreten Ziele aus? Bis wann wollen Sie welche Marktdurchdringung erreicht haben?
Strauss: (lacht) Natürlich haben wir Ziele, aber wir kommunizieren die nicht. Wir sehen aber, dass die Zeit reif ist für eine Modernisierung der Banken. Das hat zum einen mit steigenden Compliance-Anforderungen wie Basel III und IFRS 9 zu tun. Zum anderen gibt es ein operationelles Risiko: Banken arbeiten zuweilen mit Systemen, die über 30 Jahre alt sind. Das Wissen über die Altsysteme geht sukzessive verloren. Die Experten, die sich damit noch auskennen, gehen in Rente oder werden teilweise schon aus dem Ruhestand zurückgebeten.
Warum haben Banken mit dieser Modernisierung so lange gezögert?
Strauss: Wenn Sie die Bedeutung der IT in einer Bank mit anderen Industrien vergleichen, sehen Sie, welche Rolle die Informationstechnologie spielt. Fallen beipsielsweise in der Automobilproduktion die Systeme aus, steht das Band still. Schlimm genug - aber es ist nicht gleich das ganze Unternehmen blockiert. Anders bei einer Bank. Die IT ist sozusagen die Produktion einer Bank. Wenn die zwei Tage ausfällt, kommt die BaFin und macht den Laden dicht. Das Risiko, eine Kernbankentransformation vorzunehmen, ist daher ungleich größer.
Schlankes CRM für Banken
Wieso glauben Sie, dass sich das jetzt ändert?
Strauss: SAP sagt schon seit fünf Jahren, dass es nicht darum gehen kann, alte Systeme rauszureißen und neue einzupflanzen. Wir wollen einen moderaten, praktikablen Übergang. Die Deutsche Bank als neuer Kunde unterstützt diese Strategie. Wir denken schon, dass Entscheider anderer Banken nachziehen werden.
Sie erwarten, dass die Entscheidung der Deutschen Bank Signalwirkung auf den deutschen Markt hat?
Strauss: Nehmen wir die Entscheidung der Hamburger Sparkasse hinzu, die auch auf SAP setzt: Ja. Entscheider in Banken müssen handeln. Es geht ja darum, dass sie strukturellen Veränderungen am Markt begegnen müssen. Sie brauchen schlankere und überschaubare IT-Prozesse. Dabei geht es nicht nur um das Core-Banking, sondern um Prozesse von der Planung und Finanzbuchhaltung über Ergebnisrechnung und Risikoanalyse bis zum Customer Relationship-Management.
Haben Sie denn die Fachleute dafür? Überall ist von Fachkräftemangel die Rede.
Strauss: Wir haben im eigenen Haus ein großes Team, das sich um die Weiterentwicklung unserer Bankenlösungen kümmert. Außerdem haben wir als SAP haben ja immer auf Partnernetzwerke gesetzt. Allein auf unserem Bankenkongress in diesem September waren 33 Consulting-Unternehmen vertreten, mit denen wir zusammenarbeiten.
Und wie steht es um die Kompetenz in den Banken?
Strauss: Entscheider in den Banken brauchen das technische Know-how ebenso wie das Wissen um bankspezifische Abläufe. Für jemanden, der frisch von der Uni kommt, ist die Eintrittshürde da natürlich höher. Insofern stimmt das schon mit dem Nachwuchsmangel. Ich bin auch der Meinung, dass in einer Bank der CIO ins Board gehört. Seine Rolle muss aufgewertet werden, gerade weil die IT in einer Bank von so entscheidender Bedeutung ist.
Gartner-Analyst Martin Gutberlet sagte Ende vorigen Jahres in einem Gespräch mit cio.de, er könne sich auch einen Juristen als CIO einer Bank vorstellen.
Strauss: Juristisches Wissen ist sicherlich hilfreich. Denn die regulatorischen Anforderungen werden nicht weniger. Besonders eines muss ein Banken-CIO aber auf jeden Fall mitbringen: Er muss ein guter Change Manager sein.
Vor Basel III kommt IFRS 9
Denken Sie beim Stichwort Compliance derzeit vor allem an Basel III?
Strauss: Basel III wird kommen, dringender ist zurzeit aber IFRS 9, also die Neuerungen bei den International Financial Reporting Standards, die das International Accounting Standards Board herausgibt. Basel III ist im Moment noch sehr unkonkret.
Ihrer Erfahrung nach: Wie reagieren CIOs in Banken auf die steigenden Compliance-Anforderungen?
Strauss: Sie wollen Konkretes, keine großen Worte. Sie wollen anfangen, die Vorgaben umzusetzen. Ich denke, Banken sollten Regularien als Chance betrachten, um Systeme und damit Prozesse jetzt zu modernisieren.